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MELDUNG/098: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 13.04.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Genetische Ursachen des Nierenversagens entdeckt
→  Internationales Forschungsteam identifiziert Risikogene für Nierenerkrankungen
→  Studie über Krebs und Entzündung liefert neue Therapieansätze

Raute

Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald - 11.04.2010

Genetische Ursachen des Nierenversagens entdeckt

Wissenschaftler wollen Dialyse langfristig überflüssig machen

Wissenschaftler der Uni Greifswald haben zusammen mit Forschern aus Europa und den USA mehrere Genvarianten identifiziert, welche die Nierenfunktion beeinflussen. Wie das renommierte Wissenschaftsjournal Nature Genetics in seiner aktuellen Ausgabe* berichtet, gelang es dem internationalen Wissenschaftskonsortium, über ein Dutzend Genvarianten ausfindig zu machen, die langfristig die Nierenfunktion beeinflussen.

Weltweit wurden über 67.000 Menschen untersucht. "Dies ist ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung auf eine individualisierte Medizin und ein bedeutender Fortschritt bei der Aufklärung der genetischen Ursachen des Nierenversagens", informierten die Greifswalder Nierenforscher Prof. Rainer Rettig (Foto) und Prof. Karlhans Endlich (Foto).

Weltweit leiden mehr als 500 Mio. Menschen an einer chronischen Nierenkrankheit, die zu einer Schwächung der Nierenfunktion bis hin zum Nierenversagen führen kann. "Bundesweit ist jeder zehnte Erwachsene betroffen. Allein in Deutschland sind mehr als 90.000 Menschen von einer Nierenersatztherapie wie regelmäßiger Dialyse oder einer Transplantation abhängig", betonte Endlich.

Häufigste Ursachen in Deutschland und anderen Industrieländern sind Diabetes und Bluthochdruck. "Aber nicht alle Patienten, die an diesen Erkrankungen leiden, entwickeln ein chronisches Nierenversagen. Wissenschafter vermuten daher schon lange, dass die erbliche Veranlagung eine wichtige Rolle spielt", so Rettig.

Gemeinsam mit ihren internationalen Kollegen durchforschten die Greifswalder Wissenschaftler das menschliche Genom auf der Suche nach Genvarianten, die zur chronischen Nierenkrankheit beitragen. Beteiligt waren die Greifswalder Institute für Anatomie und Zellbiologie, Community Medicine, Genetik und Funktionelle Genomforschung, Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Pharmakologie sowie Physiologie. Den Wissenschaftler kam zugute, dass die Nierenfunktion anhand eines leicht zu bestimmenden Blutwertes gut beurteilt werden kann und, dass sie auf die Ergebnisse der seit über zehn Jahren laufenden Greifswalder Gesundheitsstudie SHIP (Study of Health in Pomerania) zurückgreifen konnten. Erneut wurden die Daten von über 3.000 Vorpommern als Basis für die entscheidende Genidentifizierung genutzt.

"Obwohl jede einzelne dieser Varianten nur einen geringen Einfluss ausübt, könnte die Kombination 'schlechter' Gene die erbliche Veranlagung zum chronischen Nierenversagen erheblich verstärken", unterstrichen die Greifswalder Wissenschaftler.

Mögliche Risikofaktoren und Erkrankungen bereits im Vorfeld erkennen, ist ein Kernansatz der individualisierten Medizin. "Ein wesentliches Ziel der medizinischen Forschung in Greifswald ist es, die individuelle Veranlagung des einzelnen Menschen für häufige und schwere Erkrankungen aufzuklären, um dadurch besser und wirkungsvoller helfen zu können", erklärte der Dekan der Medizinischen Fakultät Prof. Heyo K. Kroemer. Konsequenzen einer nicht erkannten Nierenerkrankung sind der fortschreitende Verlust der Nierenfunktion sowie Herz-Kreislauf-Komplikationen. Chronisch Nierenkranke haben ein zehnfach erhöhtes Risiko, vorzeitig an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben.

Die Dialysebehandlung zählt neben der starken persönlichen Belastung für die Patienten und ihre Familien zu den aufwändigsten Therapien in der Inneren Medizin. Schätzungen zufolge liegen die jährlichen Ausgaben in Deutschland für die Nierenersatztherapie nicht unterhalb von 2 Milliarden Euro. "Die Blutwäsche und Transplantationen künftig weitestgehend überflüssig zu machen, ist das Hauptanliegen unserer Arbeit", so Endlich und Rettig, "auch wenn das noch ein weiter Weg ist."

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 15,4 Mio. Euro geförderten Projektes der individualisierten Medizin GANI_MED (Greifswald Approach to Individualized Medicine) soll jetzt in einer neuen Studie an die Ergebnisse der internationalen Studie angeknüpft und die Bedeutung der Genvarianten bei chronisch nierenkranken Patienten vertiefend untersucht werden.

Hintergrund Nierentransplantationen
Im Jahr 2009 wurden in Deutschland in 38 Zentren insgesamt 2.772 Nieren nach einer Organspende transplantiert. Da Nieren paarig angelegt sind, ist prinzipiell eine Lebendspende möglich. Im letzten Jahr wurden insgesamt 600 Transplantationen nach einer Lebendspende vorgenommen, 21,6 Prozent aller Nierentransplantationen. Vor allem die Lebendspende von Erwachsenen für volljährige Patienten hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Zurzeit warten über 8.000 Patienten in Deutschland auf ein Spenderorgan. Bei endgültigem Nierenversagen kann nur die regelmäßige Dialyse (Blutwäsche) oder eine Transplantation das Leben des Patienten retten.
Quelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation (www.dso.de)

* Nature Genetics, published online April 11, 2010
New Loci Associated With Kidney Function and Chronic Kidney Disease
DOI: 10.1038/ng.568

Weitere Informationen
NATURE: http://www.nature.com/ng/index.html
SHIP: http://www.medizin.uni-greifswald.de/cm/fv/ship.html
GANI_MED: www.gani-med.de

Ansprechpartner am Uniklinikum Greifswald
Institut für Physiologie
Direktor: Prof. Dr. med. Rainer Rettig
Greifswalder Straße 11 a, 17405 Karlsburg
E-Mail: rettig@uni-greifswald.de
www.medizin.uni-greifswald.de/physiol/

Institut für Anatomie und Zellbiologie
Direktor: Prof. Dr. med. Karlhans Endlich
Friedrich-Loeffler-Straße 23 c, 17475 Greifswald
E karlhans.endlich@uni-greifswald.de
www.medizin.uni-greifswald.de/anatomie/
www.klinikum.uni-greifswald.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution65

Quelle: Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Constanze Steinke, 11.04.2010

Raute

Universitätsklinikum Freiburg - 12.04.2010

Internationales Forschungsteam identifiziert Risikogene für Nierenerkrankungen

Erstautorin Anna Köttgen soll neue Technik am Universitätsklinikum Freiburg einführen

Ein internationales Forschungsteam aus Europa und den USA hat in einem gemeinsamen Großprojekt neue Gene entdeckt, die das Risiko für Nierenerkrankungen beeinflussen. Veränderungen in diesen Genen treten gehäuft bei Menschen mit chronischer Nierenerkrankung auf. Die Arbeitsergebnisse des Forschungsteams, des Chronic Kidney Disease Genetics (CKDGen)-Konsortiums, wurden diese Woche in der renommierten Fachzeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.

Mehrere deutsche Institutionen sind an dem Projekt beteiligt; die Erstautorin der Veröffentlichung, Dr. Anna Köttgen, ist in der nephrologischen Abteilung des Universitätsklinikums Freiburg unter der Leitung von Professor Dr. Gerd Walz tätig.

Chronische Nierenerkrankungen betreffen rund fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung in den USA, mit steigender Tendenz. In Deutschland wird mit ähnlichen Zahlen gerechnet. Ein Fortschreiten der Erkrankung kann zu Nierenversagen führen und schließlich eine Nierentransplantation oder Dialyse erforderlich machen. Des Weiteren steigt das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und für Nebenwirkungen von Medikamenten. Wichtige Risikofaktoren für chronische Nierenerkrankung sind Bluthochdruck und Zuckerkrankheit. Auch eine familiäre Häufung von Nierenerkrankungen wird seit langem beobachtet, zugrunde liegende genetische Risikofaktoren sind großteils unbekannt.

Um einige der unbekannten genetischen Risikofaktoren für chronische Nierenerkrankungen zu identifizieren, machten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des CKDGen-Konsortiums Gebrauch von einer neuen Technik, der sogenannten genomweiten Assoziationsstudie. Dabei werden Unterschiede in der gesamten Erbinformation sehr vieler Personen, hier von beinahe 70.000 Studienteilnehmenden, in Bezug zu deren Nierenfunktion gesetzt. Studien dieser Art können erst seit der Entschlüsselung der menschlichen Erbinformation durchgeführt werden und haben in den letzten Jahren zu großen Fortschritten in der Identifikation genetischer Risikofaktoren geführt.

"Die so identifizierten Risikogene können neue Erkenntnisse über die Funktion der Nieren vermitteln. Ein besseres Verständnis der Erkrankungsmechanismen kann dabei als Grundlage zur Entwicklung neuer Vorsorgestrategien und neuer Medikamente für Patientinnen und Patienten mit chronischer Nierenerkrankung dienen", sagt Dr. Köttgen. So waren die Wissenschaftler aufgrund ihrer Ergebnisse bereits in der Lage, in ersten Studien einen Blutwert zu identifizieren, der sich eventuell als Marker zur Früherkennung von Nierenerkrankungen eignet. In ersten Studien war dieser Blutwert bereits Jahre vor dem Auftreten einer chronischen Nierenerkrankung erhöht.

Anna Köttgen hat in den letzten fünf Jahren an der Johns Hopkins Universität in den USA geforscht, bevor sie an das Freiburger Uniklinikum wechselte. Nun leitet sie eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Emmy-Noether-Arbeitsgruppe für vielversprechende junge NachwuchswissenschaftlerInnen, in der unter anderem an der Identifikation von Risikogenen für Nierenerkrankungen geforscht wird. "Ein Ziel meiner Arbeitsgruppe ist es, die in den USA gelernten Methoden hier in Freiburg zu etablieren", so Anna Köttgen. Sie arbeitet auch daran, gemeinsam mit anderen Ärzten Patientinnen und Patienten mit chronischer Nierenerkrankung aus Freiburg und Umgebung in eine bundesweite Studie zur Erforschung dieser Erkrankung einzuschließen. Die Kombination aus großen Patientenkollektiven und modernen Methoden soll ermöglichen, die Therapie und Lebensqualität von Patienten mit dieser häufigen Erkrankung langfristig zu verbessern.

Kontakt:
Dr. Anna Köttgen, Master of Public Health
Universitätsklinikum Freiburg
E-Mail: anna.koettgen@uniklinik-freiburg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1401

Quelle: Universitätsklinikum Freiburg, Carin Lehmann, 12.04.2010

Raute

Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. - 12.04.2010

Theodor-Frerichs-Preis der DGIM 2010
Studie über Krebs und Entzündung liefert neue Therapieansätze

Wiesbaden - Etwa 20 Prozent aller bösartigen Krebskrankungen entstehen aufgrund chronischer Entzündungen. Für seine Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen entzündlichen Prozessen und Darmkrebs zeichnet die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) Privatdozent Dr. med. Florian Greten aus München mit dem Theodor-Frerichs-Preis 2010 aus. Seine Ergebnisse liefern neue Ansatzpunkte für zukünftige Therapien von Dickdarmkrebs. Die DGIM hat den mit 30 000 Euro dotierten Preis im Rahmen der Festlichen Abendveranstaltung anlässlich ihres 116. Kongresses am 11. April 2010 in Wiesbaden verliehen.

In Deutschland erkranken jedes Jahr mehr als 37.000 Männer und etwa 36.000 Frauen an einem kolorektalen Karzinom. Darmkrebs ist damit die zweithäufigste Tumorerkrankung. Etwa ein fünftel aller Tumoren entstehen auf dem Boden von Entzündungen. Die genauen Zusammenhänge waren jedoch bislang unklar. In Studien an der Universität San Diego fand Greten in den vergangenen Jahren heraus, dass bestimmte mit dem Krebs assoziierte sogenannte myeloide Zellen Stoffe abgeben, die Zellen des Darmes zu Wachstum und Teilung anregen.

In seiner jetzt ausgezeichneten Studie an der Technischen Universität München klärte er zusammen mit seiner Arbeitsgruppe im Tierversuch die genaue Funktion der myeloiden Zellen auf: Die von ihnen freigesetzten, wachstumsregulierenden IL-6-Zytokine, aktivieren den Signalstoff Stat3. Dieser stößt eine Kette von Reaktionen an, die Tumoren dazu bringt, sich zu vermehren und massiv zu wachsen und. Ein Mangel an Stat3 dagegen unterdrückte das Krebswachstum nahezu vollkommen. Diese Blockade führte auf der anderen Seite zu verminderter Wundheilung bei einer akuten Darmentzündung.

Der 1972 geborene Internist Greten bewirbt sich mit einer in mehrerer Hinsicht herausragenden Studie um den Preis, so die Juroren. Einerseits führe er überzeugend vor, dass Stat3 einen zentralen Punkt der entzündungsvermittelten Tumorentstehung darstellt. "Zudem ist die hoch innovative wissenschaftliche Arbeit ein Paradebeispiel für eine exzellente Nachwuchs-Forschungsarbeit", begründet das Preiskomitee der DGIM die Entscheidung. Die Erkenntnisse böten das Potenzial für neue therapeutische Ansätze in der Therapie von Dickdarmskrebs.

Der Preis ist nach dem Präsidenten des ersten Deutschen Kongresses für Innere Medizin - dem Internisten Friedrich Theodor von Frerichs - benannt. Mit dem Preis honoriert die DGIM die beste zur Bewerbung eingereichte, möglichst klinisch-experimentelle Arbeit auf diesem Gebiet im deutschsprachigen Raum. Die Fachgesellschaft verleiht die Auszeichnung jährlich im Rahmen der Festlichen Abendveranstaltung ihrer Jahrestagung in Wiesbaden.

Greten et. al.
gp 130-mediated Stat3 activation in enterocytes regulates cell survival and cell-cycle progression during colitis-associated tumorigenesis
Cancer Cell 15, 91-102, February 3, 2009

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dgim2010.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1248

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V., Anna Julia Voormann, 12.04.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. April 2010