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AUSLAND/1711: China - Greifbare Erfolge im Kampf gegen HIV/Aids, doch Kritik vom Globalen Fonds (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Juni 2011

China: Greifbare Erfolge im Kampf gegen HIV/Aids - Doch Kritik vom Globalen Fonds

Von Gordon Ross


Peking, 3. Juni (IPS) - Obwohl China im Kampf gegen HIV/Aids bemerkenswerte Erfolge vorweisen kann, hat der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria finanzielle Zuwendungen in Höhe von mehreren Hundert Millionen US-Dollar eingefroren. Der in 140 Ländern tätige Fonds wirft der Regierung vor, für lokale Aidsorganisationen bestimmte Mittel einbehalten zu haben.

Seit vor neun Jahren mit der Verteilung antiretroviraler Medikamente begonnen wurde, ist die Zahl der AIDS-Toten in der Volksrepublik um fast zwei Drittel gesunken. Das geht aus einer Studie hervor, die das nationale Zentrum für AIDS-Prävention im Mai vorgelegt hat. Mittlerweile erhalten etwa 63 Prozent der Chinesen, die an der Immunschwächekrankheit leiden, die benötigten Präparate. Im Jahr 2002 hatten die meisten Infizierten keine solche Hilfe erhalten. Die AIDS-Sterblichkeitsrate sank von 39,3 pro 100 'Personenjahre' in 2002 auf 14,2 im Jahr 2009. Die 'Personenjahre' beziehen sich auf die geschätzte Lebensdauer eines nicht erkrankten Menschen.

Seit 2003 hat China von dem Globalen Fonds 539 Millionen Dollar erhalten, weitere 295 Millionen Dollar sollen noch freigegeben werden. Im vergangenen Jahr durchgeführte Untersuchungen ergaben jedoch, dass die Regierung nicht wie zugesichert 35 Prozent einer Hilfszahlung im Umfang von 283 Millionen Dollar den Nichtregierungsorganisationen zur Verfügung gestellt hatte.

Wie das Gesundheitsministerium in Peking im Februar mitteilte, sind derzeit etwa 740.000 Chinesen HIV-positiv. Bis 2015 wird ein Anstieg auf 1,2 Millionen erwartet. Den Statistiken zufolge starben im vergangenen Jahr mehr als 7.700 Menschen an der Krankheit, fast 17 Prozent mehr als 2009. Damit war AIDS in dem Land bereits im dritten Jahr in Folge die tödlichste Infektionskrankheit.


Diskriminierung

Experten führten den Anstieg darauf zurück, dass bei zahlreichen Patienten, die sich in den späten neunziger Jahren angesteckt hatten, die Immunschwächekrankheit voll zum Ausbruch gekommen war. Hao Yang, der Vizedirektor der Abteilung für Krankheitsprävention im Gesundheitsministerium, räumte allerdings ein, dass viele Todesfälle in früheren Jahren nicht erfasst worden seien.

Der Direktor des Nationalen Zentrums für die Kontrolle von AIDS und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten, Wu Zunyou, sagte der chinesischen Nachrichtenagentur CNS, dass sich viele Patienten aus Furcht vor einer Stigmatisierung nicht testen ließen. 80 Prozent der Menschen, die in den vergangenen fünf Jahren an AIDS gestorben seien, hätten eine medizinische Behandlung verweigert.

"AIDS-Patienten würden häufig nicht verstanden und daher diskriminiert", kritisierte der bekannteste chinesische Aktivist Wan Yanhai in einem Email-Interview mit IPS. Wan war im vergangenen Jahr in die USA emigriert.

Nach Berichten der Nachrichtenagentur Xinhua verwehren Krankenhäuser AIDS-Kranken oft andere dringende Behandlungen wie chirurgische Eingriffe. Sie würden nur in speziellen AIDS-Kliniken aufgenommen, die zumeist über keine gute Ausstattung verfügten.

Laut Wan ist ein großer Teil der Bevölkerung nicht ausreichend über die Immunschwächekrankheit informiert. Einer Studie der Chinesischen Zeitschrift für Gesundheitserziehung zufolge erklärte mehr als die Hälfte der Befragten, einem Infizierten nicht die Hand zu geben. 80 Prozent wollen keine Waren von HIV-Positiven kaufen.

Laut einer gemeinsamen Studie des UN-Programms UNAIDS, der 'Global Business Coalition on HIV/AIDS' und der Renmin-Universität glauben immerhin 49 Prozent aller Chinesen, das gefährliche Virus werde durch Stechmücken übertragen. Mehr als 18 Prozent der Befragten befürchten eine Ansteckung, wenn sie dieselben sanitären Einrichtungen wie ein HIV-Positiver benutzen. Ebenso viele Menschen meinen sich durch Tröpfcheninfektionen infizieren zu können.


Gesellschaftliche Isolation

Die Kranken geraten dadurch oft in eine totale Isolation. Bei der 32-jährigen Liu Cuiqin aus der Provinz Anhui wurde das Virus entdeckt, als sie vor neun Jahren ein Baby zur Welt brachte. Sie hatte sich bei einer Blutübertragung infiziert. Ihr Ehemann verließ sie daraufhin, und ihre Eltern brachen ebenfalls jeden Kontakt zur ihr ab.

Auch der 24-jährige Tian Xi aus der Provinz Henan steckte sich 1996 durch eine verseuchte Blutkonserve an. Nachdem bei ihm acht Jahre später AIDS sowie Hepatitis B und C festgestellt wurden, versuchte er vergeblich, das Krankenhaus zu verklagen.

Nach chinesischem Recht ist die Diskriminierung AIDS-Kranker allerdings verboten. Außerdem steht ihnen eine angemessene medizinische Behandlung zu. Die Regierung hatte sich erstmals ernsthaft mit dem Problem befasst, nachdem in den frühen neunziger Jahren Zehntausende armer Bauern durch verseuchtes Blut infiziert worden waren.

Im Februar dieses Jahres forderte der Staatsrat alle zuständigen Regierungsstellen auf, die Rechte der Patienten stärker zu achten und mehr Medikamente zu vergünstigten Preisen in Umlauf zu bringen. Konkrete Auswirkungen sind bisher aber nicht zu erkennen. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.theglobalfund.org/en/
http://www.unaids.org/en/
http://www.gbcimpact.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=55836

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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2011