Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke - 05.12.2016
Alter beeinflusst den Mikronährstoffgehalt im Blut
Wie eine europäische Studie mit 2118 Frauen und Männern zeigt, haben ältere Menschen im Vergleich zu jüngeren höhere Vitamin-E-Spiegel und geringere Mengen bestimmter Carotinoide im Blut. Die altersbedingten Unterschiede waren unabhängig von der Landeszugehörigkeit, dem Geschlecht, der Jahreszeit, dem Cholesterinspiegel, dem Body-Mass-Index, dem Raucherstatus, dem Obst- und Gemüseverzehr sowie der Einnahme von Vitaminpräparaten. "Wie unsere Ergebnisse zeigen, beeinflusst auch das Alter den Mikronährstoffgehalt im Blut. Dieses Wissen könnte künftig dazu beitragen, altersorientierte Ernährungsempfehlungen zu verbessern", sagt Tilman Grune vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE).
Das Wissenschaftlerteam um Tilman Grune und Daniela Weber vom DIfE sowie Wolfgang Stuetz und Nicolle Breusing von der Universität Hohenheim veröffentlichte seine Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift Nutrients (Stuetz et al. 2016, doi:10.3390/nu8100614; http://www.mdpi.com/2072-6643/8/10/614)
Zahlreiche Beobachtungsstudien lassen annehmen, dass ein hoher Obst- und Gemüsekonsum das Risiko für Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes und bestimmte Krebserkrankungen vermindert sowie die Lebenserwartung erhöht. Dabei führen Wissenschaftler die günstigen Effekte einer pflanzenbetonten Ernährung auf eine höhere Aufnahme von Mikronährstoffen zurück, zu denen auch Vitamine und Carotinoide zählen.
Doch wie lässt sich messen, ob eine Person ausreichend mit diesen Mikronährstoffen versorgt ist? Könnten Blutanalysen hier weiterhelfen? Und wenn ja, gibt es Faktoren wie das Alter, die bei der Beurteilung des Blutbildes zu berücksichtigen sind? "Mit unserer Untersuchung wollten wir dazu beitragen, diese Fragen zu beantworten. Denn wenn man den Versorgungszustand einer Person richtig einschätzen kann, ist man in der Lage, maßgeschneiderte Ernährungsempfehlungen zu entwickeln, die zum Beispiel ein gesundes Altern unterstützen", sagt Daniela Weber, die federführend an der Studie beteiligt war. Es gäbe zwar schon erste Ergebnisse aus amerikanischen Studien. Ergebnisse, die auf den Daten europäischer Bevölkerungsgruppen basierten, seien aber noch rar, so die Wissenschaftlerin weiter.
Daher werteten die Forscher Daten der großen europäischen MARK-AGE-Studie* aus, um zu untersuchen, inwieweit neben den Ernährungsgewohnheiten auch das Alter die Blutspiegel von Vitamin E und verschiedenen Carotinoiden beeinflusst. An der Studie nahmen Personen im Alter zwischen 35 und 74 Jahren teil, die während des Datenerhebungszeitraums von 2008 bis 2012 in Österreich, Belgien, Finnland, Deutschland, Griechenland, Italien und Polen lebten. Neben Blutproben sammelten die Forscher Daten zu den Körpermaßen, dem Alter und Geschlecht sowie zum Gesundheitsstatus. Die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten der Teilnehmer erfassten sie mit Hilfe von Fragebögen.
Bedeutsame altersbedingte Unterschiede stellten die Wissenschaftler für alpha-Carotin, Lycopin** - dem roten Farbstoff aus Tomaten - und Vitamin E*** fest. Während ältere Menschen vergleichsweise geringere Spiegel der beiden Carotinoide im Blut hatten, nahmen die Werte für Vitamin E mit steigendem Alter kontinuierlich zu. Pro einem Altersunterschied von fünf Jahren nahmen die Lycopin-Konzentrationen um durchschnittlich 6,5 Prozent ab, alpha-Carotin sank um 4,8 Prozent und der Vitamin-E-Spiegel nahm um 1,7 Prozent zu.
"Derzeit stellen wir uns die Frage, auf welche Ursachen die beobachteten Unterschiede zurückzuführen sind. Eventuell könnten eine geringere Bioverfügbarkeit der Mikronährstoffe, aber auch eine mit Alterungsprozessen einhergehende veränderte Nährstoffspeicherung in den Organen sowie ein veränderter Nährstoffbedarf des Körpers eine Rolle spielen", sagt MARK-AGE-Vize-Koordinator Tilman Grune. Ebenso sei nicht auszuschließen, dass in der Studie nicht erfasste Ernährungsgewohnheiten das Ergebnis beeinflusst hätten. So sei in der Studie nur nach dem Obst- bzw. Gemüsekonsum insgesamt gefragt worden, ohne Daten zu einzelnen Lebensmittelsorten zu erheben. Es bestünde also noch großer Forschungsbedarf, äußert sich Grune weiter, der als wissenschaftlicher Vorstand das DIfE leitet. Dennoch seien die aktuellen Ergebnisse relevant. Sie deckten sich mit den in anderen Studien gemachten Beobachtungen und trügen dazu bei, eine wissenschaftliche Grundlage zu erstellen, die es erlaubt, bessere altersorientierte Ernährungsempfehlungen zu entwickeln.
Zukünftig wollen die Wissenschaftler um Grune auch am DIfE diese Forschungsrichtung weiter verfolgen und solche Zusammenhänge im Rahmen der EPIC-Studie**** und der Berliner Altersstudie II in Kooperation mit der Charité Berlin genauer untersuchen.
• Hintergrundinformationen:
* Die MARK-AGE-Studie ist eine umfangreiche, von der Europäischen Union
unterstützte Bevölkerungsstudie, an der 26 europäische Forschungspartner
beteiligt sind, darunter auch Unternehmen. MARK-AGE zielt darauf ab,
Biomarker zu identifizieren, die mit Alterungsprozessen beim Menschen
in Zusammenhang stehen. Mehr Informationen unter:
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0047637415000317
Biomarker sind charakteristische biologische Merkmale, die objektiv gemessen werden und auf einen normalen biologischen oder krankhaften Prozess im Körper hinweisen können. Bei einem Biomarker kann es sich um Zellen, Gene, Stoffwechselprodukte oder bestimmte Moleküle wie Vitamine handeln. Als eingängiges Beispiel sei das Blutbild genannt, das Hinweise auf den Gesundheitszustand des Patienten gibt (Quelle: Wikipedia).
** Lycopin und alpha-Carotin sind natürlicherweise in Pflanzen enthaltene Farbstoffe und gehören beide zur Klasse der Carotinoide. Den Carotinoiden wird eine große gesundheitliche Bedeutung zugesprochen. Im menschlichen Körper spielen sechs Carotinoide eine wesentliche Rolle: beta-Carotin, alpha-Carotin, Lycopin, beta-Cryptoxanthin, Lutein und Zeaxanthin. Die meisten von ihnen haben eine Schutzfunktion. Dadurch sollen sie vielen Erkrankungen wie Krebs, Arteriosklerose, Rheuma, Alzheimer und Parkinson, Grauem Star oder der Hautalterung vorbeugen (Quelle: Wikipedia).
*** Vitamin E ist ein Sammelbegriff für die fettlöslichen Tocopherole und Tocotrienole, wobei alpha-Tocopherol die am besten erforschte Vitamin-E-Form ist, die höchste Bioaktivität im Organismus aufweist und daher die Vitamin-E-Form ist, die in der aktuellen Studie untersucht wurde. Vitamin E ist Bestandteil aller tierischen Zellmembranen, wird jedoch nur von photosynthetisch aktiven Organismen wie Pflanzen und Cyanobakterien gebildet.
**** EPIC steht für European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition. An der Langzeitbeobachtungsstudie sind 23 administrative Zentren in zehn europäischen Ländern mit mehr als 500.000 Studienteilnehmern im Erwachsenenalter beteiligt. Die Bevölkerungsstudie untersucht die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Krebs und anderen chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes.
- Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist
Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen
ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention,
Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen
Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen
Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie
(Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle
der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen
von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein
Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für
Diabetesforschung (DZD). Mehr Informationen unter
www.dzd-ev.de
- Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 88 selbständige Forschungseinrichtungen.
Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften
über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den
Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich,
ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und
anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden
Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche
Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die
Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den
Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft,
Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge
Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der
Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und
Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen
Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern
Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die
Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.100 Personen, darunter
9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute
liegt bei mehr als 1,6 Milliarden Euro. Mehr Informationen unter
www.leibniz-gemeinschaft.de
Kontakt:
Prof. Dr. Tilman Grune
Wissenschaftlicher Vorstand
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Leiter der Abteilung Molekulare Toxikologie
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal/Deutschland
E-Mail: scientific.director@dife.de
Dr. Daniela Weber
Abteilung Molekulare Toxikologie
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal/Deutschland
E-Mail: Daniela.Weber@dife.de
Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dife.de/forschung/abteilungen/kurzprofil.php?abt=MTOX
Abteilung Molekulare Toxikologie am DIfE
Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image282185
Tomaten enthalten Lycopin.
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution166
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke
Dr. Gisela Olias, 05.12.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Dezember 2016
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