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ETHIK/838: In-vitro-Fertilisation und die Würde des Kindes (ALfA LebensForum)


ALfA LebensForum Nr. 94 - 2. Quartal 2010
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)

Die Würde des Kindes

Von Professor Dr. Manfred Spieker


Die jetzt vom BGH als mit dem Embryonenschutzgesetz für vereinbar erklärte Präimplantationsdiagnostik (PID) und - noch vor ihr - die In-vitro-Fertilisation (IVF) selbst widersprechen der Würde des Kindes, behauptet der Autor dieses Beitrags, der in der IVF die Quelle aller ethischen Probleme erblickt, vor die sich Wissenschaft, Medizin und Politik gestellt sehen.


Reproduktionsmediziner rechtfertigen die künstliche Befruchtung mit dem Leiden ihrer Patienten. Kinderlosigkeit gilt als Krankheit, die künstliche Befruchtung als deren Therapie. Die Krankenkassen haben sich dem nicht verschlossen und die assistierte Reproduktion als Sterilitätstherapie in ihren Leistungskatalog aufgenommen, obgleich die Sterilität selbst nach einer erfolgreichen, also zur Geburt eines Kindes führenden Behandlung die gleiche ist wie zuvor. Reproduktionsmediziner behandeln mit der In-vitro-Fertilisation und der Intracytoplasmatischen Spermieninjektion also nicht eine Krankheit, sondern einen Wunsch, den Wunsch nach einem Kind.

Dieser Wunsch ist legitim. Er ist Teil der conditio humana. Die Fortpflanzung gehört zu den zeit- und kulturunabhängigen Bedürfnissen, den existentiellen Zwecken der menschlichen Natur. Dass sich ein Ehepaar Kinder wünscht, dass Mann und Frau sich danach sehnen, miteinander und durcheinander Vater und Mutter zu werden und ihre Liebe in der Geburt eines gemeinsamen Kindes sich manifestieren zu lassen, all dies ist Teil der menschlichen, geschlechtsbezogenen Identität. Legitim ist auch, dass Medizin und Psychologie Probleme bei der Realisierung des Kinderwunsches in Forschung und Therapie behandeln. Die Legitimität einer medizinischen Intervention hängt allerdings davon ab, dass sich der intervenierende Arzt der Tatsache bewusst bleibt, dass es ein Recht auf ein Kind nicht gibt und dass er es nicht nur mit einem Paar, sondern mit dem Kind als einem dritten Subjekt zu tun hat.

Eine Therapie, die dieser Verantwortung gerecht werden will, kann sich deshalb nicht darauf beschränken, das Kind nur als Objekt von Elternwünschen oder Fertilisationsmethoden zu betrachten. Das Ziel jeder assistierten Reproduktion ist ein Objekt eigener Art, ein Objekt, das zugleich Subjekt ist, ein Subjekt, dem Menschenwürde zukommt. Warum kommt dem Embryo Menschenwürde zu? Die Menschenwürde kommt ihm zu, weil er Mensch ist. Mensch sein heißt Person sein und Person sein heißt, ein »Jemand« und nicht ein »Etwas« zu sein. Aus einem »Etwas« kann nie ein »Jemand« werden. Würde haben bedeutet somit, ein Rechtssubjekt zu sein. Kein Mensch ist bloß Objekt. Würde haben bedeutet, niemals und nirgends rechtlos dazustehen. Kein Mensch fängt also - rechtlich betrachtet - bei null an. Dieses Bekenntnis war eine kopernikanische Wende in der deutschen Verfassungsgeschichte.

»Aus einem 'Etwas' kann nie ein 'Jemand' werden.«

Die sich aus der Menschenwürde ergebende Achtungspflicht erstreckt sich auf den Menschen in jeder Phase seines Lebens. Wo menschliches Leben existiert, so das Bundesverfassungsgericht in seinem ersten Abtreibungsurteil 1975, kommt ihm Menschenwürde zu. Es ist nicht entscheidend, ob der Träger sich dieser Würde bewusst ist und sie selbst zu wahren weiß. Die von Anfang an im menschlichen Sein angelegten potenziellen Fähigkeiten genügen, um die Menschenwürde zu begründen. Dass die Menschenwürdegarantie auch dem Embryo zukommt, wird in der Bioethikdebatte der vergangenen Jahre zunehmend bestritten. Der Zweck des Bestreitens liegt auf der Hand. Wenn ihm die Menschenwürdegarantie nicht zukommt, haben die Präimplantationsdiagnostik und die Forschung an und mit embryonalen Stammzellen freie Bahn. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Entwicklung einer befruchteten Eizelle mit dem doppelten Chromosomensatz unleugbar die Entwicklung einer lebendigen Substanz ist, die von Anfang an das volle Lebensprogramm für die Entwicklung eines Menschen in sich trägt. Weder die Nidation noch die Geburt noch sonstige Zäsuren sind mit einer genetischen Nachbesserung verbunden. Deshalb ist die natürliche Finalität der befruchteten menschlichen Eizelle eine Vorgegebenheit des Rechts. Deshalb steht der Embryo unter dem Schutz der Menschenwürdegarantie.

Wenn der Embryo aber unter die Menschenwürdegarantie fällt, muss sich die assistierte Reproduktion einer Reihe von Fragen stellen. Seit der Geburt des ersten künstlich erzeugten Kindes in England haben sich In-vitro-Fertilisation und Intracytoplasmatische Spermieninjektion als »Sterilitätstherapie« durchgesetzt. In Deutschland sind seit der ersten Geburt nach künstlicher Befruchtung 1982 in der Erlanger Universitätsklinik rund 200.000 Kinder auf diese Weise geboren worden. Im Jahr 2008 waren es rund 11.400 bei rund 71.000 IVF/ICSI-Behandlungen in 120 Fertilisations- bzw. »Kinderwunsch«-Zentren. Rund zwei Jahrzehnte gab es, sieht man von der katholischen und der evangelischen Kirche sowie einigen feministisch orientierten Stimmen ab, so gut wie keine In-Frage-Stellung der künstlichen Befruchtung. Dies hat sich mit der 2001 beginnenden Bioethik-Debatte geändert. Zunehmend wird die In-vitro-Fertilisation als die Quelle aller ethischen Probleme gesehen, vor denen Wissenschaft, Medizin und Politik stehen.

Wie lässt sich der Zweifel an der Vereinbarkeit der assistierten Reproduktion mit der Menschenwürdegarantie begründen? Nicht alle Probleme, mit denen sich die Reproduktionsmedizin auseinandersetzen muss, haben etwas mit der Menschenwürdegarantie zu tun. Dass die Erfolgsquote der IVF- und ICSI-Behandlungen nur bei rund 15 bis 17 Prozent liegt, mithin nur jedes sechste Paar dadurch zu einem Kind kommt, dass die Reproduktionsmediziner mit gelungener Befruchtung und erzielter Schwangerschaft oft andere Erfolgskriterien haben als die Eltern, für die erst die Geburt eines Kindes ein Erfolg ist, dass die Fehlbildungsrate bei Kindern nach IVF und ICSI deutlich höher ist als nach natürlicher Zeugung, was lange bestritten wurde, inzwischen aber selbst den Ethikrat beschäftigt, dass auch die Mehrlingsraten mit entsprechenden Frühgeburten und Gesundheitsbelastungen deutlich höher liegen und dass die Verfahren der assistierten Reproduktion ohne Prüfung ihrer Wirkungs- und Schädigungspotentiale, also fahrlässiger als jedes Grippemedikament, eingeführt wurden, all dies beschäftigt zwar die Gynäkologen, zum Teil auch die Politik, kollidiert aber noch nicht mit der Menschenwürdegarantie.

»Kein Mensch fängt, rechtlich betrachtet, bei null an.«

Mit der Menschenwürde und der aus ihr abgeleiteten Pflicht, alles zu unterlassen, was Leben, Freiheit und Gleichheit des Embryos existentiell bedroht, kollidiert aber eine Reihe anderer Aspekte der Reproduktionsmedizin. Der offenkundigste, weil empirischer Beobachtung am leichtesten zugängliche Verstoß ist der euphemistisch »Mehrlingsreduktion« genannte Fetozid nach erfolgreicher Implantation mehrerer Embryonen. Er kommt mindestens 150 Mal jährlich vor. Auch das offizielle Jahrbuch der Reproduktionsmedizin, das DIV-Register, weist für 2006 150 »fetale Reduktionen« aus. Die Lage für die Eltern ist geradezu dramatisch. Die In-vitro-Fertilisation zwingt sie zu paradoxen Entscheidungen. Sie wollen ein Kind, entschließen sich aber bei der Mehrlingsreduktion gleichzeitig, ein Kind oder mehrere töten zu lassen, eine Beziehung zwischen Geschwistern zu zerstören und dem überlebenden Mehrling ein Heranwachsen an der Seite des getöteten Bruders bzw. der getöteten Schwester zuzumuten - bleibt der getötete Mehrling doch bis zur Geburt des lebenden in der Gebärmutter.

Zur Reduzierung der Mehrlingsraten und gleichzeitig zur Steigerung der Erfolgsraten der assistierten Reproduktion schlagen Reproduktionsmediziner, allen voran der frühere Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Klaus Diedrich, immer wieder die Präimplantationsdiagnostik vor. Sie ermögliche die Selektion von Embryonen nicht nur mit genetischen Defekten, sondern auch mit erhöhten Nidationschancen. Dass sie in Deutschland verboten ist, war bisher die weit überwiegende Überzeugung von Juristen, Medizinern und Politikern. Sie ist verboten, weil das Embryonenschutzgesetz nach Paragraf 1, Absatz 1, Ziffer 2 die künstliche Befruchtung nur zum Zwecke der Herbeiführung einer Schwangerschaft zulässt. Heribert Kentenich, Vorsitzender einer Arbeitsgruppe »Reproduktionsmedizin« der Bundesärztekammer, forderte deshalb am 26. Mai 2008 in »Spiegel Online« eine Revision des Embryonenschutzgesetzes. Eine Diagnostik vor der Implantation würde für ihre Testverfahren die Herstellung einer wesentlich größeren Zahl von Embryonen erfordern als die In-vitro-Fertilisation. Die Präimplantationsdiagnostik bedeutet somit Herstellung von Embryonen auf Probe. Sie bedeutet gleichzeitig die tödliche Selektion all jener Embryonen, die nicht für eine Implantation in Frage kommen. Nach Daten der Europäischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Embryologie kommen auf eine Geburt nach einer Präimplantationsdiagnostik 32 verworfene, also getötete Embryonen. Mit der Menschenwürde und den daraus resultierenden Unterlassungspflichten ist dies unvereinbar.

»Die IVF verletzt die Menschenwürdegarantie.«

Die menschliche Fortpflanzung ist ein integraler Bestandteil der menschlichen Sexualität. Die Vereinigung von Mann und Frau ist nicht nur ein physiologischer Vorgang. Sie ist eine gegenseitige Hingabe und Übereignung, die den Leib und die Seele umfasst. Sie ist eine kommunikative Praxis von Personen unterschiedlichen Geschlechts, nicht ein Machen oder Herstellen. Die leib-seelische Einheit der Vereinigung und des Zeugungsgeschehens geht durch die IVF verloren. Schon 1985 hatte die EKD in einer heute weithin vergessenen »Handreichung zur ethischen Urteilsbildung« bei künstlicher Befruchtung auf die Interdependenzen physischer und psychischer Vorgänge in Zeugung, Schwangerschaft und Geburt hingewiesen und vor dem Verlust der leib-seelischen Ganzheit des Zeugungsvorganges durch die IVF gewarnt. Dies gilt in verstärktem Maße für die heterologe IVF und die Leihmutterschaft, aber es gilt auch für die homologe IVF. Die katholische Kirche verteidigt in den Erklärungen der Glaubenskongregation »Donum Vitae« (1987) und »Dignitas Personae« (2008) den ehelichen Liebesakt in seiner leib-seelischen Ganzheit als den einzigen legitimen Ort, der der menschlichen Fortpflanzung würdig ist. Die Eheleute hätten das Recht und die Pflicht, »dass der eine nur durch den anderen Vater oder Mutter wird«. Die Fortpflanzung werde ihrer eigenen Vollkommenheit beraubt, wenn sie nicht als Frucht des ehelichen Liebesaktes, sondern als Produkt eines technischen Eingriffs angestrebt werde. Mit der Verteidigung der Sexualität und des ehelichen Liebesaktes als einer leib-seelischen Einheit bringen die Kirchen zum Ausdruck, dass es eine Würde der menschlichen Fortpflanzung gibt, die gewiss vielfach missachtet wird, nicht nur in der IVF - die aber dennoch eine Voraussetzung gelingenden Lebens ist. Die EKD spricht von der »Würde werdenden Lebens«, die katholische Kirche von der »Würde der Fortpflanzung«. Die Menschenwürde und die aus ihr abgeleitete Pflicht, den anderen Menschen nicht ausschließlich als Instrument - zur Erfüllung des Kinderwunsches - zu benutzen, gebieten eine Form der Fortpflanzung, in der sich Mann und Frau als Personen begegnen und im biblischen Sinne »erkennen«. Sie gebieten, in Zeugung und Schwangerschaft nicht nur technische Vorgänge, sondern anthropologische Grundbefindlichkeiten zu sehen.

»Der Embryo steht unter dem Schutz der Menschenwürdegarantie.«

Welche Gründe sprechen aus der Perspektive des Kindes gegen die IVF? Es ist von seinen Eltern gewünscht. Das unterscheidet es nicht von den meisten natürlich gezeugten Kindern. Aber es ist im Unterschied zu diesen nicht die Frucht des ehelichen Liebesaktes, die zwar erhofft, aber nie gemacht werden kann, sondern es ist das Produkt des Fortpflanzungsingenieurs und des Willens der sich ihm anvertrauenden Eltern. Kant würde sagen, es ist ihr »Gemächsel«. Es verdankt seine Entstehung einem technischen Verfügungs- und Herrschaftswissen, einer »instrumentellen Vernunft« (Max Horkheimer). Als »Gemächsel« aber befindet sich der Mensch in einer existentiellen Abhängigkeit von denen, die ihn machen, nicht erst dann, wenn er deren Erwartungen nicht erfüllt. Der Beginn seiner Existenz steht unter dem Vorbehalt des Willens seiner Eltern und des Wissens des Fortpflanzungsingenieurs. Dies gilt für jede IVF-Behandlung, also nicht erst für jene, die mit einer PID verbunden wird, mittels der der Embryo einem Qualitätscheck unterzogen, nach bestimmten Merkmalen ausgewählt, für bestimmte therapeutische Zwecke erzeugt oder mittels einer Gentherapie programmiert wird. Diese bedingte Existenz widerspricht der Symmetrie der Beziehungen, die eine wesentliche Voraussetzung für interpersonale Beziehungen und für den egalitären Umgang von Personen ist. Sie widerspricht seiner fundamentalen Gleichheit als Mensch wie auch seiner Freiheit. Damit verletzt die IVF die Menschenwürdegarantie, auch wenn der künstlich erzeugte Mensch nach seiner Nidation zum geliebten Kind seiner Eltern wird, sich normal entwickelt und als Mitbürger die gleichen Rechte und Pflichten hat wie jeder andere.

Kann man dem Kind das Recht zusprechen, auf natürliche Weise gezeugt und nicht im Labor eines »Kinderwunsch-Zentrums« erzeugt zu werden? Selbst wenn man einen derartigen Rechtsanspruch verneint mit der Begründung, niemand könne vor seinem Dasein ein subjektives Recht geltend machen, so lassen sich aus der Menschenwürdegarantie, die jedem Menschen von Beginn seiner Existenz an zukommt, doch Pflichten für die Eltern ableiten, die nicht erst mit der Geburt oder der Nidation des Kindes einsetzen, sondern bereits seine Zeugung betreffen. Die erste Pflicht der Eltern ist die, das Kind vom ersten Augenblick seiner Existenz an als Person zu achten. Es ist weder ihr Produkt noch ihr Eigentum. Dem entspricht ein Recht des Kindes, von der Empfängnis an als Person geachtet zu werden. Es ist Rechtssubjekt. Es hat das Recht, »die Frucht des spezifischen Aktes der ehelichen Hingabe seiner Eltern zu sein«. Diese Verteidigung des Geschlechtsaktes seitens der katholischen Kirche ist zugleich eine Verteidigung der Würde des Kindes.

Die In-vitro-Fertilisation hat das Tor geöffnet für die Präimplantationsdiagnostik, den Qualitätscheck der Embryonen und damit für die Zertifizierung der Zeugung. Der Weg vom zertifizierten Qualitätsmanagement des reproduktionsmedizinischen Zentrums zum Qualitätsmanagement seines Produkts ist konsequent. Der Bundesgerichtshof hat ihn mit seinem Urteil vom 6. Juli 2010 weit geöffnet. Dass die Präimplantationsdiagnostik nicht auf die viel zitierten 100 tragischen Fälle von Embryonen mit bestimmten genetischen Anomalien zu begrenzen ist, sondern der Produktion von Embryonen mit den jeweils von Eltern oder Reproduktionsmedizinern gewünschten Merkmalen dient, hat nach der Enquetekommission des 14. Deutschen Bundestages »Recht und Ethik in der modernen Medizin« und dem damaligen Ethikrat im Sommer 2004 auch der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des 15. Deutschen Bundestages festgestellt. Die britische Behörde zur Genehmigung der PID hat in ihrem Krankheiten-Register inzwischen rund 130 Krankheitsdispositionen, die eine PID ermöglichen. Die Präimplantationsdiagnostik ist die logische Konsequenz der In-vitro-Fertilisation und die Genmanipulation wird die logische Konsequenz der Präimplantationsdiagnostik sein.


GLOSSAR

IVF (In-vitro-Fertilisation)
Künstliche Befruchtung einer Eizelle außerhalb des Körpers in einer Petrischale oder einem Reagenzglas (vitrum: lat. Glas).

Homologe IVF
Bei der homologen IVF stammen die Gameten (Eizelle und Spermien) von dem Paar, das eine künstliche Befruchtung durchführen lässt

Heterologe IVF
Bei der heterologen IVF stammt mindestens eine Gametenspende nicht von dem Paar, das eine künstliche Befruchtung durchführen lässt. Meist handelt es sich um eine fremde Samenspende, da in vielen Ländern, einschließlich Deutschland, die Eizellspende verboten ist.

ICSI (Intracytoplasmatische Spermieninjektion)
Spezifische Methode der künstlichen Befruchtung, bei der das Spermium direkt in das Plasma einer Eizelle gespritzt wird.

Implantation
Einnistung des Embryos in der Gebärmutter.

Fetozid
Tötung des Embryos im Mutterleib. Erfolgt meist zur so genannten Mehrlingsreduktion. Dazu durchsticht der Arzt mit einer Nadel die Bauchdecke der Schwangeren, sucht unter Ultraschallansicht nach dem Herzen des Embryos und verabreicht diesem eine hochdosierte Kalium-Chlorid-Lösung, die eine kontrollierte Koordination des Herzmuskels unmöglich macht und ein Herzversagen zur Folge hat. Alternativ wird auch Luft gespritzt oder das Herz »punktiert«. reh


DOKUMENTATION

Das PID-Urteil
Die schriftliche Begründung des Urteils (Az: 5 StR 386/09), das der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) am 6. Juli zur Strafbarkeit der Präimplantationsdiagnostik (PID) fällte, lag zum Redaktionsschluss noch nicht vor. »LebensForum« dokumentiert daher Auszüge aus der Pressemitteilung (Nr. 137/2010), die der BGH am Tag der Urteilsverkündung unter der Überschrift: »Die Präimplantationsdiagnostik zur Entdeckung schwerer genetischer Schäden des extrakorporal erzeugten Embryos ist nicht strafbar« veröffentlichte:

»(...) Der 5. (»Leipziger«) Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat das freisprechende Urteil des Landgerichts bestätigt und die Revision der Staatsanwaltschaft demgemäß verworfen. Der Senat ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht zu der Auffassung gelangt, dass der Angeklagte § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG (missbräuchliche Anwendungen von Fortplanzungstechniken) und § 2 Abs. 1 ESchG (missbräuchliche Verwendung menschlicher Embryonen) nicht verletzt hat. Aus den genannten Strafbestimmungen kann nicht mit der im Strafrecht erforderlichen Bestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) ein Verbot der bei Erlass des Embryonenschutzgesetzes im Jahr 1990 erst im Ausland entwickelten PID abgeleitet werden, die den Embryo nach derzeitigem medizinisch-naturwissenschaftlichem Kenntnisstand überdies nicht schädigt. Das Vorgehen des Angeklagten verstößt weder gegen den Wortlaut noch gegen den Sinn des Gesetzes.

(...) Dem mit dem Gesetz verfolgten Zweck des Schutzes v on Embryonen vor Missbräuchen läuft die PID nicht zuwider. Das Embryonenschutzgesetz erlaubt die extrakorporale Befruchtung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft ohne weitere Einschränkungen. Ein strafbewehrtes Gebot, Embryonen auch bei genetischen Belastungen der Eltern ohne Untersuchung zu übertragen, birgt hohe Risiken in sich; vor allem ist zu besorgen, dass sich die Schwangere im weiteren Verlauf nach einer ärztlicherseits angezeigten und mit denselben Diagnosemethoden durchgeführten Pränataldiagnostik, hinsichtlich derer eine ärztliche Aufklärungspflicht besteht, für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet. Die PID ist geeignet, solch schwerwiegende Gefahren zu vermindern. (...)«


IM PORTRAIT

Prof. Dr. Manfred Spieker
Geboren 1943 in München. Studium der Politikwissenschaft, Philosophie und Geschichte an den Universitäten Freiburg, Berlin und München. 1968 Diplom in Politologie. 1973 Promotion zum Dr. phil. 1982 Habilitation im Fach Politische Wissenschaft. Ab 1983 Professor für Christliche Sozialwissenschaften am Institut für Katholische Theologie an der Universität Osnabrück. Verschiedene Gastprofessuren im Ausland.


BUCHTIPPS

Manfred Spieker (Hrsg.): Biopolitik. Probleme des Lebensschutzes in der Demokratie. Verlag Schöningh, Paderborn 2009. 290 Seiten. 19,90 EUR.

Manfred Spieker: Kirche und Abtreibung. Ursachen und Verlauf eines Konflikts. 2. erweiterte Auflage, Verlag Schöningh, Paderborn 2008. 291 Seiten. 29,90 EUR.

Manfred Spieker: Der Verleugnete Rechtsstaat. Anmerkungen zur Kultur des Todes in Europa. Verlag Schöningh, Paderborn 2005. 216 Seiten. 19,90 EUR.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Gilt die Menschenwürdegarantie auch für Menschen, die andere sich backen?
- Jeder Mensch hat das Recht, weder das Produkt noch das Eigentum eines anderen Menschen zu sein.


*


Quelle:
LEBENSFORUM Ausgabe Nr. 94, 2. Quartal 2010, S. 8 - 11
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)
Herausgeber: Aktion Lebensrecht für Alle e.V.
Bundesvorsitzende Dr. med. Claudia Kaminsky (V.i.S.d.P.)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2010