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GLEICHHEIT/6193: Streiks in Mexiko - Tausende Polizisten sollen Hauptstadt schützen


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Streiks in Mexiko: Tausende Polizisten sollen Hauptstadt schützen

Von Neil Hardt
7. Januar 2017


In Mexiko gingen am Donnerstag die Proteste gegen die Benzinpreiserhöhungen weiter, und die Polizei nahm landesweit bis zu 600 Demonstranten fest. Präsident Enrique Pena Nietos hatte zum Jahresbeginn die Benzinsubventionen drastisch gekürzt, ein Vorgang, der im Volksmund als Gasolinazo bezeichnet wird.

Bei den Auseinandersetzungen in einem armen Stadtteil von Mexiko-Stadt wurde ein Polizist getötet. Der Bürgermeister setzte 9000 Polizisten ein, um wirtschaftliche Zentren in der ganzen Stadt zu schützen.

Am Donnerstag wies einiges darauf hin, dass die zahlreichen örtlichen Arbeiterproteste in eine breitere Streikbewegung münden könnten. 14000 Bus-, Lastwagen- und Taxifahrer kündigten in dem ölproduzierenden Bundestaat Veracruz einen unbegrenzten Streik [1] an. Viele Fahrer ließen ihre Fahrzeuge einfach an der Straße stehen.

Die Arbeiter in Veracruz an der Atlantikküste schlossen sich Transportarbeitern in der pazifischen Küstenstadt Guadalajara an, die am Donnerstag in den Streik traten, obwohl es sich laut ersten Informationen um einen Teilstreik handelt. Gleichzeitig setzten LKW-Fahrer und Demonstranten die Blockade mehrerer großer Autobahnen, die die Großstädte im Landesinnern verbinden, und von Mautstationen fort.

Die Proteste wurden von Twitter-Nachrichten des designierten US-Präsidenten Donald Trump angefeuert. Dieser stellte die mexikanische Exportindustrie in die USA in Frage, als er drohte, Toyota für seinen Plan zu bestrafen, ein Autowerk in der mexikanischen Provinz Baja California zu bauen.

In Morelia demonstrierten [2] zweitausend Transportarbeiter und forderten den Rücktritt von Präsident Pena Nieto und die Rücknahme der Subventionskürzungen. Die Zeitung El Financiero warnte, es gebe "Anzeichen für einen Vollstreik im Transportwesen" in Michoacan. In Acapulco, im Bundesstaat Guerrero, umzingelten Taxifahrer Benzintransporter des Ölkonzerns Pemex. Sie zwangen sie zum Anhalten, und ein Taxifahrer nach dem anderen zapfte Benzin aus den Tankwagen ab. Als Soldaten das zu unterbinden versuchten, drohten die Taxifahrer, die Tankwagen anzuzünden. Daraufhin zogen sich die Soldaten zurück.

Die Gewerkschaften greifen ein, um zu verhindern, dass sich die Demonstrationen zu einem landesweiten Streik ausweiten. Die Gewerkschaftsbürokraten, die die jüngsten Streiks bekanntgaben, erklärten ausdrücklich, sie seien von Arbeitern dazu gezwungen worden, die gedroht hätten, "gewalttätig" zu werden.

Castelan Cruvelli, der Präsident der Transportarbeitergewerkschaft ASTRAVER von Veracruz, hat die Streikenden verurteilt, weil sie Streikbrecher bedroht hätten. Er bat die Regierung um Unterstützung: "Es ist noch nicht außer Kontrolle. Wir hoffen, dass ein Vermittler der Regierung einen Dialog mit uns aufnimmt, damit wir die Probleme wie gewohnt friedlich lösen können."

Alfredo Dam Ham, der Führer der Mexikanischen Transportarbeiterallianz (AMOTAC) versprach der Regierung, der Streik werde friedlich bleiben, und appellierte an die Fahrer, keine Straßen zu blockieren.

Der gesamte Herrschaftsapparat inklusive der Gewerkschaften, der bürgerlichen Presse, der Wirtschaft und der kapitalistischen Parteien fürchtet, dass die Gasolinazo-Proteste sich zu einer Bewegung von Millionen mexikanischer Arbeiter ausweiten könnten. Am Donnerstagabend nahm die Polizei bis zu 600 Demonstranten fest, als sich Unruhen und Plünderungen im ganzen Land ausbreiteten, und sogar schon Dreizehnjährige daran teilnahmen.

Der größte nationale Tankstellen-, Einzelhändler- und Kaufhausverband forderte die Regierung auf, Truppen zu schicken, um die Demonstrationen zu unterdrücken. Verbandspräsident Manuel Cardona Zapata sagte am Donnerstag im Fernsehen: "Die Bundesregierung muss eingreifen und notfalls das Militär schicken, denn die Lage ist außer Kontrolle geraten."

Nach Angaben Cardonas haben Plünderer in den letzten Tagen 250 Läden ausgeräumt, als sich die Proteste auf ganz Mexiko ausweiteten und auch die Bundesstaaten Mexiko, Michoacan, Hidalgo, Veracruz, Tabasco, Queretaro und Quintana Roo betrafen.

Der Bürgermeister von Mexiko-Stadt, Angel Mancera, Mitglied der Partei der Demokratischen Revolution (PRD), sagte, die Polizei sei geschickt worden, um "den freien Austausch von Ideen zu garantieren". Videos [3] zeigten am Donnerstag jedoch, dass die Polizisten im Bundesstaat Mexiko selbst Läden plünderten.

Zweifellos kam es zu Plünderungen, aber die sind geringfügig im Vergleich zu der Plünderung der Ölindustrie durch die Pena Nieto-Regierung. Die Ölindustrie war 1938 nach einem großen Streik der Ölarbeiter gegen die britischen Ölkonzerne verstaatlicht worden. Die Kürzung der Benzinsubventionen ist Teil des Plans der herrschenden Klasse, den staatlichen Ölkonzern Pemex zu privatisieren und den Ölreichtum des Landes in die Hände privater Konzerne zu legen.

Weiterhin blockieren [4] Taxi- und LKW-Fahrer mehrere ölverarbeitende Komplexe. Das führt nach Angaben von Pemex allmählich zu einer "kritischen Situation" in der Ölproduktion. Schwer bewaffnete Bereitschaftspolizei stellte sich zumindest an einer Stelle den Demonstranten entgegen und war in der Lage, eine Pemex-Anlage "zu befreien". Die Arbeiter zogen sich friedlich von den Barrikaden zurück, nachdem es zu einer spannungsgeladenen Konfrontation gekommen war.

Transportarbeiter und Demonstranten errichteten bei einer Anlage nahe der Grenzstadt Mexicali eine neue Blockade. Bundes- und Staatspolizei und Armee bewachen andere zentrale Anlagen. Pemex gab bekannt, dass die Blockaden zu erheblichem Benzinmangel in Baja California und Chihuahua führten.

Andres Manuel Lopez Obrador, der ehemalige Präsidentschaftskandidat und Führer der Bewegung für Nationale Erneuerung (Morena), warnte Donnerstagnachmittag in einem Video vor einem "Chaos", das die Demonstranten anrichten würden. Er behauptete, sie verfolgten eine "faschistische Strategie", und erklärte: "Wir wollen Ordnung in das Chaos bringen." Lopez Obrador riet, man solle auf eine gesetzliche Lösung des Konflikts um die Subventionskürzungen vertrauen. "Der Kongress vertritt das Volk", betonte Obrador.

Es wird erwartet, dass Morena und AMLO bei der Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr gut abschneiden werden. Viele Kommentatoren erwarten sogar einen Sieg Morenas, einer scheinbar "linken" populistischen bürgerlichen Partei, die in der mexikanischen Politik eine Schlüsselrolle spielt, indem sie Demonstrationen in die harmlosen Kanäle des mexikanischen Staats zurückführt und sie vom Klassenkampf ablenkt. Morena trug dazu bei, die Proteste gegen die Bildungsreform der Pena Nieto-Regierung zu ersticken. Sie schuf die Bedingungen dafür, dass die Regierung 2014 ihre Verantwortung für die Ermordung von 43 Lehramtsstudenten in Guerrero vertuschen konnte.

Die US-amerikanischen Medien schweigen die Proteste in Mexiko vollkommen tot, obwohl Millionen Mexikaner gegenwärtig nördlich der Grenze leben. Bis Donnerstagnachmittag hatten weder die New York Times, noch die Washington Post oder CNN, ABC, Fox, und CBS die Demonstrationen auf den ersten Seiten ihrer Online-Ausgaben erwähnt. Das ist kein Zufall. Die amerikanische herrschende Klasse fürchtet, dass eine Bewegung der Arbeiterklasse in Mexiko die Kämpfe von Arbeitern aller Nationalitäten in den Vereinigten Staaten befeuern könnte.


Anmerkungen:
[1] https://www.youtube.com/watch?v=1L_TFNt-0Jg
[2] https://www.youtube.com/watch?v=ulvJ0yXDoFg
[3] https://www.youtube.com/watch?v=Yr8AZUs6c3o
[4] https://www.youtube.com/watch?v=WAp5QhuVHRI

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Quelle:
World Socialist Web Site, 07.01.2017
Streiks in Mexiko: Tausende Polizisten sollen Hauptstadt schützen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2017

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