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NEUROLOGIE/668: Restless Legs - Rastlose Nächte (welt der frau)


welt der frau 9/2011 - Die österreichische Frauenzeitschrift

Restless Legs
Rastlose Nächte

von Susanna Sklenar


Schlafenszeit - doch die Beine wollen nicht zur Ruhe kommen. Sie kribbeln und ziehen, der Bewegungsdrang nimmt nicht ab. Lange Zeit war das "Restless-Legs-Syndrom" in der Medizin kaum bekannt. Heute noch gilt es als höchst unterschätzte Volkskrankheit, die insbesondere Frauen trifft.


Der Tag war lang und anstrengend. Endlich kehrt Ruhe ein. Schlafenszeit. Das wohlig kuschelige Bett verheißt süße Träume und Entspannung. Nur noch hinlegen, Augen schließen und... Von wegen Nachtruhe. Jetzt geht der Stress erst richtig los. Gleich zu Beginn der Einschlafphase fängt es in den Beinen zu ziehen und zu kribbeln an, sie wollen sich bewegen, strecken, drehen, zucken hin und her. Der Bewegungsdrang wird allmählich unüberwindlich. Manchmal gesellen sich auch noch die Arme dazu. Und vorbei ist der Traum vom erholsamen Schlaf.

Für Menschen, denen solche Symptome vertraut sind, wird jede Nacht zur Qual. Sie leiden am sogenannten "Restless-Legs-Syndrom" (RLS), einer lange Zeit unbekannten und nach wie vor stark unterschätzten neurologischen Erkrankung, die auf eine Störung des Dopaminhaushaltes im zentralen Nervensystem zurückzuführen ist. Oft können Betroffene nicht einmal längere Zeit gemütlich vor dem Fernseher, im Kino oder im Flugzeug sitzen. Latente Müdigkeit, Gereiztheit und Konzentrationsprobleme sind ihre alltäglichen Begleiter.

Die genaue Ursache des RLS ist bisher nicht bekannt. Immerhin ist die Krankheit aber inzwischen gut behandelbar. Vorausgesetzt, das Leiden wird richtig diagnostiziert und von einer Ärztin/einem Arzt behandelt, die/der sich mit RLS auskennt.


Unterschätztes Frauenleiden?

Insgesamt sind allein in Österreich 10 bis 15 Prozent der BürgerInnen, also knapp eine Million Menschen, mit RLS konfrontiert. Wofür selbst MedizinerInnen keine genaue Erklärung haben: RLS tritt vorwiegend bei Frauen auf. "Die Erkrankung wird insbesondere in der Schwangerschaft sowie im menopausalen Alter diagnostiziert. In dieser Lebensphase sind 40 Prozent der Frauen betroffen, jedoch nur 25 Prozent der Männer", erklärt der Wiener Neurologe und RLS-Spezialist Prim. Dr. Dieter Volc. Mit einer hormonellen Umstellung habe dies allerdings nichts zu tun. "Durch eine hormonelle Behandlung ändert sich nichts. Die neurologische Störung steht eher mit einem Eisenmangel im Zusammenhang. Daher müssen vor allem die Eisenwerte im Labor überprüft werden." Dabei sind neben dem Serumeisen auch Transferrin (Träger- bzw. Transportprotein von Eisen im Blut) und Ferritin (körpereigenes Protein, das Eisen in der Zelle speichert ) für die Diagnose ausschlaggebend.

Je genauer im Zuge der Diagnostik untersucht wird, umso besser. Denn: "Zappelbeine" können auch in Zusammenhang mit einer anderen Erkrankung stehen. Man schätzt beispielsweise, dass nahezu jede/r zweite PatientIn mit eingeschränkter Nierenfunktion auch an RLS leidet. Ebenso empfehlenswert sei die Überprüfung der folgenden Organe bzw. Werte: Schilddrüse, Leber, Rheuma, Nervenleitgeschwindigkeit, Vitamin B und Folsäure.

Typisch für alle Formen des RLS: Sobald die/der Betroffene aufsteht und sich bewegt, verschwinden die Symptome.

Dennoch wird RLS vielfach noch falsch oder sehr spät diagnostiziert. Prim. Dr. Volc: "Die Patienten haben oft einen langen Leidensweg. Viele von ihnen unterziehen sich diversen Venenoperationen oder langwierigen physiologischen und orthopädischen Behandlungen." Eine Besserung der Beschwerden tritt dennoch nicht ein. "Der Rekord liegt meines Wissens nach bei einer 86-jährigen Patientin, die seit 60 Jahren am RLS leidet und der nicht ursächlich geholfen werden konnte", so der Experte.


Risikofaktoren und Behandlung

Nicht ganz so lange, aber immerhin 21 Jahre litt auch Waltraud Moldaschl unter dem ständigen nächtlichen Bewegungsdrang ihrer Beine. "Angefangen haben die Symptome in der Schwangerschaft und sie wurden mit zunehmendem Alter stärker", erzählt die Waldviertlerin, die mittlerweile seit 33 Jahren mit RLS lebt. Vor zwölf Jahren hat Waltraud Moldaschl den Dachverband der RLS-Selbsthilfegruppen in Österreich gegründet, dessen Präsidentin sie bis heute ist. Sie verweist nicht zuletzt darauf, dass es "enorm wichtig ist, sich als RLS-PatientIn bestimmte Verhaltensregeln anzueignen". Dazu gehöre es, konkrete Auslöser bzw. Verstärker von RLS zu vermeiden. Moldaschl: "Als wichtigste Risikofaktoren gelten Kohlensäure, Glutamat, Alkohol, Kaffee, Schokolade sowie raffinierter Zucker und Light-Produkte mit Aspartam."

Zur medikamentösen Behandlung verwendet man Präparate aus der Parkinson-Therapie, da auch hier der Dopaminspiegel in bestimmten Gehirnregionen zu niedrig ist. Prim. Dr. Volc: "Die Dosierung ist allerdings wesentlich niedriger, deshalb sind auch eventuelle Nebenwirkungen geringer." Waltraud Moldaschl erinnert sich an die erlösende Wirkung der Behandlung: "Als Betroffene habe ich mich anfangs selbst einem Test im Schlaflabor des Wiener AKH unterzogen. Prof. Dr. Bernd Saletu hat damals im Zuge einer nächtlichen Untersuchung (mit einem Placebo-Medikament) 494 Bewegungen meiner Beine gemessen. Mit nur einer Dopamintablette reduzierten sie sich in der darauffolgenden Nacht auf 35!"


Komplementärmedizin

In leichteren Fällen oder auch zusätzlich zu den ärztlich verordneten Medikamenten können Eisentabletten bzw. Magnesium helfen. Auch Schüßler-Salze, etwa Zincum chloratum D6 (Nr. 21), sollen die rastlosen Beine beeinflussen; Kalium bromatum D6 (Nr. 14) wirkt beruhigend und schlaffördernd. Es gibt auch RLS-PatientInnen, die auf Homöopathika schwören: Im Anfangsstadium lohnt sich ein Versuch mit Zincum Valerianicum D4, drei- bis fünfmal täglich. Im Rahmen von Naturheilverfahren können kalte und/oder warme Güsse sowie Einreibungen mit Franzbranntwein kurzfristig Abhilfe schaffen.


Mehr Infos & Hilfe
Dachverband der RLS-Selbsthilfegruppen:
www.restless-legs.at; Tel. 0664 26 33 100

(Waltraud Moldaschl)


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Quelle:
welt der frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
September 2011, Seite 54-55
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
Herausgeberin: Katholische Frauenbewegung Österreichs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2011