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MELDUNG/638: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 10.12.12 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→ 10 Jahre Interdisziplinäres Stoffwechsel-Centrum der Charité
→ Sicherheits-Check für lokales Anästhesieverfahren
→ Drei neue DFG-Forschergruppen, eine neue Klinische Forschergruppe



Charité-Universitätsmedizin Berlin - 07.12.2012

10 Jahre Interdisziplinäres Stoffwechsel-Centrum der Charité

Therapieerfolge bei auf den Patienten abgestimmter Behandlung

Das Interdisziplinäre Stoffwechsel-Centrum der Charité-Universitätsmedizin Berlin feiert in diesem Jahr sein 10jähriges Bestehen. Das Zentrum behandelt Patientinnen und Patienten mit Hormonstörungen und Stoffwechselerkrankungen. Es umfasst seit 2010 auch das Kompetenzzentrum Seltener Stoffwechselerkrankungen.

"Das Interdisziplinäre Stoffwechsel-Centrum behandelt eine große Vielfalt an Erkrankungen und erreicht beim Therapieerfolg deutschlandweit oft Spitzenwerte", sagt Prof. Ursula Plöckinger, Leiterin des Zentrums. Hier gelingt es im Durchschnitt 75 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Diabetes, ihren Langzeit-Blutzuckerwert auf unter 6,5 bis 7 Prozent zu senken - je nach individuellen gesundheitlichen Voraussetzungen. Deutschlandweit sind es nur 25 Prozent. Dabei werden am Interdisziplinären Stoffwechsel-Centrum viele psychisch Erkrankte, Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund sowie Menschen aus sogenannten bildungsfernen Schichten betreut. Für eine komplikationslose Behandlung von Diabetes sind Ärzte meistens auf die intensive Mitarbeit ihrer Patienten angewiesen. Der große Therapieerfolg des Stoffwechsel-Centrums beruht auf der individuellen und intensiven Fürsorge am Zentrum, die auf die persönlichen Voraussetzungen des Einzelnen eingeht. Themen wie gesunde Ernährung, das Messen des Blutzuckers, das Berechnen des Insulinbedarfs oder die richtige Dosierung werden in gesonderten Schulungsgruppen mit Hilfe von Dolmetschern und türkisch sprechenden Mitarbeitern vermittelt. Auch für die speziellen Anforderungen der Behandlung von psychisch Kranken wurden entsprechende Konzepte entwickelt.

Ein weiterer Schwerpunkt des Interdisziplinären Stoffwechsel-Centrums ist die Versorgung hormoneller, sogenannter endokriner, Erkrankungen. Viele der Patientinnen und Patienten sind von krankhaften Veränderungen in der Funktion der Hirnanhangdrüse und der Schilddrüse betroffen. Außerdem werden am Zentrum Tumorerkrankungen endokriner Organe behandelt. Durch Kooperationen mit anderen Bereichen der Charité ist eine aufwändige Betreuung der Patientinnen und Patienten auch bei komplexen Krankheitsbildern möglich.

2010 wurde am Interdisziplinären Stoffwechsel-Centrum zusätzlich das Kompetenzzentrum Seltener Stoffwechselerkrankungen für Erwachsene gegründet. Etwa sechs Prozent der Menschen in Deutschland leiden an einer seltenen Erkrankung. Der Europäischen Gesundheitskommission nach gelten Krankheiten als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen betroffen sind. Einige der am Interdisziplinären Stoffwechsel-Centrum behandelten Erkrankungen betreffen weniger als zehn Patientinnen und Patienten in der gesamten Bundesrepublik. Prof. Plöckinger sagt: "Das Zentrum und seine Mitarbeiter haben in den vergangenen zehn Jahren hervorragende Arbeit geleistet. Es wird auch in Zukunft eine hochwertige Patientenversorgung für eine Vielzahl von Beschwerden bieten. Wir arbeiten an innovativen und grundlegenden Forschungsprojekten aus dem Bereich der Endokrinologie und des Stoffwechsels. Unser Ziel ist die gesamtheitliche, interdisziplinäre evidenzbasierte Betreuung unserer Patienten, so dass Menschen mit seltenen Erkrankungen in eine positive Zukunft blicken können."

Kontakt:
Prof. Ursula Plöckinger
Leiterin des Interdisziplinären Stoffwechsel-Centrums
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie
Campus Virchow-Klinikum
ursula.ploeckinger[at]charite.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.stoffwechselcentrum.de/
(Interdisziplinäres Stoffwechsel-Centrum)
http://seltene-stoffwechselkrankheiten.de/
(Kompetenzzentrum Seltene Stoffwechselkrankheiten)
http://hges.charite.de/
(Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution318

Quelle: Charité-Universitätsmedizin Berlin, Stefanie Winde, 07.12.2012

Raute

Universitätsmedizin Mannheim - 07.12.2012

Sicherheits-Check für lokales Anästhesieverfahren

Interdisziplinäre wissenschaftliche Arbeit zur Patientensicherheit ausgezeichnet

Der Publikationspreis 2012 der Deutschen Gesellschaft für Dermatochirurgie (DGDC e.V.) ging in diesem Jahr an die Universitätsmedizin Mannheim (UMM). Die Fachgesellschaft honorierte damit eine Arbeit, in der zwei Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen die Auswirkungen eines weit verbreiteten regionalen Anästhesieverfahrens der Haut (Tumeszenzlokalanästhesie, TLA) auf das Immunsystem untersucht haben. Der mit 3.000 Euro dotierte Preis ist am vergangenen Samstag (1. Dezember 2012) im Rahmen des 11. Internationalen Darmstädter Live-Symposiums verliehen worden.

Patienten und Ärzte schätzen die Tumeszenzlokalanästhesie, die routinemäßig vor allem bei chirurgischen Eingriffen an der Haut eingesetzt wird, gleichermaßen als Alternative zur Vollnarkose. Der behandelnde Arzt profitiert außerdem davon, dass er den Eingriff ohne Narkosearzt durchführen kann. Bei großflächigen Eingriffen kommt es jedoch zum Einsatz großer Mengen des Medikaments Prilocain. Das wird nicht unkritisch gesehen, da sich nach der Gabe von Prilocain Methämoglobin (MHb) anreichert.

Methämoglobin entsteht aus Hämoglobin durch Oxidation. Im Gegensatz zum Hämoglobin, das in den roten Blutkörperchen dem Sauerstofftransport dient, ist das Methämoglobin funktionsunfähig, da es den aufgenommenen Sauerstoff nicht wieder abgeben kann. Die Umwandlung von Hämoglobin in Methämoglobin unterbindet also den Sauerstofftransport in der Zelle. Aus der Intensivmedizin weiß man, dass eine erhöhte Konzentration von Methämoglobin im Blut zur Ausschüttung von Interleukinen führt - körpereigenen Botenstoffen, die von Zellen des Immunsystems freigesetzt werden und letztendlich Risikofaktoren für entzündungsfördernde Ereignisse darstellen.

Besteht also beim großflächigen Einsatz der Tumeszenzlokalanästhesie möglicherweise die Gefahr von Entzündungsreaktionen im Körper? Dieser Fragestellung, bei der es um die Sicherheit der Patienten geht, haben sich die beiden Mediziner der UMM gewidmet. PD Dr. Jörg Faulhaber (ehemals Arzt der Hautklinik) und PD Dr. Marc Schmittner (Anästhesiologische Klinik) ermittelten die Konzentration verschiedener Mediatoren der Immunantwort im Zeitverlauf, über 72 Stunden hinweg, nach der Gabe von Prilocain bei großflächigen Eingriffen, um auch mögliche späte Effekte erfassen zu können.

Neben den Konzentrationen von Prilocain und MHb bestimmten die Mannheimer Wissenschaftler die Konzentration der körpereigenen Botenstoffe des Immunsystems Interleukin 6 und 8 (IL-6, IL-8) sowie des Tumornekrosefaktors &alph; (TNF-&alph;) im Blutplasma. Dabei konnten sie folgendes zeigen: Auch eine ausgesprochen hohe Dosis von Prilocain führt nicht unbedingt zu einer kritisch erhöhten Konzentration von Methämoglobin im Blut. Das entstandene Methämoglobin induziert zwar einen signifikanten Anstieg von IL-6 im Körper, die Konzentrationen von IL-8 und TNF-&alph; hingegen sind davon unberührt. Wenngleich die Tumeszenzlokalanästhesie den Spiegel an Interleukin 6 signifikant erhöht, bestätigen die Forschungsergebnisse nicht den Verdacht einer akuten oder auch verspäteten Entzündungsreaktion im Körper.

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Verfahren der Tumeszenzlokalanästhesie unter Verwendung des Prilocain für die Gesundheit der Patienten unbedenklich ist. Dennoch setzen die beiden Mannheimer Wissenschaftler ihre Forschungstätigkeit fort, um das Verfahren weiter zu verbessern. Vielversprechende Ergebnisse erzielten sie dabei mit der Kombination verschiedener Lokalanästhetika.

Zu dieser Mitteilung finden Sie Anhänge unter:
http://idw-online.de/de/attachment20643
Pressemitteilung

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution400

Quelle: Universitätsmedizin Mannheim, Dr. Eva Maria Wellnitz, 07.12.2012

Raute

Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - 07.12.2012

Drei neue DFG-Forschergruppen, eine neue Klinische Forschergruppe
Vom kulturellen Unterschied bis zur chronisch lymphatischen Leukämie

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet drei neue Forschergruppen und eine neue Klinische Forschergruppe ein. Dies beschloss der Senat der DFG in seiner Dezember-Sitzung 2012 in Bonn. Die Forschungsverbünde sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit bieten, sich aktuellen und drängenden Fragen in ihren Fächern zu widmen und innovative Arbeitsrichtungen zu etablieren.

Wie alle DFG-Forschergruppen werden die neuen Einrichtungen orts- und fächerübergreifend arbeiten. Die neu eingerichteten Forschergruppen beschreiten methodisch innovative Wege und stellen sich in ihren jeweiligen Disziplinen grundlegenden Fragen.

In den nächsten drei Jahren werden die drei neuen Forschergruppen circa 5,3 Millionen Euro erhalten; damit fördert die DFG insgesamt 189 Forschergruppen. Die neue Klinische Forschergruppe wird in einer ersten 3-jährigen Förderphase mit rund 2,1 Millionen Euro finanziert. Damit unterstützt die DFG derzeit insgesamt 31 Klinische Forschergruppen.

Die neuen Gruppen im Einzelnen (alphabetisch nach Sprecherhochschule):

Die Software von Smartphones, Navigationshilfen oder Fahrassistenzsystemen in Autos entwickelt sich durch regelmäßige Updates stetig weiter und passt sich so an neue Situationen und Einsatzmöglichkeiten an. Die Forschergruppe "Controlling Concurrent Change (CCC)" untersucht, welchen Herausforderungen die selbständigen Software-Updates in einer zunehmend offen vernetzten Zukunft ausgesetzt sein werden und wie ihnen zu begegnen sein könnte. So stehen die einzelnen Applikationen in Konkurrenz um ausreichend Ressourcen, da die Integration einer Vielzahl von Subsystemen und Anwendungen auf einer Rechnerplattform immer komplexere Strukturen und Beziehungen schafft. Daraus erwächst ein weiteres Problem, nämlich wie mit den unerwünschten Effekten spezifischer Updates oder neuer Installationen auf das ganze Rechnersystem oder weitere Software-Programme umgegangen werden kann. Die Forschergruppe sucht somit nach Wegen, wie sich die Vielzahl von Updates unterschiedlichster Software-Anwendungen ohne Nebeneffekte steuern lassen und Rechenplattformen robuster gestalten lassen, um die Funktionstüchtigkeit unterschiedlichster Software-Subsysteme zu gewährleisten. (Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Rolf Ernst, Technische Universität Braunschweig)

Die chronisch lymphatische Leukämie (CLL) ist die am häufigsten auftretende Leukämie-Art in der westlichen Welt und durch einen extrem heterogenen Krankheitsverlauf charakterisiert. Als Auslöser der erst in höherem Alter auftretenden CLL werden genetische Veränderungen angenommen, die die DNA-Reparaturmechanismen und damit auch wichtige Tumorsuppressorgene beeinträchtigen oder ausschalten. Die Klinische Forschergruppe "Exploiting defects in the DNA damage response for the treatment of chronic lymphocytic leukemia" will untersuchen, welche Veränderungen im DNA-Reparatur-Netzwerk auf molekularer Ebene vorliegen, die zu einer chronisch lymphatischen Leukämie führen. Die Identifizierung der molekularen "Schwachstellen" soll zum einen helfen, die Entstehung dieser Leukämieform besser zu verstehen. Zum anderen sollen die Forschungsarbeiten neue Therapiemöglichkeiten ausloten, um der gegen konventionelle Chemotherapie immunen Krankheit beizukommen. (Sprecher: Prof. Dr. Michael Hallek, Universität zu Köln)

Die Forschergruppe "Un/doing Differences. Praktiken der Humandifferenzierung" untersucht, wie kulturelle Unterschiede zwischen Menschen hergestellt, überlagert oder aber außer Kraft gesetzt werden. Der Fokus liegt dabei zum einen auf den gezogenen Grenzen zwischen Gemeinschaften entlang sprachlicher, religiöser, ethnischer oder nationaler Merkmale und auf den Unterscheidungen zwischen Individuen einer Gemeinschaft. Unter welchen Bedingungen wird unterschieden? Wann werden Differenzen aktualisiert oder aber neutralisiert? Und welche Funktion erfüllen Einteilungen in menschliche Kategorien? Mögliche Antworten hierauf sollen mithilfe eines vergleichend angelegten Forschungsprogramms gefunden werden, das die in den Kulturwissenschaften bislang getrennt untersuchten Differenzierungsfälle thematisch zusammenführt und dabei empirische Beobachtung mit analytischer Beschreibung koppelt. (Sprecher: Prof. Dr. Stefan Hirschauer, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Themen wie Wiederbewaffnung, Aufbau des Sozialstaats, Kernkraft oder die Friedensbewegung entfachten in der "alten" Bundesrepublik zwischen 1949 und 1989 ethische Kontroversen, die die Gesellschaft entscheidend prägten. Die Forschergruppe "Der Protestantismus in den ethischen Debatten der Bundesrepublik Deutschland 1949-1989" will ermitteln, wie und durch welche Institutionen der Protestantismus diese ethischen Diskussionen beeinflusste oder aber durch diese beeinflusst wurde. Damit soll eine Forschungslücke im Grenzgebiet von Evangelischer Theologie, Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft und Zeitgeschichte geschlossen werden. Ausgangspunkt ist eine programmatisch offene Definition des Protestantismus, um so der Vielgestaltigkeit der mal kirchlich organisierten, mal individuellen Positionierung innerhalb ethischer Diskussionen gerecht zu werden. Mit dem interdisziplinären Ansatz soll der gesellschaftspolitische Beitrag des Protestantismus in der Bundesrepublik zwischen 1949 und 1989 neu aufgearbeitet werden, der auch in die Zeit nach der Wiedervereinigung hineinwirkt. (Sprecher: Prof. Dr. Christian Albrecht, Ludwig-Maximilians-Universität München)

Weiterführende Informationen
Ausführliche Informationen erteilen die Sprecher der eingerichteten Gruppen.

Zu DFG-Forschergruppen und Klinischen Forschergruppen siehe auch:
www.dfg.de/foerderung/programme/koordinierte_programme/index.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution306

Quelle: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Marco Finetti, 07.12.2012

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2012