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MELDUNG/937: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 14.11.16 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  30 Millionen Euro für Erforschung diabetischer Nierenschäden
→  Nobeltagung ganz anders: Wie man den Nobelpreis nicht gewinnt
→  Neuartige Datenbank für Erbinformationen soll Forschung revolutionieren


Raute

Universitätsklinikum Freiburg - 10.11.2016

30 Millionen Euro für Erforschung diabetischer Nierenschäden

Weltweit steigt die Zahl der Patienten mit chronischem Nierenversagen dramatisch. Grund hierfür ist der steigende Anteil an Menschen mit Diabetes, einer der Hauptursachen für Nierenschäden. Doch bislang können diabetische Nierenschäden weder effektiv verhindert noch behandelt werden. Forscher des Universitätsklinikums Freiburg und des "Freiburg Institute for Advanced Studies" (FRIAS) der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sind nun an der Leitung eines neu gegründeten internationalen Forschungskonsortiums beteiligt, welches die Entstehung und Behandlung diabetischer Nierenschäden erforschen wird. Außerdem sollen Wege gefunden werden, um Hochrisikopatienten frühzeitig zu identifizieren.

Das Konsortium aus insgesamt 28 Partnern wird von der Europäischen Union und Industriepartnern mit insgesamt rund 30 Millionen Euro gefördert. Mehr als zwei Millionen Euro gehen an das Universitätsklinikum Freiburg.

Eine regelmäßige Blutwäsche, Dialyse genannt, ist bislang die einzige Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit finalen Nierenschäden. Doch die Lebenserwartung ist gering: Nicht einmal jeder vierte Betroffene überlebt länger als fünf Jahre. "Wir müssen dringend Wege finden, die Krankheit aufzuhalten oder sogar zu heilen", sagt Prof. Dr. Tobias Huber, Inhaber einer Heisenberg-Forschungsprofessur der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Leiter der Abteilung für Chronische Nierenerkrankungen an der Klinik für Innere Medizin IV (Schwerpunkt: Nephrologie und Allgemeinmedizin) des Universitätsklinikums Freiburg und einer der Leiter des Konsortiums. Darum möchten die Wissenschaftler im Labor auf zellulärer Ebene und direkt am Patienten untersuchen, wie Diabetes 1 und Diabetes 2 zu Nierenschäden führen. Langfristiges Ziel ist es, neue Ansatzpunkte für eine medikamentöse Therapie zu finden.

Ein großes Problem bei der Erforschung und ärztlichen Bewertung diabetischer Nierenerkrankungen ist, dass diese sehr unterschiedlich verlaufen können. "Wir möchten diagnostische Parameter entwickeln, anhand derer Forscher und Ärzte den Verlauf der Erkrankung früh abschätzen können", sagt Prof. Dr. Harry Holthöfer derzeit Senior Fellow des FRIAS, welcher das Projekt aus Freiburg und Helsinki leiten wird. Das neue Forschungskonsortium mit dem Namen Biomarker Enterprise to Attack DKD (BEAt-DKD) kombiniert Grundlagen- und angewandte Forschung. BEAt-DKD besteht aus 20 akademischen und acht industriellen Partnern und wird durch eine öffentlich-private Partnerschaft zwischen Europäischer Union und der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations innerhalb von Horizon 2020, dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der Europäischen Union, finanziert.

Kontakt:

Prof. Dr. Tobias Huber
Leiter der Abteilung für Chronische Nierenerkrankungen
Klinik für Innere Medizin IV (Nephrologie und Allgemeinmedizin)
Universitätsklinikum Freiburg
tobias.huber@uniklinik-freiburg.de

Johannes Faber
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Freiburg
johannes.faber@uniklinik-freiburg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1401

Quelle: Universitätsklinikum Freiburg, Benjamin Waschow, 10.11.2016

Raute

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf - 10.11.2016

Nobeltagung ganz anders: Wie man den Nobelpreis nicht gewinnt

10.11.2016 - Am 10. Dezember werden in Stockholm die diesjährigen Nobelpreise verliehen. Seit mehr als 100 Jahren ist der Nobelpreis die Krönung einer wissenschaftlichen Laufbahn. Der Preis sollte, so sein Stifter Alfred Nobel, denen zuteil werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben. Wenn es so einfach wäre!

Die Düsseldorfer Medizinhistoriker Dr. Nils Hansson, Thorsten Halling und Prof. Dr. Heiner Fangerau haben erforscht, wie man den Nobelpreis nicht bekommt, auch wenn die Voraussetzungen "bahnbrechender Erkenntnisse zum Wohle der Menschheit" erfüllt waren. Ungünstig sind, so die Medizinhistoriker, die falsche Sprache der Publikation, eine Frau zu sein, zu komplexe, zu visionäre oder zu wenig visionäre Forschungsgebiete oder ein zu früher Tod, um nur einige Punkte zu nennen.

Zu diesem Thema findet vom 16. bis 18. November eine etwas andere Nobelpreistagung statt mit dem Titel "Noble Forschung und der Nobelpreis: Konstruktion und Kommunikation wissenschaftlicher Exzellenz im 20. Jahrhundert", veranstaltet vom Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Heinrich-Heine-Universität. Experten aus Deutschland, Schweden, Italien, Kanada und den USA betrachten die Geschichte der Nobelpreisvergaben.

Nicht ganz ohne Augenzwinkern haben Nils Hansson, Thorsten Halling und Heiner Fangerau empirisch wissenschaftlich aufgearbeitet, welche Kriterien sich negativ auf die Möglichkeiten auswirken, den Nobelpreis tatsächlich zu bekommen. Zuerst sind die Statuten der Nobel-Stiftung zu erfüllen: Für den Nobelpreis muss man zuvor nominiert werden, wer eine Nominierung aussprechen darf ist festgelegt. Den Preis können nur lebende Personen erhalten, eine posthume Verleihung ist nicht möglich. Außerdem dürfen nicht mehr als drei Personen gleichzeitig für eine Leistung ausgezeichnet werden.

Hier beginnen dann die Schwierigkeiten: Kann eine Leistung höchstens drei Wissenschaftlern eindeutig zugeschrieben werden? Daran ist u.a. ein Nobelpreis für die die moderne Chirurgie revolutionierende Entwicklung der Lokalanästhesie gescheitert. Auch zu visionäre Leistungen sind von Nachteil. Bis die Anerkennung der Kollegen genug Nominierungen zur Folge hat, können Jahrzehnte vergehen und man ist einfach schon zu alt, im schlimmsten Fall tot. Der Berliner Chirurg Themistocles Gluck (1853 - 1942) war mit seinem Konzept des künstlichen und einzementierten Gelenkersatzes auf so viel Ablehnung gestoßen, dass es ihn fast seine Karriere gekostete hätte. Erst gut 50 Jahre nach seiner Pionierarbeit wurde die Idee wieder aufgegriffen und ist heute eine Erfolgsgeschichte. Da waren seine Publikationen für den Preis bereits zu alt.

Außerdem ist es von Vorteil, in Europa oder Nord-Amerika geboren zu sein, was auf die Hälfte bzw. ein Drittel der Preisträger zutrifft. Damit verbunden ist die Sprache der Publikation: Alle Sprachen sind schlechter als Englisch. Frauen sind natürlich auch unterrepräsentiert: Den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhielten bisher zwölf Frauen im Gegensatz zu 199 Männern. Gleichwohl gehört Marie Curie zu den vier Menschen, denen der Preis zweimal verliehen wurde - für Physik und für Chemie. Die anderen drei Doppelpreisträger waren übrigens Männer.

Die Düsseldorfer Medizinhistoriker Nils Hansson, Thorsten Halling und Heiner Fangerau haben für junge Wissenschaftler einen Rat, falls diese sich keinen Anruf aus Stockholm wünschen: "Wichtig ist einerseits, den einzigartigen Gedanken möglichst nicht englischsprachig zu publizieren. Andererseits gilt es, entweder etwas Unvorstellbares zu denken oder dem wissenschaftlichen Mainstream zu folgen. Nicht zuletzt schützt vor dem Nobelpreis auch die Wahl des Fachgebiets, wie etwa die Orthopädie, die Anästhesie oder - für diejenigen, die ganz sicher leer ausgehen wollen - die Medizingeschichte."

Kontakt:
Dr. Nils Hansson
Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
E-Mail: nils.hansson@hhu.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution223

Quelle: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Susanne Dopheide, 10.11.2016

Raute

Universität des Saarlandes - 10.11.2016

Neuartige Datenbank für Erbinformationen soll Forschung revolutionieren

Im Jahr 2000 verkündeten Wissenschaftler der Welt, das Erbgut eines Menschen komplett analysiert zu haben. Mit der daraus entstandenen Gen-Karte, Referenzgenom genannt, erforschen sie seitdem, wie Gene biologische Prozesse steuern. Inzwischen benötigt die Sequenzierung eines Genoms jedoch nur noch Stunden anstatt Jahre. Die Auswertung dieser Gesamtmenge an Gen-Daten ist der nächste Schritt, um Krankheiten wie Krebs besser behandeln zu können. Eine internationale Forschergemeinde arbeitet daher an einer neuartigen Datenbank, um diese umfangreichen Gen-Daten besser aufzubereiten. Ganz vorne dabei ist Tobias Marschall, Juniorprofessor am Zentrum für Bioinformatik der Saar-Uni.

"Stellen Sie sich ein riesiges Puzzle vor. Um es schnell zu vollenden, orientieren Sie sich an der Abbildung des fertigen Puzzles auf dem Karton", erklärt Tobias Marschall die Funktion des Referenzgenoms. Am Zentrum für Bioinformatik entwickelt er neue Rechenverfahren, die das Gen-Puzzle nicht nur effizient lösen, sondern den Wissenschaftlern weitere Erkenntnisse liefern. Diese Automatisierung der Analyse ist notwendig, da die Menge an Gen-Daten sprunghaft angestiegen ist. Inzwischen nimmt die Sequenzierung eines Genoms, der Gesamtheit aller Erbinformationen eines Lebewesens oder Virus, nicht mehr Jahre in Anspruch, sondern dauert nur noch Stunden.

"Mit den Daten, die wir heute haben, können wir viel mehr leisten", fasst Marschall die aktuelle Lage zusammen. Beispielsweise könne man die Unterschiede zwischen den Genomen von gesunden und erkrankten Menschen ermitteln und dann prüfen, ob diese statistisch signifikant seien. "Sie können die entscheidenden Ansatzpunkte bieten, um sicherzustellen, dass jeder Patient eine maßgeschneiderte Therapie bekommt", erklärt Marschall. Jedoch gerade diese Art von Forschung ist mit dem aktuellen Referenzgenom schwierig. "Das Abbild eines fertigen Puzzles hilft beim Puzzeln nur, wenn die Ähnlichkeiten hoch sind", so Marschall.

Zusammen mit einer Gruppe von hochkarätigen Forscherkollegen wie Professor Knut Reinert von der Freien Universität Berlin, der bereits bei der ersten Sequenzierung des Humangenoms mitgearbeitet hatte, plant er daher den Schritt weg von einem Referenzgenom hin zu einer Art intelligentem Gen-Netzwerk. Im Gegensatz zum bisherigen Referenzgenom soll es nicht nur die Informationen zu einem sequenzierten Genom bereitstellen, sondern die aller sequenzierten Genome. Mit Hilfe mathematischer Verfahren könnte dann nicht nur jede Kombination eines menschlichen Genoms berechnet werden, sondern ebenso die Erbinformation einer gesamten Bevölkerung, ein funktionales Genom, bei dem hinderliche Mutationen ausgeklammert werden, und sogar das maximale Genom, das alle bisher detektierten Sequenzen umfasst.

Die Wissenschaftler bezeichnen diese neuartige Referenzdarstellung als Pangenom und das dadurch definierte Forschungsgebiet als "computational pan-genomics", was sich als "rechnergestützte, allumfassende Genomik" übersetzen lässt. Die dafür notwendigen Methoden und Algorithmen lassen sich nicht nur auf das menschliche Genom anwenden. Zusammen mit rund 60 Wissenschaftlern hat Marschall gerade den wissenschaftlichen Aufsatz "Computational pan-genomics: status, promises and challenges" veröffentlicht. Darin definieren die Wissenschaftler sieben Forschungsgebiete. Neben Erbkrankheiten sind dies unter anderem Mikroben, Viren, Metagenomik, Pflanzen und Krebs.

Als Datenstruktur verwenden die Forscher Graphen und bedienen sich der dahinterstehenden, mathematischen Theorie. Als Graph bezeichnen Informatiker ein Modell, mit dessen Hilfe sich Objekte beschreiben lassen, die in Beziehung stehen. Anschauliche Beispiele sind U-Bahn-Pläne oder Familienstammbäume. "Das wird insbesondere uns Bioinformatiker fordern", erklärt Marschall. Die effiziente Suche in Graphen sei viel aufwendiger als das bisherige Durchstöbern von Zeichenketten. Doch die Anstrengungen der Informatik alleine werden nicht ausreichen, glaubt Marschall. "Auch die Politik und die Gesellschaft ist gefordert. Nur so können wir die Erbinformationen aus allen Ländern der Welt für die Wissenschaft zugänglich machen. Die Aussicht, dadurch die Gesundheitsversorgung von Millionen von Menschen zu verbessern, sollte Motivation genug sein", so Marschall.

• Hintergrund: Zentrum für Bioinformatik
Das Zentrum für Bioinformatik Saar (ZBI) betreibt Forschung und Lehre in einem hochmodernen Bereich der Naturwissenschaften und ist eine Vorbildinstitution für interdisziplinäre Forschung auf dem Campus der Universität des Saarlandes. Unter dem Zusammenschluss "Saarland Informatics Campus" arbeiten weltweit renommierte Forschungsinstitute und Einrichtungen in Forschung und Lehre zusammen. Neben dem Max-Planck-Institut für Informatik und dem Max-Planck-Institut für Softwaresysteme sind dies das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das Intel Visual Computing Institute, das Center for IT-Security, Privacy and Accountability (CISPA), der Exzellenzcluster "Multimodal Computing and Interaction", sowie die Fachrichtung Informatik an der Universität des Saarlandes.

Weitere Informationen

Aufsatz "Computational pan-genomics: status, promises and challenges"
http://bib.oxfordjournals.org/content/early/2016/10/19/bib.bbw089

Webseite des Zentrum für Bioinformatik Saar:
http://zbi.uni-saarland.de

Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Tobias Marschall
Zentrum für Bioinformatik
Saarland Informatics Campus E2.1
E-Mail: marschall@cs.uni-saarland.de

Redaktion:
Gordon Bolduan
Kompetenzzentrum Informatik Saarland
Saarland Informatics Campus E1.7
E-Mail: gbolduan@mmci.uni-saarland.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://bib.oxfordjournals.org/content/early/2016/10/19/bib.bbw089
http://zbi.uni-saarland.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution8

Quelle: Universität des Saarlandes, Friederike Meyer zu Tittingdorf, 10.11.2016

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2016

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