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GLEICHHEIT/5071: Gräueltaten in australischem Flüchtlingslager - Die Klassenfragen


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Gräueltaten in australischem Flüchtlingslager: Die Klassenfragen

Von Patrick O'Connor
20. März 2014



Die Niederschlagung der Proteste im australischen Flüchtlingslager auf Manus Island in Papua New Guinea (PNG) im vergangenen Monat ist eine scharfe Warnung vor den gewaltsamen, polizeistaatlichen Maßnahmen, die gegenwärtig von der herrschenden Klasse vorbereitet werden. Die brutalen Methoden, die gegen wehrlose und verzweifelte, um Asyl nachsuchende Menschen angewandt wurden, werden in Zukunft verstärkt gegen Arbeiter eingesetzt, wenn sie ihre grundlegenden Rechte verteidigen.

Eine offizielle Untersuchung der Vorgänge im Flüchtlingslager Manus ist derzeit im Gange. Zahlreiche Zeugenaussagen ermöglichen aber bereits jetzt eine verlässliche Rekonstruktion der Ereignisse vom 17. und 18. Februar. Nachdem zuvor der Sicherheitsdienst im Lager verstärkt worden war, organisierte die Leitung eine Massenversammlung der 1.300 Gefangenen, um ihnen zu eröffnen, dass sie niemals die Erlaubnis erhalten würden, sich in Australien oder einem dritten Land niederzulassen. Da die Regierung von PNG eine Umsiedlung ablehnt, blieb ihnen allein die Aussicht, dauerhaft im Lager Manus inhaftiert zu bleiben oder in die Länder zurückzukehren, aus den sie geflohen waren.

Es war nicht überraschend, dass die Versammlung in wütende Proteste mündete. Australische Sicherheitsbedienstete, die beim transnationalen, in Großbritannien ansässigen Sicherheitsriesen G4S angestellt sind, riefen die mobile, von Australien finanzierte PNG-Polizeitruppe hinzu, eine für ihre Gewalttätigkeit berüchtigte, paramilitärische Einheit. Die Polizei stürmte das Areal und feuerte mit scharfer Munition. Dabei wurde sie offensichtlich vom lokalen Sicherheitsdienst und von mit Macheten bewaffneten Schlägern unterstützt, die das Lager durchkämmten und Asylbewerber angriffen. Viele Gefangene wurden schwer verletzt, einer erlitt eine Schussverletzung. Reza Berati, ein 23-jähriger iranischer Kurde, der hoffte, in Australien als Architekt arbeiten zu können, starb, nachdem er Berichten zufolge Tritte gegen den Kopf erhalten hatte.Der Vorfall trägt eindeutig die Handschrift einer gezielten Provokation durch die australische Regierung. Sie verfolgt damit das Ziel, ihr gegen fundamentale demokratische Rechte und das Völkerrecht verstoßendes Regime einer zwingenden und zeitlich unbegrenzten Inhaftierung von Flüchtlingen abzusichern.

Der Todesfall und die Körperverletzungen sind Verbrechen, für die Premierminister Tony Abbott und Scott Morrison, Minister für Einwanderung und Grenzschutz, die Verantwortung tragen.

Morrison, der zunächst mit der unverschämten Lüge an die Öffentlichkeit getreten war, es sei im Internierungslagers nicht zu Gewalttätigkeiten gekommen, gab den Flüchtlingen die Schuld an ihrer Notlage. Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass auf weitere Proteste in gleicher Weise mit Gewalt reagiert werden soll. Der Vorfall soll auch der "Abschreckung" für andere dienen, die an ein Asyl in Australien denken. Abbott stellte sich hinter Morrison als "starken" Minister und erklärte, dass er für das Amt des Grenzschützers keinen "Schwächling" wolle.

Die Verantwortung für das Gefangenenlager auf Manus Island und für die ihm zugrunde liegende Politik der Einkerkerung von Flüchtlingen liegt beim gesamten politischen Establishment. Die vormalige, von den Grünen gestützte Laborregierung hatte das Internierungslager neuerlich im Jahre 2012 im Rahmen einer Reihe von Maßnahmen wieder eröffnet, die weit über das hinausgingen, was der frühere liberale Premierminister John Howard die "pazifische Lösung" nannte.

Die Regierung unter Abbott knüpfte dort an, wo Labor stehen geblieben war. Die Grünen versuchen, aus dem gewaltsamen Vorgehen auf Manus Island politisches Kapital zu schlagen, um sich als Gegner der Liberalen darzustellen. Ungeachtet dessen halten sie an der reaktionären Prämisse eines "Grenzenschutzregimes" fest, namentlich der Berechtigung und der Pflicht des kapitalistischen Staates, Gewalt anzuwenden, um die Bewegung von Menschen zwischen den Nationalstaaten einzuschränken und zu überwachen.

Die brutalen Methoden, die entwickelt wurden, um jeden Versuch zu unterbinden, die "Festung Australien" infrage zu stellen, sind Teil eines größeren polizeistaatlichen Mechanismus, mit dem soziale Unruhen und politische Opposition im Lande unterdrückt werden sollen. Die Abbott-Regierung erklärte den nationalen Notstand an unseren Grenzen". Dadurch konnte sie das Militär hinzuziehen und ein gesetzloses und verdecktes Regime der Unterdrückung von Protesten von Menschen durchsetzen, deren einziges "Verbrechen" darin besteht, vor Verfolgung zu fliehen. Dieselbe Behandlung werden in Australien selbst auch alle diejenigen erfahren, die eine Bedrohung für die ultrareiche Elite darstellen, insbesondere arbeitende Menschen.

Angesichts der globalen Wirtschaftskrise ist sich die herrschende Klasse sehr genau der Möglichkeit bewusst, dass Unruhen und Opposition unvermittelt ausbrechen können. Seit 2011 beginnt die Arbeiterklasse, Widerstand gegen die tiefen Einschnitte in ihren Lebensstandard zu leisten. Revolutionäre Erhebungen, Massenstreiks und Proteste entwickelten sich in vielen Ländern, darunter Ägypten und Griechenland.

Die australische Wirtschaft wird von dem weltweiten Abschwung inzwischen mit ganzen Kraft getroffen, nachdem sie zunächst durch den Boom beim Rohstoffexport noch in einigermaßen geschützt war. Im Anschluss an die von den Grünen gestützte Labor-Regierung organisiert die Regierung unter Abbott nun einen dramatischen Angriff auf die sozialen Bedingungen der Arbeiterklasse. Sie ist gemeinsam mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften dabei, ganze Bereiche der Industrie - allen voran der Autoindustrie - zu zerstören und so Hunderttausende von Arbeitsplätzen zu vernichten. Gleichzeitig bereitet sie weitreichende Kürzungen in den Bereichen öffentliches Gesundheitswesen, Bildung, Sozialhilfe und soziale Infrastruktur vor.

Eine Regierung nach der anderen führte Maßnahmen ein, die bereits zu einer tiefen Kluft zwischen Arm und Reich geführt haben. Die fünfzig reichsten Australier verfügen über ein geschätztes Vermögen von 102 Milliarden US-Dollar. Das sind 49 Prozent mehr als vor gerade einmal drei Jahren. Auf der anderen Seite leben zwei Millionen Menschen, das sind 12,8 Prozent der Bevölkerung, unterhalb der Armutsgrenze, wie aus einem jüngst veröffentlichten Bericht des Australian Council of Social Services hervorgeht.

Die herrschende Klasse und ihre politischen Vertreter wissen genau, dass die tiefe Klassenspaltung soziale Unruhen zur Folge haben wird und bereiten sich entsprechend vor. Unter der verlogenen Parole des "Kriegs gegen den Terror" haben die Labor Regierungen und die Liberalen in den vergangenen fünfzehn Jahren das juristische und organisatorische Gerüst für einen Polizeistaat geschaffen. Der Inlandsgeheimdienst, die Australian Security Intelligence Organisation (ASIO) wurde gestärkt und verfügt jetzt über die Befugnis, Inhaftierungen ohne Anklage und geheime Verhöre vorzunehmen. Die Vollmacht des Militärs im Bereitschaftsfall wurde erweitert, so dass dem Militär ein Einschreiten zur Unterdrückung von Unruhen erlaubt ist.

Auch die Arbeiterklasse muss sich vorbereiten. Die Klasseninteressen der australischen Arbeiter sind dieselben wie die aller Arbeiter, auch derjenigen, die vor Verfolgung, Gewalt und Armut flüchten. Die Arbeiterklasse muss die grundlegenden Rechte der auf Manus Island und in anderen Lagern in Nauru und innerhalb Australiens eingesperrten Flüchtlinge verteidigen. Dazu muss sie für das fundamentale Recht aller Menschen eintreten, überallhin zu reisen und mit vollen staatsbürgerlichen Rechten überall auf der Welt leben und arbeiten zu können.

Der Kampf für dieses Prinzip ist der entscheidende Punkt bei der Vereinigung und Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse im politischen Ringen um die Abschaffung des kapitalistischen Systems, das Arbeitern und jungen Menschen nichts zu bieten hat als weitere Angriffe auf demokratische Rechte, Militarismus, Krieg und wirtschaftliches Elend.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 20.03.2014
Gräueltaten in australischem Flüchtlingslager: Die Klassenfragen
http://www.wsws.org/de/articles/2014/03/20/refu-m20.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2014