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SPORTMEDIZIN/216: Risiko-Score "Carrisma" errechnet, wie Sport das Herzinfarktrisiko senkt (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Freitag, 2. Oktober 2009

CARRISMA errechnet, wie Sport das Herzinfarktrisiko senkt


fzm - Rauchen, Cholesterin und Bluthochdruck sind in Deutschland für jeden zweiten Herzinfarkt verantwortlich. Ob ein Mensch gefährdet ist, lässt sich heute mit Risiko-Scores gut abschätzen. Ein neuer Score, den ein Experte in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2009) vorstellt, berücksichtigt erstmals auch die Zahl der gerauchten Zigaretten und die Faktoren Übergewicht und Bewegungsmangel, deren Bedeutung in den letzten Jahren gestiegen ist.

Formeln zur Berechnung des Herzinfarktrisikos sind nicht neu. Am bekanntesten ist der in den USA entwickelte Framingham-Score. Er überschätzt allerdings das Risiko für Europäer, erklärt Professor Helmut Gohlke vom Herzzentrum Bad Krozingen. In Deutschland würden derzeit der PROCAM-Score und der ESC-Score bevorzugt. Der PROCAM-Score basiert auf den Ergebnissen einer 1979 begonnenen Langzeitstudie zum Risikofaktor Cholesterin. Er sei deshalb besonders für Patienten mit hohen Cholesterinwerten geeignet, schreibt Professor Gohlke. Der ESC-Score bilde den Risikofaktor Bluthochdruck am besten ab.

Beide Scores erfassen zwar, ob der Patient raucht. Der von Professor Gohlke mit entworfene CARRISMA-Score (für CARdiovaskuläres RISiko MAnagement) erfragt jedoch zusätzlich die Zahl der Zigaretten. Mit Body-Mass-Index (für das Risiko Übergewicht) und körperlicher Aktivität (für das Risiko Bewegungsmangel) fließen zusätzlich zwei wichtige Lebensstil-Faktoren in die Risikoberechnung ein. Gerade bei starken Rauchern und stark übergewichtigen Personen kann dies zu einer Neubewertung führen, berichtet der Autor: In einem Beispiel des Kardiologen musste das 10-Jahresrisiko auf einen Herzinfarkt von 15 Prozent im PROCAM-Score auf 28 Prozent bei CARRISMA hochgestuft werden. Auf der anderen Seite könne mit dem Score auch die Risikominderung aufgezeigt werden, die durch Sport möglich ist. Sie betrug in einem Beispiel relativ 40 Prozent. Professor Gohlke: Ein 55-jähriger Mann mit 80 kg kann dies durch zweieinhalb Stunden Joggen oder fünf Stunden intensives Radfahren oder sechs eineinhalbstündige Spaziergänge pro Woche schaffen. Er senkt das Herzinfarktrisiko unter Umständen mehr als durch die Einnahme von Medikamenten möglich wäre.

Ein Vergleich der einzelnen Maßnahmen ist durch die Berechnung der Number Needed to Treat möglich. Sie gibt die Anzahl Patienten an, die für ein Jahr behandelt werden müssten, um einen Herzinfarkt zu verhindern. Je geringer der NNT-Wert, desto günstiger. Professor Gohlke: Der NNT-Wert zeigt auch an, ob eine medikamentöse Therapie kosteneffektiv ist. Die Bewertung ist jedoch Einschränkungen unterworfen. Der NNT bewertet das Risiko für ein Lebensjahr. Bei jüngeren Menschen müsse stets die langfristige Perspektive gesehen werden, so Gohlke. Auch eine "schwache" NNT kann hier nutzen. Allen Menschen mit mehr als einem bekannten Risikofaktor rät der Experte ab dem 35. Lebensjahr zu einer Berechnung des CARRISMA-Scores.


H. Gohlke:
Moderne Risiko-Scores in der Kardiologie.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2009; 134 (40): S. 2001-2005


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Quelle:
FZMedNews - Freitag, 2. Oktober 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2009