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Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg - 15.09.2011

Programmierter Zelltod bei Morbus Crohn

Mehr als 300.000 Menschen in Deutschland leiden an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa. Die Betroffenen leiden zum Teil ihr Leben lang unter immer wiederkehrenden heftigen Bauchschmerzen, Durchfällen und Krämpfen - in Folge der Krankheit besteht zudem ein erhöhtes Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Weil die Krankheitsursache trotz weltweiter Forschungsanstrengungen weitgehend unklar ist, haben Wissenschaftler an der Medizinischen Klinik 1 der Universitätsklinik Erlangen sowie deren Kooperationspartner die molekularen Mechanismen erforscht, die zu solchen Darmerkrankungen führen.

Bei ihren Untersuchungen stellten sie fest, dass das Fehlen eines bestimmten Enzyms verstärkt zu einem Absterben von Zellen im Darm führt. Durch diesen übermäßigen Zelltod entstehen Lücken in der Epithelschicht - einer Zellschicht, die die Darmwand eigentlich vor dem Eindringen von schädlichen Bakterien schützen soll. Eine Entzündung der Darmschleimhaut ist die Folge. Die Ergebnisse veröffentlichte das Forschungsteam um die Erlanger Wissenschaftler Claudia Günther und Prof. Dr. Christoph Becker am 15. September 2011 in der renommierten Fachzeitschrift Nature.

"Im Mittelpunkt unserer Arbeiten stand das Enzym Caspase-8", erläutert Christoph Becker, der eine Professur für Molekulare Gastroenterologie an der FAU innehat und das Forschungsprojekt leitet. "Am experimentellen Modell und an betroffenen Patienten haben wir die Rolle untersucht, die dieses Enzym bei der Entstehung entzündlicher Darmerkrankungen spielt. Caspase-8 ist ein für unseren Körper äußerst wichtiges Enzym. Es steuert die Apoptose, eine Art "Selbstmordprogramm", das die Zellzahl im Darm regelt und gleichzeitig gewährleistet, dass alternde Zellen ohne Schädigung des umliegenden Gewebes zugrunde gehen", so Becker weiter.

"Ist in den Epithelzellen Caspase-8 nicht ausreichend vorhanden oder die Funktion des Proteins gestört, müsste das dazu führen, dass die Zellen im Darm länger leben - so unsere Ausgangsüberlegung", sagt Diplom-Biologin Claudia Günther, die ihre Doktorarbeit an der Medizinischen Klinik 1 schreibt. Doch zur großen Überraschung der Forscher erwies sich diese Überlegung als unzutreffend. Im Gegenteil: Epithelzellen, denen Caspase-8 fehlte, waren besonders anfällig für Zelltod. Besonders betroffen waren die sogenannten Panethzellen, spezialisierte Epithelzellen, die Stoffe produzieren, mit denen sie Bakterien auf Distanz halten oder sogar abtöten können. "Fehlen diese Zellen, so können Bakterien in die Darmwand eindringen und Entzündungsreaktionen wie bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen auslösen", erläutert Günther. Die absterbenden Darmzellen zeigten dabei völlig andere Eigenschaften als Zellen, die aufgrund von Apoptose sterben. "Die in unseren Experimenten beobachteten Zellen starben an Nekroptose, einer erst kürzlich entdeckten Form von Zelltod, den wir nun erstmals im Darm von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen nachweisen konnten", sagt Prof. Becker. "Die Entdeckung, dass Panethzellen im Darm aufgrund von Nekropose absterben, ist ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Entstehung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen", sagt Becker.

Jetzt hoffen Prof. Becker und sein Team, auf der Basis ihre Forschungsergebnisse neue Therapiemethoden zur gezielten Veränderung dieser Zellprozesse zu entwickeln, um Patienten mit chronischen Darmerkrankungen besser behandeln zu können.

Paper:
Claudia Günther, Eva Martini, Nadine Wittkopf, Kerstin Amann, Benno Weigmann, Helmut Neumann, Maximilian Waldner, Stephen M. Hedrick, Stefan Tenzer, Markus F. Neurath, Christoph Becker:
Caspase-8 regulates TNF-alpha induced epithelial necroptosis and terminal ileitis.
Nature, DOI: 10.1038/nature10400.

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
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Elektronenmikroskopische Aufnahme zweier Panethzellen aus dem Dünndarm. Die Zellen haben eine wichtige Funktion für die Abwehr von Bakterien im Darm. In sog. Vesikeln (schwarze kreisförmige Strukturen) speichern sie antimikrobielle Substanzen, die sie bei Bedarf freisetzen können.

Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU),
gegründet 1743, ist mit 30.242 Studierenden, 633 Professorinnen und Professoren sowie 2000 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte Universität in Nordbayern. Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen an den Schnittstellen von Naturwissenschaften, Technik und Medizin in engem Dialog mit Jura und Theologie sowie den Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Seit Mai 2008 trägt die Universität das Siegel "familiengerechte Hochschule".

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Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Dr. Pascale Anja Dannenberg, 15.09.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2011