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MELDUNG/247: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 01.12.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Live-Schaltung in Zellen macht Krankheiten besser erforschbar
→  PRO RETINA-Stiftung etabliert Stiftungsprofessur für Netzhautforschung
→  Warum können Mäuse einen Schlaganfall folgenlos überstehen?

Raute

Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 30.11.2010

Live-Schaltung in Zellen macht Krankheiten besser erforschbar

Neuberberg, 30.11.2010. Wie arbeiten die Zellorganellen im lebenden Organismus zusammen? Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München haben eine Methode entwickelt, um diese Vorgänge sichtbar zu machen. Erste Entdeckungen mit dieser Technik: Das Zentrosom* und der Zellkern stehen in wandernden Nervenzellen nicht in fester Positionsbeziehung, sondern wechseln sehr dynamisch ihre Position zueinander. Die Forscher erhoffen mit dieser Methode mehr über die Wechselwirkungen der Zellorganellen und damit auch über mögliche Krankheitsauslöser direkt in-vivo herauszufinden. Diese Ergebnisse sind vorab online im Journal of Cell Biology erschienen, das heute auch einen Podcast dazu veröffentlicht.

Ein vorherrschendes Modell neuronaler Migration* ging bisher von einer führenden Position des Zentrosoms* aus, welches sich permanent vor dem Zellkern einer wandernden Nervenzelle befindet und die Migration steuert. Das widerlegten Dr. Martin Distel, Dr. Jennifer Hocking, Dr. Katrin Volkmann und Dr. Reinhard Köster vom Helmholtz Zentrum München anhand von Zeitrafferaufnahmen im sich entwickelnden Kleinhirn von Zebrafischen. Durch die gleichzeitige Färbung von unterschiedlichen Zellorganellen konnten die Wissenschaftler feststellen, dass das Zentrosom und der Zellkern nicht in starrer Positionsbeziehung zueinander stehen, sondern sich in ihrer führenden Position abwechseln. Das hat weitreichende Konsequenzen für die Organisation des Zellskeletts. Die fehlerhafte Koordination von Zentrosom- und Zellkerndynamik verursacht schwerwiegende neuronale Krankheiten im Menschen, wie etwa Lissenzephalien*. Die Möglichkeit die an der Migration beteiligten Organellen direkte zu beobachten, liefert daher wichtige Erkenntnisse über die Entstehung dieser neuronalen Erkrankungen. Und noch eine weitere Entdeckung gelang den Wissenschaftlern dank der in-vivo Beobachtungstechnik: das Auswachsen von Axonen* hängt ebenfalls nicht von der Lage des Zentrosoms* ab und 0erfolgt bereits frühzeitig während der Migration.

"Die Aussichten dieser Methode sind vielversprechend", sagt Dr. Reinhard Köster, "denn mit dieser Art von Färbungen können beliebige Zellbestandteile eingefärbt und gleichzeitig Krankheitsgene exprimiert werden." So können die Vorgänge in den Zellen besser nachvollzogen und neuronalen Erkrankungen besser auf den Grund gegangen werden.

Weitere Informationen

Original-Publikation:
Distel, M. et al. (2010).
The centrosome neither persistently leads migration nor determines the site of axonogenesis in migrating neurons in vivo
Journal of Cell Biology
doi: 10.1083/jcb.201004154

Link zur Fachpublikation
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21059852

Link zum Podcast
http://jcb-biowrites.rupress.org/2010/11/new-issue-november-29th.html

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.helmholtz-muenchen.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/pressemitteilungen-2010/pressemitteilung-2010-detail/article/13887/9/index.html

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image130343
Die Konfukalmikroskop-Aufnahme zeigt das wandernde Zentrosom (weißer Pfeil) bei der THN Neuronen Migration

* Hintergrund Zentrosom:
wird auch Zentralkörperchen genannt, ist an der Zellteilung beteiligt, indem es an der Ausbildung des Spindelapparates organisiert, welcher dabei hilft, die Chromosomenpaare auf die Tochterzellen aufzuteilen. Migration von Neuronen: Nach der Bildung der neuronalen Zellen, wandern diese an ihren späteren Bestimmungsort. Axon: Langer, faserartiger Fortsatz einer Nervenzelle, der die Nervenimpulsen zu anderen Nervenzellen oder Muskeln weiterleitet. Lissenzephalien: Fehlbildung des Gehirns, bei der die Großhirnrinde nicht gefaltet, sondern glatt ist. Ebenso finden sich Defekte im Kleinhirn. Diese Fehlbildungen entstehen durch eine fehlerhafte Migration von Nervenzellen.

Das Helmholtz Zentrum München
ist das deutsche Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. Als führendes Zentrum mit der Ausrichtung auf Environmental Health erforscht es chronische und komplexe Krankheiten, die aus dem Zusammenwirken von Umweltfaktoren und individueller genetischer Disposition entstehen. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens auf einem 50 Hektar großen Forschungscampus. Das Helmholtz Zentrum München gehört der größten deutschen Wissenschaftsorganisation, der Helmholtz-Gemeinschaft an, in der sich 16 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit etwa 30.000 Beschäftigten zusammengeschlossen haben.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution44

Quelle: Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Michael van den Heuvel, 30.11.2010

Raute

Pro Retina Stiftung zur Verhütung von Blindheit - 30.11.2010

PRO RETINA-Stiftung etabliert Stiftungsprofessur für Netzhautforschung

Die PRO RETINA-Stiftung zur Verhütung von Blindheit etabliert am 1. Dezember 2010 am Institut für Humangenetik der Universität Regensburg eine Stiftungsprofessur mit dem Schwerpunkt Netzhautforschung. Inhaber dieser Professur wird Prof. Dr. Thomas Langmann sein. "Unsere Stiftung ist ein Instrument zur Forschungsförderung der Selbsthilfevereinigung PRO RETINA Deutschland e. V.", erklärt die 1. Vorsitzende Helma Gussek, Bonn. "Mit der Etablierung dieser Stiftungsprofessur übernehmen wir eine Vorreiterrolle auf dem Gebiet der Forschungsförderung durch Patientenorganisationen."

Das Institut für Humangenetik (Direktor Prof. Dr. Bernhard Weber) ist eine international anerkannte Einrichtung zur Erforschung genetischer und zellbiologischer Grundlagen erblicher Netzhauterkrankungen. Das Institut ist ebenso federführend und bundesweites Referenzzentrum für die humangenetische Diagnostik dieser seltenen Erbkrankheiten: In Deutschland wird eines von 4000 Kindern mit einer solchen Erkrankung geboren. Am häufigsten ist die sogenannte Retinitis Pigmentosa - an ihr leiden hierzulande 30.000 Patientinnen und Patienten.

Nach einem bundesweiten Bewerbungsverfahren entschied die PRO RETINA- Stiftung zur Verhütung von Blindheit, an diesem Institut ab Dezember 2010 eine W2-Stiftungsprofessur mit dem Schwerpunkt Netzhautforschung zu etablieren.

"Unsere Stiftung wurde bei der Realisierung dieses Meilensteins von der Ernst- und Berta-Grimmke-Stiftung sowie der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung unterstützt", betont Franz Badura, Vorstandsmitglied der PRO RETINA-Stiftung. "Wir planen auch noch eine weitere Stiftungsprofessur an einer anderen Universität", ergänzt Badura.

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Thomas Langmann beschäftigt sich besonders mit den genetischen und immunologischen Ursachen von erblichen und altersbedingten Netzhauterkrankungen. Im Rahmen seiner Forschungsarbeiten konnte das Team nachweisen, dass das Immunsystem beim Absterben von Sehzellen dauerhaft aktiviert ist und Fresszellen überaktiv sind. "Diese Reaktion setzt schon ein, bevor die Photorezeptoren nachweisbar absterben", erklärt Langmann.

Ziel der Wissenschaftler ist eine auf immunologischen Strategien basierende Netzhaut-Therapie zur Erhaltung der Sehkraft. Sie denken dabei in drei Richtungen: Zum einen an den Einsatz von sogenannten Immunsuppresiva, Medikamente, welche die Aktivität des Immunsystems unterdrücken. "Diese könnten beispielsweise direkt ins Auge gespritzt werden", erklärt Langmann. Zweitens arbeiten die Forscher an Substanzen, die Entzündungen hemmen und die Degeneration von Nervenzellen verhindern können. Langmann: "Dazu gehören etwa die Omega 3-Fettsäuren." Ebenso verfolgen die Regensburger Forscher die Spur immundämpfender Substanzen, welche von bestimmten Zellen im Nervensystem, den sogenannten Mikroglia-Zellen, gebildet werden, um eine Immunreaktion wieder zu stoppen.

Kontakt:

Pressestelle:
Barbara Ritzert
ProScience Communications GmbH
Andechser Weg 17 — 82343 Pöcking
info@proscience-com.de

Pro Retina Stiftung zur Verhütung von Blindheit
Kontakt: Franz Badura
Mühlgasse 1A — D-92224 Amberg
badura.franz@t-online.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.pro-retina-stiftung.de

Zur Person Prof. Dr. Thomas Langmann
1970 in Regensburg geboren, studierte er Biologie in Regensburg. 1998 erfolgte die Promotion zum Dr. rer. nat. und 1999 war er DFG-Stipendiat am Harvard Institute of Medicine in Boston. Von 2000 bis 2006 war er Wissenschaftlicher Assistent und Oberassistent am Universitätsklinikum Regensburg. Für seine Habilitation im Jahr 2004 wurde er mit dem Ivar-Trautschold-Preis ausgezeichnet. Seit 2006 is er Hochschuldozent und Arbeitsgruppenleiter am Institut für Humangenetik. Im Bereich der Lehre engagiert er sich in der interdiszipliären Ausbildung von Biologen und Medizinern in den Fächern Humangenetik und Immunologie.

Die Pro Retina Stiftung
Die PRO RETINA-Stiftung wurde im Jahre 1996 von Patienten für Patienten gegründet. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, Erblindung durch Netzhautdegenerationen zu erforschen und einer Therapie zugänglich zu machen. Im Jahre 2007 wurde sie als eigenständige Stiftung errichtet. Sie versteht sich im Sinne der Stifter - der Patienten und ihrer Angehörigen mit Netzhautdegenerationen - als Instrument der Forschungsförderung der Selbsthilfevereinigung PRO RETINA Deutschland e. V. Ihre Schwerpunkte waren seit ihrer Gründung die Ursachen- und Therapieforschung bei Netzhautdegenerationen, die bis heute zumeist noch keiner Therapie zugänglich sind und zur Erblindung führen können.
Weitere Informationen befinden sich unter
www.pro-retina-stiftung.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1157

Quelle: Pro Retina Stiftung zur Verhütung von Blindheit, Dipl. Biol. Barbara Ritzert, 30.11.2010

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Universitätsklinikum Heidelberg - 30.11.2010

Warum können Mäuse einen Schlaganfall folgenlos überstehen?

Forscher des Universitätsklinikums Heidelberg entdecken mit neuartiger Kernspintomographie Ansatzpunkte zur Vorbeugung

Im Laborversuch überstehen Mäuse mit bestimmten Veränderungen im Blutgerinnungssystem einen Schlaganfall ohne bleibende Schäden. Warum das so ist, und wie man diese Erkenntnis zur Vorbeugung und Behandlung des Schlaganfalls bei Risikopatienten nutzen kann, haben Dr. Mirko Pham und seine Mitarbeiter von der Abteilung für Neuroradiologie der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. Martin Bendszus) herausgefunden. Die Wissenschaftler entwickelten dafür eine neue Methode der Kernspintomographie, mit der 4sich die Gehirndurchblutung an lebenden Versuchstieren mit hoher Genauigkeit beobachten lässt.

Das Team um Assistenzarzt Dr. Pham untersuchte Mäuse, die den Blutgerinnungsfaktor F XII nicht produzieren können. Diese Tiere entwickelten trotz eines Gefäßverschlusses keine Hirninfarkte. Erst mit dem innovativen Verfahren der Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) zeigte sich, weshalb: Zwar bilden sich - wie beim Menschen - als Reaktion auf die Durchblutungsstörung zunächst Blutgerinnsel in den Gefäßen des Gehirns, diese lösen sich aber schnell wieder auf. Das Gehirn wird wieder vollständig durchblutet und mit Sauerstoff versorgt. Anders beim Menschen: Hier können auch Medikamente die Bildung stabiler Blutgerinnsel oft nicht verhindern, ohne dass es zu einer erhöhten Blutungsgefahr kommt.

Gerinnungsfaktor entscheidend

"Der Gerinnungsfaktor F XII ist entscheidend für die Stabilität der Blutgerinnsel", erklärt Dr. Pham. "Ihn mit Medikamenten zu blockieren, könnte daher eine neue Strategie zur gezielten Vorbeugung von Schlaganfällen sein." Von einer solchen Prophylaxe könnten in Zukunft Menschen mit hohem Schlaganfallrisiko profitieren sowie Patienten, die sich bestimmten Operation oder Kathetereingriffen unterziehen müssen. Für seine Arbeit ist Dr. Pham nun von der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie mit dem mit 2.500 Euro dotierten Kurt-Decker-Preis ausgezeichnet worden.

Bei dem neuen Verfahren der Heidelberger Forscher handelt es sich um eine sogenannte funktionelle Ultra-Hochfeld-MRT, die eine um ein Vielfaches höhere Magnetfeldstärke (17,6 Tesla) aufbaut als Geräte, die bisher bei Patienten zum Einsatz kommen (bis 3 Tesla). So können die Wissenschaftler selbst winzige Details im Maushirn darstellen. Bislang war dies am lebenden Tier nicht möglich. Mit dem neuen Verfahren wollen die Mediziner jetzt weitere Gerinnungsmechanismen im Gehirn untersuchen und im Hinblick auf neue Medikamente besser verstehen lernen.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Neuroradiologie.106685.0.html

Literatur:
Pham M, Kleinschnitz C, Helluy X, Bartsch AJ, Austinat M, Behr VC, Renné T, Nieswandt B, Stoll G, Bendszus M.:
Enhanced cortical reperfusion protects coagulation factor XII-deficient mice from ischemic stroke as revealed by high-field MRI.
Neuroimage. 2010 Feb 15;49(4): 2907-14.
Epub 2009 Dec 1. PMID: 19958838 [PubMed - indexed for MEDLINE]

Ansprechpartner:
Dr. Mirko Pham
Neurologische Klinik
Abteilung für Neuroradiologie
Im Neuenheiner Feld 400
69120 Heidelberg
E-Mail: Mirko.Pham@med.uni-heidelberg.de

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang

Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 7.600 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 40 Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.400 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.
www.klinikum.uni-heidelberg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution665

Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. Annette Tuffs, 30.11.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2010