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GLEICHHEIT/5229: Stärkster Absturz amerikanischer Märkte seit sechs Monaten


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Stärkster Absturz amerikanischer Märkte seit sechs Monaten

Von Nick Beams
6. August 2014



Diese Woche stehen die Börsen weltweit im Zentrum der Aufmerksamkeit, nachdem die Wall Street vergangene Woche deutlich nachgegeben hat. In Finanzkreisen stellt sich immer deutlicher die Frage, ob das nur ein Ausrutscher war, oder ob die Finanzblase wieder zu platzen droht.

Der Rückgang der vergangenen Woche unterstreicht die Rolle, die Finanzparasitismus und Spekulation in der größten Volkswirtschaft der Welt spielen. Am Donnerstag stürzte der Dow Jones um 317 Punkte ab und am Freitag noch einmal um 69 Punkte.

Der unmittelbare Anlass für den Rückgang scheint die Furcht in Finanzkreisen zu sein, dass die amerikanische Zentralbank Federal Reserve dazu übergehen könnte, die Zinsen früher anzuheben, als bisher erwartet worden war. Ein weiterer Grund war ein Bericht, der steigende Arbeitskosten aufzeigte.

In den letzten sechs Jahren wurden die Finanzmärkte von der praktischen Null-Zins-Politik der Fed und ihrem Programm der "quantitativen Lockerung" gestützt, die zusammengenommen bis zu vier Billionen Dollar in die Finanzmärkte gepumpt haben. Börsenindices stiegen auf Rekordmarken, obwohl die Realwirtschaft nur geringe Wachstumsraten erzielte.

Während die Fed jetzt den Ankauf von Wertpapieren wie US-Staatsanleihen und Hypothekenpapieren zurückfährt, und man gemeinhin erwartet, dass das Programm im Oktober ausläuft, achten Banken und Finanzhäuser vermehrt darauf, wann die Zinsen zu steigen beginnen.

Die Finanzmärkte sind so sehr auf die Versorgung mit ultrabilligem Geld angewiesen, um hochprofitablen Handel zu betreiben, dass schon das leiseste Anzeichen dafür, dass die Zinsen früher als erwartet anziehen könnten, eine starke Reaktion provozieren kann.

Die Fed hat ihre Geschenke an die Banken und Finanzkonzerne damit begründet, dass eine "entgegenkommende" Zinspolitik notwendig sei, um die amerikanische Wirtschaft in Schwung zu bringen. Daher wird jeder Hinweis, die Fed könnte von einer Verbesserung der Wirtschaftsleistung ausgehen, als Anzeichen dafür aufgefasst, dass die Zinsen zu steigen beginnen. Die Sorge wächst, der Geldfluss könnte schwächer werden.

Am Mittwoch sandte der Offenmarkt-Ausschuss der Fed solche Signale aus. Die Formulierung in der Erklärung der Fed hatte sich leicht verändert, von: "Die Inflation liegt unterhalb des Zielkorridors des Ausschusses" in: "Die Inflation hat sich der längerfristigen Zielmarke des Ausschusses angenähert".

Zusammen mit der Nachricht, die US-Wirtschaft sei im zweiten Quartal um vier Prozent gewachsen (gegenüber einem Schrumpfen um 2,1 Prozent im ersten Quartal), wurde dies als Anzeichen dafür aufgefasst, dass die Zinsen sich nach oben bewegen könnten.

Ein anderer flüchtiger Hinweis war die abweichende Aussage des Fed-Präsidenten von Philadelphia, er stimme nicht mit der erklärten Absicht überein, die Zinsen auch nach Ende des Programms zum Ankauf von Wertpapieren noch längere Zeit niedrig zu halten. Das wurde als Anzeichen dafür verstanden, dass der Druck für einen Zinsanstieg zunimmt.

Hinzu kamen mehrere Berichte, dass die Arbeitskosten gestiegen seien. Dies wurde als weiterer Hinweis darauf verstanden, dass der Druck wächst und die Zinsen steigen könnten. Die US-Wirtschaft reagiert auf solche Veränderungen besonders empfindlich, denn die wichtigste Profitquelle für Nicht-Finanzkonzerne ist nicht mehr die Ausdehnung von Investitionen und Märkten, sondern die gnadenlose Streichung von Arbeitsplätzen und die Senkung der Reallöhne.

Am Freitag beruhigten sich die Märkte allerdings wieder, als der Bericht über die US-Wirtschaft klarstellte, dass es keine bedeutsame Erhöhung der Löhne gegeben habe. Die Märkte fühlten sich auch durch die Meldung ermutigt, dass die registrierten 209.000 neuen Arbeitsplätze unterhalb der Erwartungen der Ökonomen lägen.

Der Dow fiel zwar um weitere 69 Punkte, aber der Rückgang war geringer, als er gewesen wäre, hätten die Zahlen für die Zunahme der Arbeitsplätze und die Steigerung der Lohnerhöhungen tatsächlich eine Stärkung der Wirtschaft angezeigt. Zwar nahm die Zahl der Arbeitsplätze zu, aber auch die Arbeitslosenrate stieg von 6,1 auf 6,2 Prozent, weil Arbeiter, die aufgehört hatten, nach Arbeit zu suchen, diese Suche wieder aktiv aufnahmen. Im Juni war der Anteil der Arbeitskräfte, die eine Beschäftigung suchen, an der Bevölkerung auf den niedrigsten Stand seit 1978 gesunken.

Ein Anstieg der Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen von 2,50 auf nur 2,56 Prozent entlockte den Finanzmärkten einen weiteren Seufzer der Erleichterung, weil der Druck für Zinserhöhungen wohl doch nicht so stark war wie zuerst befürchtet. Bloomberg schrieb: "Die Zunahme der Arbeitslosigkeit und gedämpfte Lohnerhöhungen verringern die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed die geldpolitischen Stimuli schnell reduziert."

Die Tatsache, dass im Kern "gute Wirtschaftsnachrichten" negative Reaktionen der Finanzmärkte hervorrufen, ist Ausdruck des perversen Charakters der Wirtschaftsbeziehungen nach dem Finanzzusammenbruch von 2008.

Der Verkaufswelle auf den US-Märkten folgten Verkäufe auf europäischen und asiatischen Märkten. Am australischen Aktienmarkt wurden 2,1 Milliarden Dollar vernichtet. Das wird als "Weckruf" gewertet, der die "unheimliche Ruhe" beende, "die die Finanzmärkte in den letzten sechs Monaten geprägt hat", obwohl geopolitische Spannungen zugenommen haben.

Längerfristig könnten sich Turbulenzen an den Finanzmärkten daraus ergeben, dass die Politik der Fed und der Europäischen Zentralbank auseinanderdriften. Während die Fed auf Zinssteigerungen zusteuert, steht die EZB unter Druck, mehr Geld in das Finanzsystem zu pumpen, um eine drohende Deflation zu bekämpfen. Jüngste Zahlen zeigen, dass die Inflationsrate in der Eurozone nur noch 0,4 Prozent beträgt und die Wirtschaft in der Region stagniert.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 06.08.2014
Stärkster Absturz amerikanischer Märkte seit sechs Monaten
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2014