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GESCHICHTE/582: Der mühevolle Weg zu einer leistungsfähigen Ärzteversorgung (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 9/2014

Versorgungseinrichtung II
Der mühevolle Weg zu einer leistungsfähigen Ärzteversorgung

Von Dr. Dr. phil. Karl-Werner Ratschko, Bad Segeberg



Die Versorgungseinrichtung der Ärztekammer besteht seit 50 Jahren, aber wie war die Versorgung vorher organisiert? Ein Rückblick.


Der Wunsch der Ärzte, leistungsfähige Witwen- und Altersversorgungen zu erhalten, war im 19. Jahrhundert ein wichtiger Anlass zur Gründung von ärztlichen Vereinigungen. Demografische Gründe und die Kriege mit ihren Folgen standen Fortschritten, die über eine Nothilfe hinausgingen, lange Zeit im Wege. Aus dem Bereich des heutigen Schleswig-Holstein(1) sind die Bemühungen des 1809 begründeten Ärztlichen Vereins zu Lübeck ein erster Anfang. Erst zu Beginn des letzten Drittels des Jahrhunderts folgte 1865 der Verein Schleswig-Holsteinischer Ärzte. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es Bemühungen der Ärztekammer für Schleswig-Holstein, die aber erst nach dem 1. Weltkrieg als "Lubinuskasse" eine größere Bedeutung bekamen. Nach dem 2. Weltkrieg sind als Ärzteversorgungen der "Honorar-Sonderfonds" der Kassenärztlichen Vereinigung und das 1964 begründete Versorgungswerk der Ärztekammer Schleswig-Holstein, in dem die Altersversorgung der Kassenärzte als "alte Last" aufging, hervorzuheben.

In dem am 18. Januar 1817 verabschiedeten "Gesetz(2) für den Verein der Ärzte in Lübeck" hieß es: "Es wird eine Wittwenkasse errichtet, zu der alle Mitglieder unseres Vereins beitragen". Eine weitere Bestimmung verpflichtete alle Mitglieder des Vereins, im Sterbejahr eines Kollegen dessen Patienten zu betreuen und das "dafür erhobene Geld der Wittwe oder den Kindern desselben zu übergeben".(3)

Konkrete Überlegungen zu weitergehender ärztlicher Vorsorge stießen jedoch auf unüberwindliche demografische Schwierigkeiten. Bei nur etwa einem Dutzend Mitgliedern (Lübeck hatte damals etwa 25.000 Einwohner und 13 praktizierende Ärzte) fehlte die Basis für eine auch nur der Grundsicherung dienenden Alters- und Witwensicherung. Der damals gefundene Versuch einer Problemlösung war genauso kreativ wie untauglich. Man beschloss "zur Gewinnung eines Fonds dem Glücke zu vertrauen und jährlich zu diesem Zwecke ein Loos in der Lübecker Staatslotterie zu spielen".(4) Eine 1822 in Hamburg gestiftete Witwenkasse, der sich acht Lübecker Ärzte anschlossen, beendete die Bemühungen der Lübecker bis zum Jahre 1859. In diesem Jahr wurde eine "Pensionskasse" für Witwen und Waisen ohne Rechtsanspruch auf Zahlungen gegründet. Je nach Bedürftigkeit und vorhandenen Mitteln sollten Leistungen erfolgen. Erst nachdem 1880 der Fonds auf 20.000 Mark angewachsen war, kam es 1891 zu ersten Zahlungen an Witwen. Sie beliefen sich auf etwa 200 Mark im Jahr.(5) 1898 folgte eine Sterbegeldversicherung für in Not geratene Mitglieder.

Nach dem 1. Weltkrieg war die Witwen-, Sterbe- und Unterstützungskasse mit ihren bescheidenen Mitteln den Erschütterungen der Inflation nicht gewachsen. Der Ärztliche Verein entschied sich 1924, eine neue Invaliden- und Altersrente sowie Witwen- und Waisenrente zu schaffen, deren Beiträge durch prozentualen Abzug aus Kassen- und Privateinnahmen im Umlageverfahren erhoben wurden. Keine der drei Lübecker Versorgungskassen überlebte das "Dritte Reich".(6)

Der 1865 mit 142 Mitgliedern gegründete Verein Schleswig-Holsteinischer Ärzte bot die demografische Grundlage für leistungsfähigere Lösungen der Risiko- und Altersvorsorge, betraf jedoch nicht die Lübecker Ärzte. Im Jahr 1906 hatte der Verein etwa 520 Mitglieder bei 650 in der damaligen preußischen Provinz Schleswig-Holstein tätigen Ärzten.(7) Für den Verein Schleswig-Holsteinischer Ärzte war die Unterstützung seiner Ärzte bei Berufsunfähigkeit und Alter bzw. der Hinterbliebenen wichtig. Von den nicht verbrauchten Beitragsmitteln des Vereins wurden zunächst an notleidende Ärzte bzw. ihre Familienangehörigen Unterstützungen bis zu 100 Thalern gewährt. Einen Rechtsanspruch gab es nicht.

Bewilligt wurde im Rahmen der vorhandenen Mittel nach Zahl der Anträge und ihrer Dringlichkeit. So entstand eine Unterstützungskasse, die jedes Jahr mit den nach Abzug der Verwaltungskosten verbliebenen Haushaltsmitteln des Vereins weiter aufgefüllt wurde. Die goldene Hochzeit des Kaiserpaares Wilhelm I. und Augusta mit den damit verbundenen freiwilligen Beiträgen und Schenkungen von Ärzten und lokalen Ärztevereinen sowie Vergütungen von - wie wir heute sagen würden - Gruppenversicherungspartnern hatte die Umwandlung der Unterstützungskasse zur "Kaiser-Wilhelm-Stiftung" zur Folge.(8) Sie blieb eine Einrichtung des Vereins Schleswig-Holsteinischer Ärzte. 1906 verfügte die Kasse über mehr als 60.000 Mark, 70.000 Mark waren seit ihrem Bestehen bereits ausgezahlt worden. Jährlich wurden für Ärzte 300 Mark und für Witwen 100 bis 200 Mark gewährt, 1890 empfingen z. B. drei Ärzte insgesamt 900 und 15 Witwen 2.840 Mark.(9)

Diese Versorgung war eine Hilfe, aber auch nur das. Für die Kosten des Lebensunterhalts waren die Mittel völlig unzureichend. Aus diesem Grunde schloss der Verein 1878 mit der Gothaer Bank einen für Ärzte günstigen Gruppenversicherungsvertrag über den Abschluss von Lebensversicherungen, die auch als Alterssicherung dienen sollten, sowie 1886 mit der Kölner Unfall-Versicherungs-Aktiengesellschaft eine Unfall- und 1897 eine Haftpflichtversicherung ab. 1881 trat dann eine überregionale Versicherungskasse für die Ärzte Deutschlands mit ehrenamtlich tätigen Ärzten im Direktorium und Aufsichtsrat als eine weitere attraktive Möglichkeit der Zukunftssicherung hinzu, die allerdings 1905 mit 900 Mitgliedern (bei 30.000 Ärzten im Deutschen Reich) keine besonders große Akzeptanz gefunden hatte. Aus Schleswig-Holstein waren damals nur 20 Ärzte beteiligt.(10) Weitere, nicht auf Ärzte beschränkte Versicherungen boten zusätzliche Möglichkeiten der Vorsorge. Eine Verpflichtung zur Vorsorge bestand für Ärzte jedoch nicht, sodass bei nicht wenigen die Bereitschaft fehlte, Beiträge, die insgesamt etwa ein Sechstel des durchschnittlichen Einkommens (mit 40 Jahren etwa 7.000 bis 8.000 Mark/Jahr) ausmachen konnten, aufzuwenden. Die Inflation nach dem 1. Weltkrieg vernichtete das Vermögen der Kaiser-Wilhelm-Stiftung weitgehend, sodass Unterstützungszahlungen durch den Verein in den Folgejahren bis zu seiner Auflösung durch die Nationalsozialisten nur noch aus dem laufenden Haushalt und in bescheidenem Umfang möglich waren.

Die 1887 für die preußischen Provinzen durch "allerhöchste Verordnung" eingerichteten Ärztekammern hatten zunächst aus heutiger Sicht nur begrenzte Aufgaben. Die Schaffung von Fürsorge- oder Unterstützungskassen gehörte nicht dazu. Das änderte sich erst, als mit dem "Gesetz betreffend ärztliche Ehrengerichte, das Umlagerecht und die Kassen der Ärztekammern vom 25. November 1899" auch die Ärztekammer für Schleswig-Holstein die Möglichkeit erhielt, von jedem ihrer Mitglieder Beiträge zu erheben. Bis zum Ende des 1. Weltkrieges änderten sich trotzdem die Unterstützungsmöglichkeiten durch den Verein Schleswig-Holsteinischer Ärzte für in Not geratene Ärzte oder ihre Angehörigen nicht, lediglich eine kleine Summe von 2.000 bis 3.000 Mark jährlich wurde für Fürsorgezwecke im ohnehin sehr bescheidenen Haushalt der Ärztekammer für Schleswig-Holstein zur Verfügung gestellt.(11)

Dies änderte sich erst durch die 1923 mit einem Währungsschnitt erfolgte Einführung der Rentenmark,(12) mit der die groteske inflationäre Entwicklung der Mark in den Jahren nach dem verlorenen Krieg beendet wurde. Die Versorgung alter und berufsunfähiger Ärzte nahm eine positive Wendung, als der damalige Vorsitzende der Ärztekammer, Johannes Lubinus, 1926 das der Ärztekammer zugestandene Recht, eine Umlage zu erheben, dazu nutzte, eine ärztliche Pensionskasse ins Leben zu rufen.(13) Es bestanden eine Beitrittspflicht für die meisten Ärzte und ein Rechtsanspruch auf Zahlungen im Alter, bei Invalidität und für Witwen und Waisen. Gezahlt wurde eine Grundrente aus einem mit 1,5 Prozent des Einkommens gespeisten Allgemeinfonds (1.200 RM für Ärzte, 600 RM für Witwen und 150 RM für Waisen jährlich),(14) ergänzt durch eine nach Einkommen unterschiedlich hohe Rente aus einem Individualfonds (Beitrag 4,5 Prozent des Einkommens). Der Vorteil des Pensionsfonds gegenüber einer reinen Rentenversicherung bestand darin, dass das eingezahlte Geld mit Zins und Zinseszins in jedem Fall als Rente oder Kapital zurückgezahlt werden würde.(15)

Die von Lubinus begründete Pensionskasse der Ärztekammer wurde nach ihrer Übernahme durch die Reichsärztekammer im Mai 1937 geschlossen, ihre Satzung aufgehoben und die Pensionskasse als "Abteilung Ärzteversorgung" der Ärztekammer Schleswig-Holstein fortgeführt. Alle Ärzte, die zum 1. Januar 1937 das Lebensalter von 40,5 Jahren noch nicht überschritten hatten, wurden durch einen Vertrag der Reichsärztekammer mit einer Versicherungsgesellschaft versichert. Alle an der Versorgung teilnehmenden Ärzte zahlten einen vom Leiter der Abteilung Ärzteversorgung festzusetzenden Prozentsatz ihres ärztlichen Berufseinkommens als Beitrag an die Ärztekammer. Ein Rechtsanspruch auf Leistungen bestand nur gegenüber der Versicherungsgesellschaft nach Maßgabe des zwischen Reichsärztekammer und Versicherungsgesellschaft geschlossenen Vertrages. Die Höhe des Anspruchs des einzelnen Arztes richtete sich jedoch nach den Beiträgen, die die Ärztekammer an die Versicherung abgeführt hatte, nicht danach, welche Beiträge der einzelne Arzt an die Ärztekammer geleistet hatte. Vorgesehen war, dass ab dem 70. Lebensjahr und dem Berufsunfähigkeitsfall Ärzte 1.500 RM jährlich erhalten sollten, die Witwenrente sollte sich auf 1.000 RM belaufen, für Halbwaisen waren 300 sowie für Vollwaisen 600 RM jährlich vorgesehen. Ärzte, die älter als 40,5 Jahre waren, wurden bei der Versicherung nachversichert, der dafür erforderliche Betrag wurde nach Festlegung durch einen Ausschuss für Versorgungswesen der Abteilung Ärzteversorgung vom Arzt erstattet. Dieser Betrag konnte auch gestundet oder ganz erlassen werden.(16)

Die Nationalsozialisten hatten eine höchst eigenwillige Form der Daseinsvorsorge ersonnen. Die Hoheit über die Höhe der Beiträge blieb bei der Ärztekammer, der Leistungsanspruch des Arztes richtete sich ausschließlich an das Versicherungsunternehmen. Diese Konstruktion, die nicht nur mannigfaltige, enteignungsgleiche Manipulationen ermöglichte, lief bezüglich des Beitrages auf eine Umlagefinanzierung und bezüglich der Leistungen auf ein Kapitaldeckungsverfahren hinaus. Dieser Umstand sollte sich nach dem nächsten verlorenen Krieg und dem Währungsschnitt 1948 verhängnisvoll für die Ärzte auswirken. Die älteren von ihnen hatten nun schon zum zweiten Mal ihre in die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenvorsorge investierten Gelder fast vollständig verloren.

Obwohl die schleswig-holsteinische Ärztekammer bis zum Zusammenbruch 1945 nur eine Untergliederung der Reichsärztekammer ohne eigene Rechtspersönlichkeit war, wurde sie nach dem Willen der britischen Besatzungsmacht provisorisch als selbstständige Landesärztekammer weitergeführt. Die britische Besatzungsmacht beauftragte den in Kiel niedergelassenen praktischen Arzt Dr. Berthold Rodewald schon Ende Juni 1945, die Geschäfte der Ärztekammer wahrzunehmen. Die Provinzstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands (KVD) war bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 eine Abteilung der Ärztekammer. Ohne förmliche, rechtsverbindliche Grundlagen wurde die von nationalsozialistischem Gedankengut halbwegs befreite Reichsärzteordnung weiter angewendet.(17)

Eine für alle verbindliche Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung konnte die Kammer mit einer solchen Rechtsgrundlage nicht einrichten. Dazu bedurfte es gesetzlicher Regelungen, um die sich die Ärztekammer seit 1945 zunächst für fast ein Jahrzehnt erfolglos bemühte. Immerhin linderte ein von der Ärztekammer alsbald eingerichteter Fürsorgefonds die größte Not. Erst 1954 trat das lange erwartete Ärztekammergesetz in Kraft. Zum Entsetzen der Kammervertreter hatten die Landtagsabgeordneten wichtige Regelungen nicht beschlossen. So fehlte auch eine Ermächtigung zur Bildung einer Versorgungseinrichtung für Ärzte.(18)

1949 stand die Regelung der Altersvorsorge erstmalig nach dem Krieg wieder auf der Agenda. In einer gemeinsamen Sitzung kamen Kammer und KV zu dem Ergebnis, dass eine allgemein verbindliche Versorgungseinrichtung nur mit einem Kapitaldeckungsverfahren möglich wäre. Aufgrund der schlechten Erfahrungen mit zwei kapitalvernichtenden Inflationen war dieser Weg damals nicht mehrheitsfähig. Eine Altersvorsorge war nur im Umlageverfahren ohne Ansparen von Kapital durchsetzbar.(19) Für alte oder berufsunfähige Kassenärzte fand sich jedoch nach der Währungsreform eine komfortablere Lösung. In einer Neufassung des Honorarverteilungsmaßstabes wurde mit Wirkung zum 1. April 1949 ein "Honorar-Sonderfonds" beschlossen, der Kassenärzten, die das 65. Lebensjahr erreicht hatten oder mindestens 50 Prozent berufsunfähig waren, unter Voraussetzung des Ruhens ihrer Kassenzulassung unabhängig von anderen Einkünften eine Mindesteinnahme von 1.000 DM im Vierteljahr garantierte.(20)

Nach Verabschiedung des Gesetzes über das Kassenarztrecht erfolgte eine Weiterentwicklung der bis dahin getroffenen Regelungen. Mit Wirkung zum 1. Januar 1957 verabschiedete die Abgeordnetenversammlung der KV die "Vorschriften für die Erweiterte Honorarverteilung als Berufsunfähigen- (Alters-) und Hinterbliebenenversorgung". Die Abgeordneten setzten weiterhin auf das Umlageverfahren, mit dem jedes Quartal die erforderlichen Mittel aus den Pauschalvergütungen der RVO-Kassen abgezweigt wurden. Leistungen sollten ohne Prüfung der Bedürftigkeit in gleicher Höhe an alle Versorgungsberechtigten erfolgen. Ärzte, die älter als 50 Jahre waren oder als "Nichtkassenärzte"(21) nicht an der erweiterten Honorarverteilung teilnahmen, blieben ausgeschlossen und mussten private Vorsorge treffen.(22)

An die Stelle einer "Kapitalansammlung mit fragwürdigen Zinserträgen" trat die "Arbeitskraft und die Hilfsbereitschaft der tätigen Kassenärzte".(23) Neu war insbesondere, dass alle Bezüge von der Entwicklung der kassenärztlichen Honorare abhängig gemacht wurden, neu war auch eine deutliche Verbesserung der Witwenversorgung. Zunächst waren für Ärzte 360 DM und für Witwen 240 DM monatlich vorgesehen,(24) 1961 lagen die Renten schon bei rund 520 DM für Ärzte, 345 DM für Witwen, die Hälfte davon für Voll- und ein Viertel für Halbwaisen.(25) Der Honorarabzug aus der Pauschalvergütung der RVO-Kassen belief sich im selben Jahr auf rund 2,5 Prozent.(26)

Erst nach einer mühsam errungenen Änderung des Ärztekammergesetzes im Jahr 1959 wurde die Möglichkeit zur Bildung einer Versorgungseinrichtung mit Pflichtmitgliedschaft eröffnet. Für ihre Einführung schienen die Hürden im Gesetz hoch gesteckt. Voraussetzung für die Gründung war die Zustimmung der Mehrheit aller Ärzte in einer Urabstimmung.(27)

Dies schien ein schwer zu erreichendes Ziel, nachdem die KV eine akzeptable Versorgung der Kassenärzte, aber eben auch nur dieser, 1956 mit dem "Erweiterten Honorarverteilungsmaßstab" beschlossen hatte. Die anfangs mit geringen Belastungen verbundene umlagefinanzierte Versorgung der KV war nach den eingetretenen Verlusten der Versorgungsrückstellungen eine sympathisch erscheinende Lösung.(28) Die neuen Möglichkeiten führten zu einer intensiven Diskussion innerhalb der Ärzteschaft. Ein Satzungsentwurf sah vor, dass die Versorgungseinrichtung die Altersversorgung der KV ablösen sowie mit alters- und statusbedingten Einschränkungen die übrigen niedergelassenen und angestellten Ärzte aufnehmen sollte. Als Finanzierungssystem war eine Mischung aus Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren, dem damals sogenannten Abschnittsdeckungsverfahren, gewählt worden. Auf diese Weise würden angestellte Ärzte eine Altersversorgung ohne Wartezeiten und die Kassenärzte eine von der Sozialgesetzgebung des Bundes unabhängige Daseinsvorsorge erhalten. Künftige Kassenärzte würden nicht überproportional zu den Kosten der kassenärztlichen Vorsorge beitragen müssen.(29, 30) Gerade der letzte Punkt musste von den jungen Ärzten als Benachteiligung angesehen werden und auf ihren Widerstand stoßen, sodass das seinerzeit für Kassenärzte einzig mögliche Umlageverfahren für die neue Versorgungseinrichtung nicht infrage kommen konnte. Andererseits muss die zu schaffende Versorgungseinrichtung die "alte Last" der alten Kassenärzte und Ruhegeldempfänger (1960 immerhin 109 Alters-, 89 Witwen- und 68 Waisengeldempfänger) mittragen.(31)

Die geforderte Urabstimmung fand im Oktober 1963 statt. Vorher allerdings kam es noch zu einer intensiven Vorbereitung im Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt. Der KV-Vorsitzende Rudolf Reichert (Kiel) und der Vorsitzende des Marburger Bundes, Jürgen Hahn (Lübeck), sprachen sich für eine Zustimmung zu der geplanten Versorgungseinrichtung aus.(32) Edmund Christiani (Kiel), Nachfolger von Kurt Dutte als Präsident der Ärztekammer, rief einen Monat später zusammen mit den Vorsitzenden aller berufspolitisch relevanten Verbände die Ärzte auf, die Einführung der Versorgungseinrichtung zu bejahen.(33) Im gleichen Heft bat der in der Frage der Ärzteversorgung besonders engagierte Heider Arzt Johannes Günther einfach nur um Beteiligung an der Abstimmung(4) und zwei Flensburger Ärzte (Kuntze, Kämpfe) zusammen mit einer Flensburger Ärztin (Ilse Ritscher) sprachen sich gegen eine Zustimmung aus.(35) Das Ergebnis der Urabstimmung war eindeutig: 85,8 Prozent der niedergelassenen, 73,4 Prozent der angestellten Ärzte sowie 84,5 Prozent der leitenden Klinikärzte stimmten bei insgesamt 7,1 Prozent Nein-Stimmen und 10,2 Prozent Enthaltungen zu.(36)

Mit der Errichtung der Versorgungseinrichtung zum 1. April 1964 hat die wechselvolle Geschichte der Altersversorgung der schleswig-holsteinischen Ärzte einen glücklichen, hoffentlich noch viele Jahre fortdauernden Abschluss gefunden. Den sie leitenden Gremien und der Geschäftsführung der Versorgungseinrichtung wünsche ich für die nächsten Jahrzehnte weiterhin eine glückliche Hand!


Literatur beim Verfasser oder im Internet unter

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 9/2014 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2014/201409/h14094a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
67. Jahrgang, September 2014, Seite 24 - 27
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz-Joseph Bartmann (V.i.S.d.P.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2014