Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → FAKTEN


ERNÄHRUNG/1387: Forschung - Fettreiche Nahrung hemmt Hirnreifung (idw)


Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich) - 15.11.2016

Fettreiche Nahrung hemmt Hirnreifung


Neuste Erkenntnisse von Forschern der ETH und Universität Zürich deuten darauf hin, dass fettreiches Essen die Reifung eines Teils der Hirnrinde bei Heranwachsenden massiv stören könnte. Dadurch drohen im Erwachsenenalter Defizite bei Lernprozessen, der Persönlichkeit, und der Impulskontrolle.

Neuste Erkenntnisse von Forschern der ETH und Universität Zürich deuten darauf hin, dass fettreiches Essen die Reifung eines Teils der Hirnrinde bei Heranwachsenden massiv stören könnte. Dadurch drohen im Erwachsenenalter Defizite bei Lernprozessen, der Persönlichkeit, und der Impulskontrolle.

Junk Food ist heutzutage wortwörtlich in aller Munde. Besonders bei Kindern und Jugendlichen ist das fettreiche und ungesunde Essen beliebt. Häufig ist es die günstigste Möglichkeit, sich zu ernähren. Doch Junk Food ist möglicherweise hirnschädigend, wenn er über lange Zeit während des Heranwachsens verzehrt wird. Konsumieren Kinder und Jugendliche zu viele (schlechte) Fette, kann es im Erwachsenenalter zu Defiziten bei Hirnfunktionen kommen. Darauf deuten neue Ergebnisse von Forschern der ETH und Universität Zürich hin. Ihre Studie wurde soeben in der Fachzeitschrift "Molecular Psychiatry" veröffentlicht.

Zu dem besorgniserregenden Befund kamen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anhand eines Mausmodells, bei dem heranwachsende und erwachsene Mäuse entweder mit extrem fettreicher oder mit normaler Nahrung gefüttert wurden. Das fettreiche Futter enthielt überproportional grosse Mengen an gesättigten Fetten. Solche Fette sind zum Beispiel besonders häufig in Fast Food, Wurstwaren, Butter aber auch Kokosöl enthalten.

Verhaltensdefizite nach wenigen Wochen

Schon nach vier Wochen beobachteten die Forschenden bei den Jungtieren, die fettreiche Nahrung erhielten, erste kognitive Defizite. Diese traten auf noch ehe diese Mäuse an Gewicht zulegten. Entscheidend für die Entstehung dieser Defizite ist das Zeitfenster des Fettkonsums: Dieser wirkt sich vornehmlich in der Adoleszenz, also in der Zeit von der späten Kindheit bis zum jungen Erwachsenenalter, negativ auf die Reifung des sogenannten Präfrontalen Cortex' aus. Dieses Hirnareal wird auch Stirnhirnrinde genannt.

Der Grund für die Anfälligkeit des Präfrontalen Cortex': Seine Reifung dauert länger als diejenige anderer Hirnstrukturen. Sie ist bei Mensch und Maus erst im frühen Erwachsenenalter abgeschlossen. Der Präfrontale Cortex ist deshalb während seines Reifungsprozesses anfällig für negative Umwelteinflüsse wie Stress, Infektionen oder Traumata - oder eben: einseitiger unausgewogener Ernährung. Der Präfrontale Cortex ist das, was den Menschen zum Menschen macht: Er ist der Sitz von Gedächtnis, Planung, Impulskontrolle und Sozialverhalten. Ohne funktionierende Stirnhirnrinde, etwa nach einem Unfall oder aufgrund eines Tumors, verändert sich das Wesen des Menschen. Er hat Mühe bei komplexen Lernprozessen, kann seine Hemmungen verlieren, wird unkontrolliert aggressiv, kindisch oder triebhaft.

Erwachsene bleiben verschont

Keinen Verhaltenseffekt konnten die Forschenden hingegen bei ausgewachsenen Mäusen, die über längere Zeit (zu) fettreiche Nahrung aufnahmen, beobachten. Bei ihnen geriet allerdings der Stoffwechsel aus den Fugen: Sie verfetteten. "Das schliesst allerdings nicht aus, dass fettreiche Nahrung nicht auch die Gehirne von erwachsenen Mäusen schädigen kann", betont Urs Meyer, ehemaliger Gruppenleiter des Labors für Physiologie und Verhalten an der ETH Zürich und heute Professor an der Universität Zürich.

Mensch und Maus sind sich ähnlich

Laut Meyer sind die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar: "Ähnlich wie beim Menschen reift der Präfrontale Cortex bei der Maus vornehmlich in der Adoleszenz." Auch die Leistungen, die dieser Hirnregion zugeschrieben werden, sind bei Mensch und Maus vergleichbar. Ebenfalls stimmen die Nervenzellstrukturen, auf die die fettreiche Nahrung einwirkt, in beiden Organismen überein. Der Forscher räumt allerdings ein, dass die fettreiche Nahrung - über 60 Prozent der Kalorien wurden den Mäusen durch Fette zugeführt - nicht dem entspricht, was die meisten Menschen (und Mäuse) über längere Zeit einnehmen. Diese Art der Zuspitzung wurde bewusst gewählt, um den Effekt fettreicher Nahrung auf die Gehirnreifung klar und deutlich aufzuzeigen und den Prinzipienbeweis erbringen zu können. "Derart fettreich essen wohl nur die wenigsten Kinder und Jugendlichen", sagt Meyer.

Über einen Grenzwert, wie hoch der Fettanteil der Nahrung sein darf, damit später keine Schäden am Präfrontalen Cortex entstehen, kann diese Studie denn auch nichts aussagen. Dies wurde auch nicht untersucht. "Wer einmal pro Woche fettreichen Fast Food isst, wird kaum betroffen sein." Dennoch findet Meyer, dass der Ernährung in der Zeit des Heranwachsens mehr Beachtung geschenkt werden muss. "Während der Adoleszenz sollten Kinder und Jugendliche möglichst ausgewogen und hochwertig essen."


Literaturhinweis
Labouesse M, et al: Hypervulnerability of the adolescent prefrontal cortex to nutritional stress via reelin deficiency. Molecular Psychiatry, advance online publication, 15 November 2016. doi:10.1038/mp.2016.193

Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2016/11/fettreiche-nahrung-hemmt-hirnreifung.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution104

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)
Peter Rüegg, 15.11.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang