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ARBEITSMEDIZIN/289: Dringend gesucht - Nachwuchsärzte für die Arbeitsmedizin (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 11/2009

Jahrestagung der Betriebs- und Werksärzte
Dringend gesucht: Nachwuchsärzte für die Arbeitsmedizin

Von Dirk Schnack


In der Arbeitsmedizin sind junge Ärzte noch seltener als in anderen medizinischen Bereichen. Nun soll der Nachwuchs für das Fach begeistert werden.


Rund 12.000 Arbeitsmediziner gibt es in Deutschland, jeder zweite von ihnen ist 60 Jahre oder älter. Wie die Stellen besetzt werden sollen, wenn diese Ärzte in wenigen Jahren in Ruhestand gehen, weiß derzeit niemand. Obwohl diese Frage in der Öffentlichkeit kaum diskutiert wird, hängt viel von ihrer Beantwortung ab - denn die Arbeitsmediziner betreuen rund 30 Millionen Vollzeitbeschäftigte in drei Millionen deutschen Unternehmen.

Der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) befürchtet, dass sich die Situation sogar noch verschlimmern könnte, weil es bundesweit nur noch rund zwölf Lehrstühle für Arbeitsmedizin gibt. Einige von ihnen sollen nach Ausscheiden des Lehrstuhlinhabers nicht wieder besetzt werden. Als Beispiel nannte VDBW-Präsident Dr. Wolfgang Panter auf der Jahrestagung seines Verbandes den Tagungsort Lübeck. Dort, aber auch an anderen renommierten Universitäten wie Münster, rechnet Panter nicht mit einer Neubesetzung des Lehrstuhls. "Das präventive Denken ist an den Universitäten nicht sehr ausgeprägt", kritisierte Panter.

Um für die Arbeitsmedizin zu werben, hat der Verband ein "Ärzte-Casting" unter Nachwuchsmedizinern veranstaltet, das sogenannte docs@work. Bundesweit hatten sich 35 Mediziner daran beteiligt. In der Finalgruppe stellten sich acht Ärzte Alltagstests in verschiedenen Firmen. Dabei wurden sie mit klassischen Aufgaben von Betriebsärzten konfrontiert - sie mussten sich mit den Belastungen für das Muskel- und Skelettsystem in körperlich anstrengenden Berufen wie dem eines Schiffsbefestigers genauso auseinandersetzen wie mit der Lautstärke in Großraumbüros. Die Gewinner Dr. Janina Bogdanski und Dr. Thomas Kötter, beide sind derzeit in der Weiterbildung zum Allgemeinmediziner, haben durch den Wettbewerb neue Einblicke in die Tätigkeit von Arbeitsmedizinern erhalten. Beide haben sich aber noch nicht entschieden, ob sie später tatsächlich auch als Arbeitsmediziner arbeiten werden. Deutlich wurde in Lübeck auch, dass bei der Prävention in deutschen Betrieben einige Fortschritte erzielt wurden, - dass es aber weiterhin Sorgenkinder gibt. Dies sind nach Angaben des Verbandes insbesondere Zeitarbeitsfirmen und Callcenter, weil Beschäftigte in diesen Branchen vergleichsweise selten Zugang zu Arbeitsmedizinern finden. Insgesamt aber sind sie mit der Aufgeschlossenheit der Beschäftigten und der meisten Arbeitgeber gegenüber der Arbeitsmedizin zufrieden.

Daran hat nach Einschätzung des Verbandspräsidenten Dr. Wolfgang Panter auch die Wirtschaftskrise nichts geändert. Er beobachtet, dass viele Arbeitgeber heute die Arbeitsmedizin als sinnvolle Investition betrachten, um ihre Beschäftigten langfristig gesund zu erhalten. Auch bei den Beschäftigten setzt sich nach Ansicht von VDBW-Präsidiumsmitglied Anette Wahl-Wachendorf die Erkenntnis durch, dass der Gang zum Betriebsarzt - durchschnittlich sucht ein Angestellter diesen alle zwei Jahre auf - Vorteile bringt. "Wir haben das Alleinstellungsmerkmal, dass wir die Beschäftigten regelmäßig sehen - auch solche, die den Weg zum Hausarzt sonst nicht finden", sagte Wahl-Wachendorf. Als besondere Herausforderung stufen die Betriebsärzte den zunehmenden Zeitdruck und die damit verbundene Arbeitsverdichtung und den Zwang zu schnellen Entscheidungen in den Firmen ein. Die Folge sind häufig arbeitsbedingte psychische und psychosomatische Erkrankungen. Der Verband will sich deshalb für Präventionsmaßnahmen zur Stärkung der psychischen Stabilität und für betriebliche Frühwarnsysteme einsetzen. Sich selbst sehen die Arbeitsmediziner dabei in der Rolle eines "Gesundheitsmanagers", der neben traditionellen betriebsärztlichen Aufgaben Themen wie Identifikation und Beurteilung psychischer und sozialer Belastungen, betriebliches Eingliederungsmanagement, Gesundheitsberatung und Konfliktmanagement in den Vordergrund stellt.


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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 11/2009 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2009/200911/h091104a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Strahlende Gesichter bei der Jahrestagung des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDVBW) in Lübeck - trotz einiger Probleme. Oben die docs@work-Gewinner Dr. Thomas Kötter und Dr. Janina Bogdanski, links daneben VDBW-Präsident Dr. Wolfgang Panter und Präsidiumsmitglied Dr. Anette Wahl-Wachendorf. Unten die gut besuchte Ausstellung in der Lübecker Musik- und Kongresshalle.


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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt November 2009
62. Jahrgang, Seite 30 - 31
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2009