Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN

AUSLAND/1712: Anleitung zur sicheren Geburt im ländlichen Afrika (idw)


Universitätsklinikum Heidelberg - 06.06.2011

Anleitung zur sicheren Geburt im ländlichen Afrika

Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg entwickelten Software für Geburtshelfer aus Burkina Faso, Ghana und Tansania


Geburtshelfer im ländlichen Afrika betreuen Frauen während Schwangerschaft und Entbindung unter schwierigsten Umständen. Erschwerend kommt hinzu, dass sie oft nur unzureichend ausgebildet sind. Treten dann bei einer Geburt Komplikationen auf, können sie häufig nicht rechtzeitig und angemessen reagieren, obwohl in vielen Fällen Hilfe in Reichweite wäre. Abhilfe soll nun eine Software schaffen, die Wissenschaftler um Professor Dr. Walter E. Haefeli von der Abteilung für Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg entwickelt haben. Das Programm - ein sogenanntes Clinical decision support system (CDSS) - wird in ländlichen Gesundheitsstationen auf Laptops, die mit Solarstrom versorgt werden, installiert und führt Geburtshelfer durch die von der Weltgesundheitsorganisation WHO vorgeschlagenen Minimalschritte der Schwangerenvorsorge und Geburtshilfe. Dabei kann das System kritische Situationen identifizieren und Entscheidungshilfe zum weiteren Vorgehen bieten.

Die Entwicklung und der Einsatz dieser Software in drei afrikanischen Ländern gehört zu dem von der EU mit drei Millionen Euro geförderten internationalen Kooperationsprojekt QUALMAT ("Quality of maternal care") unter Federführung von Professor Dr. Rainer Sauerborn, Direktor des Instituts für Public Health am Universitätsklinikum Heidelberg. Ziel von QUALMAT ist es, medizinische Fachkenntnisse nach WHO-Richtlinien in der Geburtshilfe auch außerhalb großer Krankenhäuser besser umzusetzen und die Motivation des medizinischen Personals zu erhöhen. Sechs Vertreter der afrikanischen Kooperationspartner in Burkina Faso, Ghana und Tansania - je ein medizinischer Experte und ein Informatiker - haben jetzt an einem viertägigen Seminar am Universitätsklinikum teilgenommen, um den Umgang mit dem System zu erlernen und diskutieren. Sie waren bereits an der Konzeption des Programms beteiligt und werden die Software nun vor Ort einführen, betreuen und überprüfen.

Programm erkennt kritische Werte und empfiehlt weitere Maßnahmen

Jährlich sterben weltweit rund 225.000 Frauen und zwei Millionen Kinder aufgrund von Komplikationen bei der Geburt. Das Risiko der Frauen, bei der Geburt zu sterben, ist in den afrikanischen Ländern teilweise um das Hundertfache höher als in Europa. "Viele könnten durch einfache Maßnahmen gerettet werden", erklärt Dr. Antje Blank, Ärztin der Abteilung für Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie und Projektleiterin für die Entwicklung der Software. "Doch häufig unterbleiben selbst einfachste Untersuchungen, die Risiken rechtzeitig aufzeigen, wie z.B. das Messen des Blutdrucks."

Die Software lotst gelernte wie ungelernte Helfer durch die Geburt, basierend auf den Richtlinien der WHO. Besonders wichtig sind dabei Checklisten mit Basisuntersuchungen für die Schwangerenvorsorge. Werden die Untersuchungsergebnisse in den Rechner eingegeben, erkennt das Programm selbstständig kritische Situationen und empfiehlt Medikamente oder eine rechtzeitige Verlegung in das nächste Krankenhaus. Da die Wege aber lang sind, muss diese Entscheidung möglichst früh fallen. Außerdem stellt das System weitere Informationen und Fortbildungsdokumente zum Selbststudium bereit, wozu medizinisches Personal im ländlichen Afrika oft keinen Zugang hat. Ähnliche Systeme, wie z.B. das von Professor Dr. Haefeli und seiner Abteilung entwickelte elektronische Arzneimittel-Beratungsprogramm AidKlinik, finden inzwischen europaweit Anwendung und führten in vielen Fällen zu einer deutlichen Verbesserung der medizinischen Versorgung.

Die elektronische Entscheidungshilfe kommt in Burkina Faso, Ghana und Tansania in jeweils sechs Gesundheitsstationen zum Einsatz und wird dort auf ihren Nutzen hin überprüft. "Der Einsatz des Systems in diesen Einrichtungen ist eine Herausforderung, da das Personal den Umgang mit Computern nicht gewohnt ist, und gleichzeitig z.B. auch die Stromzufuhr und die Funktion der Hardware sichergestellt sein muss", erklärt Dipl.-Ing. Jens Kaltschmidt, der die Programmierung der Software geleitet hat.

Aufgewertete Arbeitsplätze steigern die Motivation

"Die Stromversorgung und die Ausstattung mit einem Computer werten Arbeitsplätze des medizinischen Personals im ländlichen Afrika enorm auf, was sich hoffentlich positiv auf die Motivation auswirken wird", sagt Dr. Blank. "Für unsere Forschungspartner in den afrikanischen Ländern ist auch das ein sehr wichtiger Aspekt dieses Projektes." Denn in vielen afrikanischen Gebieten frustrieren schwierige Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung die Geburtshelfer, worunter zwangsläufig die Qualität der medizinischen Versorgung leidet.

Internationale Konferenz zur Globalen Gesundheit in Heidelberg

Der Einsatz von Computerprogrammen, um medizinischem Personal im ländlichen Afrika den Zugang zu Fachwissen zu erleichtern, ist nur eines von vielen Themen der internationalen Konferenz "Global Health & Preventive Medicine '11", die vom 14. bis 16. Juni 2011 in der Stadthalle Heidelberg stattfindet. 120 renommierte Referenten aus 29 Ländern informieren und diskutieren, wie Gesundheit weltweit gefördert werden kann. Dabei stehen Strategien der Prävention und Früherkennung, sowie faire und ethische Konzepte der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd im Mittelpunkt. Organisatoren sind die Medizinischen Fakultät Heidelberg und deren Institut für Public Health. Journalisten sind herzlich eingeladen.


Kontakt:

Dr. med. Antje Blank
Abteilung Klinische Pharmakologie & Pharmakoepidemiologie
E-Mail: antje.blank@med.uni-heidelberg.de

Dr. med. Svetla Loukanova
QUALMAT Projektmanagement
Institut für Public Health
E-Mail: svetla.loukanova@urz.uni-heidelberg.de

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 10.000 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 Departments, Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.600 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.
www.klinikum.uni-heidelberg.de
TB

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/klinpharm
http://www.qualmat.net

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw1-online.de/de/institution665


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung 80 / 2011
niversitätsklinikum Heidelberg, Dr. Annette Tuffs, 06.06.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2011