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MELDUNG/163: Chile - Kampf der Mapuche um das Land ihrer Vorväter, Dokumentarfilm uraufgeführt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Oktober 2010

Chile: Kampf der Mapuche um das Land ihrer Vorväter - Dokumentarfilm uraufgeführt

Von Daniela Estrada


Santiago de Chile, 28 Oktober (IPS) - "Bilder sind machtvoll", sagt die Filmemacherin Elena Varela, die einen Dokumentarfilm über den Kampf der Mapuche um ihre Territorien gedreht hat. Und sie weiß, wovon sie spricht: Mitten bei den Dreharbeiten 2008 wurde sie aufgrund einer konstruierten Anklage verhaftet und ihr Filmmaterial beschlagnahmt. Seit einigen Monaten befindet sie sich wieder auf freiem Fuß, und ihr Film wurde Mitte Oktober in einer Preview-Version uraufgeführt.

"Die Polizei hat viel Filmmaterial beschlagnahmt und als ich es wiederbekam, war es unbrauchbar. Doch hat offenbar jedes Übel seine guten Seiten. So ist der Film viel aussagekräftiger geworden", sagt die chilenische Regisseurin über ihren Streifen "Newen Mapuche' (die Kraft der Menschen der Erde). Am 12. Oktober wurde er in Chiles Hauptstadt bei einer Preview im völlig überfüllten 'Centro Arte Alameda' gezeigt, wenige Tage später beim 17. Filmfestival in Valdivia (14. - 19. Oktober).


Brisantes Material und brisante Themen

Der Film widmet sich dem heiklen Thema der Rückforderungsansprüche des indigenen Volks der Mapuche auf ihre angestammten Territorien. Er beginnt 2007 und bringt Ausschnitte über das Leben und die politischen Aktionen der Indigenen in der südlichen Region Araukanien und lässt zahlreiche Indigenenvertreter zu Wort kommen.

Auch Interviews mit Mapuche-Häftlingen, die auf der Grundlage eines Anti-Terror-Gesetzes aus der Zeit der Diktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Brandstiftung, illegaler Landnahmen und anderer Delikte zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden, sind in dem Film enthalten.

Viele Mapuche-Gemeinschaften im Süden Chiles fordern das Land zurück, das ihnen der Staat Ende des 19. Jahrhunderts weggenommen hatte. Heute befinden sich die umstrittenen Gebiete mehrheitlich im Besitz privater Holzunternehmen. Die Mapuche halten die seit 1994 zurückgegebenen 660.000 Hektar Land für unzureichend. Einige Indigenen-Organisationen verlangen außerdem kollektive und kulturelle Rechte ein, die ihnen ein gewisses Maß an Autonomie gewähren.

Elena Varela unterstützt die Sache der Indigenen. Am 7. Mai 2008 wurde sie in Villarica in Araukanien unter dem Vorwurf verhaftet, zwei Diebstähle geplant zu haben, die eine Zelle der Linken Revolutionären Bewegung MIR in den Jahren 2004 und 2005 begangen haben soll. Während der Pinochet-Diktatur hatte die MIR mit Waffengewalt gegen das damalige Regime gekämpft.

Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung hatte Varela neben Newen Mapuche noch an einem weiteren Filmprojekt gearbeitet: den 'Sueños del Comandante' (Die Träume des Kommandanten). Darin geht es um Morde an Mitgliedern der MIR in Neltume, einem kleinen Ort in der südlichen Region Los Lagos, die von Handlangern der Diktatur begangen worden waren.

Im Verlauf des Prozesses beschlagnahmte die Polizei 300 Filme. Varela hat nach eigenen Angaben die Filme nicht vollständig zurückerhalten. Ein Großteil des beschlagnahmten Materials war zudem beschädigt. "Ich habe zwischen 300 und 500 Stunden Arbeit an meinen Dokumentarfilmen verloren", schätzt Varela, die noch überlegt, ob sie Regressansprüche stellen soll.


Sturmlauf der Medien gegen Beschlagnahme

Ihr Fall mobilisierte Radioproduzenten, Journalisten und bekannte Persönlichkeiten im In- und Ausland. Man habe Varelas Arbeiten benutzt, um sie als 'Beweise' in einem Fall vorzubringen, der jeder rechtlichen Grundlage entbehre, kritisiert Viviana Erpel, Präsidentin der Vereinigung der Dokumentarfilmschaffenden in Chile, ADOC. ADOC hatte 2008 gemeinsam mit anderen Menschenrechtsorganisationen die Interamerikanischen Menschenrechtskommission CIDH angerufen, sich für die Filmschaffende einzusetzen.

"Eine Vorgehensweise wie in Chile dürfte es in Demokratien nicht geben", unterstreicht Erpel. Die Audiovisuelle Plattform, ein Zusammenschluss mehrerer Organisationen, zu denen auch die ADOC gehört, hat 2008 einen Gesetzesvorschlag ins Parlament eingebracht, der das Berufsgeheimnis im Bereich der audiovisuellen Medienarbeit schützen soll.


Dokumentarfilm als Menschenrechtsarbeit

"Bilder sind machtvoll", erläutert die Regisseurin Varela die Rolle von Dokumentarfilmern beim Schutz der Menschenrechte. "Der Kampf des Mapuche-Volkes ist ein schwieriger und schmerzhafter Prozess." Varela verweist auf den mehr als 80-tägigen Hungerstreik von etwa 30 Mapuche-Gefangenen, der nach jüngsten Verhandlungsangeboten der Regierung zum größten Teil abgebrochen wurde. Bisher habe man die Mapuche mit kleinen Zugeständnissen abgespeist, kritisiert die Filmemacherin. "Dabei kämpfen sie nur um die Anerkennung ihrer Würde als Volk."

Der Film wird nun auf verschiedenen Festivals in Chile und Lateinamerika gezeigt werden, so etwa beim Festival de Cine in der Stadt Viña del Mar in Chile (15.-20. November), beim fünften. Internationalen Festival des Dokumentarfilms in Mexiko-Stadt (21.-31. Oktober) und bei der vierten Dokumentarfilmschau (18.-14. November) in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires.

Derzeit sucht die Regisseurin nach einer Finanzierung für die englische und französische Untertitelung ihres Films, für den Anfragen aus Belgien, Kanada, Frankreich und der Schweiz vorliegen. Auch in Spanien, Nicaragua und Venezuela soll der Film auf Festivals zu sehen sein.

Obwohl der Streifen bereits im Umlauf ist, will Varela an Newen Mapuche weiterarbeiten, einen 35-Millimeterfilm daraus machen und die Endfassung bis Februar fertigstellen. (Ende/IPS/beh/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2010