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ARTIKEL/808: 46. Wissenschaftlicher Kongreß - Ernährung, Umwelt und Gesundheit (DGE)


Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. - 17. März 2007

46. Wissenschaftlicher Kongress der DGE

Ernährung, Umwelt und Gesundheit - lokale und globale Herausforderungen


(dge) Im Jahr 2008 litten 963 Millionen Menschen an Unterernährung. Auf der anderen Seite sind 1,6 Milliarden Menschen übergewichtig. Damit stehen Ernährung, Umwelt und Gesundheit vor großen lokalen und globalen Herausforderungen. Mit den aktuellen Problemen der Welternährung setzte sich der 46. Wissenschaftliche Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) am 12. und 13. März 2009 an der Justus-Liebig-Universität (JLU) in Gießen auseinander. Die DGE veranstaltete den Kongress in Kooperation mit dem Institut für Ernährungswissenschaft der JLU.


Plenarreferent Dr. Peter Glasauer, Nutrition Officer der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Rom beschäftigte sich in seinem Vortrag mit den Fragen nach den Globalen Herausforderungen für Ernährung und Landwirtschaft. Prof. Barry Popkin von der University of North Carolina, USA, referierte über die wesentlichen Aspekte der Adipositasepidemie. Neben den klassischen Themen ergänzten und erweiterten in diesem Jahr vor allem die Vortragsreihen zur "Internationalen Ernährung" und "Ernährungsökologie" die beiden Plenarvortäge zur Welternährungslage mit entsprechenden Vorträgen und Postern. Sie beschäftigten sich neben der Ernährung in Entwicklungsländern unter anderem mit der Ernährungssicherung und stellten Ergebnisse aus der internationalen Entwicklungs- und Umweltforschung vor.

Die Wissenschaftlichen Leiter Prof. Dr. Michael Krawinkel und Ingrid-Ute Leonhäuser, beide Universität Gießen, begrüßten rund 630 Ernährungsexperten zum DGE-Kongress 2009. Mehr als 120 Referenten stellten in 48 Vorträgen und 78 Posterbeiträgen ihre aktuellen Ergebnisse aus der ernährungswissenschaftlichen Grundlagenforschung vor. Zwei Satellitensymposien, eine Industrieausstellung sowie eine Frühstückssitzung von und mit Studierenden, die der Frage nachging, welche Perspektiven die Studierenden der Bachelor- und Masterstudiengänge in Ökotrophologie und Ernährungswissenschaften haben, rundeten das Programm ab.


Hintergrundinformation:

Die größte Herausforderung für Ernährung und Landwirtschaft stellt für Dr. Peter Glasauer von der Welternährungsorganisation FAO die Gewährleistung der Bereitstellung von Nahrung für eine nach wie vor enorm wachsende Weltbevölkerung dar. In den nächsten 30 bis 50 Jahren ist jedoch ein Bevölkerungsmaximum von ca. 9,2 Milliarden Menschen erreicht. Dabei ist das derzeitige Bevölkerungswachstum fast zu 100 % auf die urbanen Regionen in Entwicklungsländern beschränkt. Das Ziel, die Zahl der Unterernährten bis zum Jahr 2015 zu halbieren, wird nicht erreicht, sie wird stattdessen vermutlich auf eine Milliarde ansteigen. Ein Grund dafür sind die gestiegenen Lebensmittelpreise, unter denen vor allem die armen Bevölkerungsschichten in den Entwicklungsländern zu leiden haben. Die zwei limitierenden Hauptfaktoren für die Sicherstellung von Nahrung sind Wasser und ackerbares Land. Während weltweit betrachtet genügend Ackerland verfügbar ist, um Nahrung für alle Menschen zu produzieren, sind die Regionen südliches Asien, der Nahe Osten und Nordafrika doppelt belastet. Sie leiden unter Wassermangel und haben gleichzeitig zu wenig landwirtschaftliche Fläche zur Verfügung. Daher muss vor allem massiv in die Landwirtschaft dieser armen Länder investiert werden. Dabei geht es um langfristig verlässliche Investitionen in eine nachhaltige und klimaverträgliche Landwirtschaft. Denn das globale System der Lebensmittelproduktion ist auch durch den drohenden Klimawandel und die Energiekrise gefährdet. All diese Probleme müssen gemeinsam angegangen werden.

Übergewicht und Fehlernährung stellen nicht nur in den Industrieländern ein Problem dar, sondern haben bereits in Ländern, in denen nach wie vor Menschen an Unterernährung leiden, wie beispielsweise Mexiko und China, Einzug gehalten. Der Anstieg der Häufigkeit von Übergewicht bzw. Adipositas erfolgt weltweit in einem rasanten Tempo. Wie wir die globalen Herausforderungen der Adipositasepidemie verstehen und meistern können, behandelte Prof. Barry Popkin in seinem Plenarvortrag "Understanding and Addressing the Global Challenge of the Obesity Epidemic" am zweiten Kongresstag. Mit der Zunahme von Übergewicht bzw. Adipositas steigt auch das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Krankheiten usw. Die Gründe für die Entstehung von Übergewicht sind lange bekannt und erwachsen vor allem aus einer nicht mehr durch Not geprägte Lebensweise. In China würden diese Veränderungen aktuell besonders deutlich, sagte Popkin. So nähmen die Chinesen weniger Getreideprodukte zu sich, während der Verzehr von Öl und tierischen Produkten stark ansteigt, körperliche Arbeit abnimmt und sich die Menschen auch in ihrer Freizeit weniger bewegen. Diesen Veränderungen in der Ernährung und den Lebensgewohnheiten kann sich der menschliche Organismus nicht in derselben Zeit anpassen. Ein Paradebeispiel stellt für Popkin die Veränderung unserer Trinkgewohnheiten dar. Der Wechsel von Wasser und kalorienarmen Getränken, die jahrtausendelang einzig konsumiert wurden, hin zu einem breiten Spektrum an kalorienhaltigen Getränken, ging sehr schnell vonstatten, sodass unsere Gene und unser Stoffwechsel kaum Gelegenheit hatten, Mechanismen zu entwickeln, um diese meist zusätzlichen "flüssigen Kalorien" zu kompensieren. Popkin bringt u. a. den regelmäßigen Softdrinkkonsum mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Adipositas in Zusammenhang. Um die Menschen zu vollwertigeren Lebensmitteln greifen zu lassen, könne man beispielweise an der Preisschraube drehen und ernährungsphysiologisch ungünstige Produkte teurer verkaufen. Abschließend z eigte Popkin beispielhaft Bemühungen einzelner Länder und Initiativgruppen auf, die der weltweiten Epidemie Einhalt gebieten könnten.

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Quelle:
DGE-aktuell 02/2009 vom 17.03.2009
Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE)
Godesberger Allee 18, 53175 Bonn
Telefon 0228/3776 - 600, Telefax 0228/3776 - 800
Internet: www.dge.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2009

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