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GLEICHHEIT/5005: Snowden bestätigt Zusammenarbeit von NSA und BND


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Snowden bestätigt Zusammenarbeit von NSA und BND

Von Patrick Martin und Christoph Dreier
28. Januar 2014



In einem Interview mit der ARD bestätigte Edward Snowden am Sonnabend, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) eng mit der amerikanischen NSA bei der Überwachung der Bevölkerung zusammenarbeitet. Zudem erklärte er, dass es "klare Drohungen" gegen sein Leben gebe. "Amerikanische Regierungsvertreter wollen mich tot sehen, sagte er.

Der ehemalige Mitarbeiter der National Security Agency (NSA), der dutzende illegale Überwachungs- und Spionageprogramme der NSA enthüllt hat, wurde in Moskau interviewt, wo ihm vorübergehend politisches Asyl gewährt worden ist.

In Bezug auf den BND machte Snowden unmissverständlich klar, dass der deutsche Geheimdienst über das Programm XKeyScore Zugang zu den Datenbanken der NSA habe. Über diese Datenbank seien sämtliche durch die NSA gespeicherten Daten abrufbar, so Snowden gegenüber Hubert Seipel vom NDR.

"Man könnte jede E-Mail auf der ganzen Welt lesen. Von jedem, von dem man die E-Mail-Adresse besitzt, man kann den Verkehr auf jeder Webseite beobachten, auf jedem Computer, jedes Laptop, das man ausfindig macht, kann man von Ort zu Ort über die ganze Welt verfolgen", sagte der Whistleblower. "Und jeder, der berechtigt ist, dieses Instrument zu benutzen oder mit dem die NSA ihre Software teilt, kann dasselbe tun."

Die Datensammlung der NSA umfasst dabei auch die deutsche Bevölkerung. "Millionen und Millionen und Millionen von Datenverbindungen aus dem täglichen Leben der Deutschen, ob sie mit ihrem Handy telefonieren, SMS Nachrichten senden, Webseiten besuchen, Dinge online kaufen - all das landet bei der NSA", sagte Snowden.

Diese Informationen sind hoch brisant. Bisher hatte der BND zwar zugegeben, das Programm XKeyScore zu nutzen, aber betont, dass er keine deutschen Bürger überwache oder gegen deutsche Gesetze verstoße.

Doch Snowden hat nicht nur aufgezeigt, dass der BND Zugang zu den Daten deutscher Bürger hat, sondern auch angedeutet, dass er diese selbst sammelt. "Wenn sie sagen, sie spionieren keine Deutschen absichtlich aus, dann meinen sie also nicht, dass sie keine deutschen Daten sammeln, sie meinen nicht, dass keine Aufzeichnungen gemacht oder gestohlen werden. Ein Versprechen, bei dem man die Finger hinter seinem Rücken kreuzt, darauf kann man sich nicht verlassen."

Weitere Dokumente, die Licht in die Praxis der deutschen Geheimdienste bringen könnten, liegen derzeit bei verschiedenen Zeitungen und werden möglicherweise bald veröffentlicht. Snowden selbst darf derzeit keine neuen Informationen preisgeben, da er sonst seinen Asylstatus in Russland verlieren würde.

Snowden ging in dem Interview auch auf die Kampagne ein, die von Medien und Politik in den USA gegen ihn geführt wird. Offen sprach er über Morddrohungen von Seiten der Regierung. "Diese Leute - und das sind Regierungsbeamte - haben gesagt, sie würden mir nur zu gern eine Kugel in den Kopf jagen oder mich vergiften, wenn ich aus dem Supermarkt zurückkomme, und zusehen, wie ich dann unter in der Dusche sterbe.", sagte er.

Snowden bezog sich auf das Szenarium, das ein anonymer Offizier auf der Website Buzzfeed ausgebreitet hatte. "Ich glaube, wenn wir die Chance bekämen, dann könnten wir das sehr schnell erledigen", sagte der Offizier. "Man bräuchte nur ganz beiläufig in Moskau über die Straße schlendern... ganz im Vorübergehen würde er von einem Passanten angerempelt... Er ginge nichts ahnend nach Hause und als nächstes würde er in der Dusche sterben."

Ein anonymer NSA-Analyst wurde auf Buzzfeed folgendermaßen zitiert: "In einer Welt, in der man mich nicht hindern würde, einen Amerikaner zu töten, würde ich ihn persönlich umbringen."

Diese von dem NSA-Vertreter herbeigesehnte "Welt" existiert bereits. Die pseudo-verfassungsmäßige Doktrin der Obama-Regierung spricht dem Präsidenten die unbeschränkte und nicht anfechtbare Vollmacht zu, einen amerikanischen Bürger ohne Gerichtsverhandlung töten zu lassen. Besagte Doktrin ist 2011 an dem islamischen Fundamentalisten Anwar al-Awlaki bereits exerziert worden.

In dem Interview wies Snowden die Forderung von Präsident Obama und anderen US-Vertretern zurück, er solle in die Vereinigten Staaten zurückkehren und sich vor Gericht verantworten. Unter anderem werden ihm Verletzungen des Spionagegesetzes von 1917 angelastet, die mit dem Tode bestraft werden können. Weil seine Enthüllungen einen illegalen Polizeistaat offenbaren, könne er nichts anderes als einen Schauprozess erwarten, in dem ihm jede effektive Verteidigung verwehrt würde. Dokumente, die seine Sicht der Dinge belegten, würden als "geheim" eingestuft und von der Beweisführung ausgeschlossen. Er würde daran gehindert werden, an die demokratischen Überzeugungen der Jury-Mitglieder zu appellieren.

Snowden erklärte der ARD, dass er trotz der Drohungen gegen sein Leben nicht bedauere, die systematische Überwachung praktisch der gesamten Weltbevölkerung durch die NSA ans Licht gebracht zu haben. "Ich lebe noch und schlafe auch gut, weil ich das Richtige getan habe", sagte er. "Es gibt deutliche Drohungen, aber ich schlafe sehr gut."

Fragen über das Ausspionieren deutscher Regierungsmitglieder durch die NSA, beantwortete Snowden mit Verweis auf spätere Veröffentlichungen nicht. Allerdings gab er doch einen deutlichen Hinweis.

"Was ich sagen kann, ist, dass wir wissen, dass Angela Merkel von der NSA überwacht wurde", sagte Snowden. "Die Frage ist, wie logisch ist es anzunehmen, dass sie das einzige Regierungsmitglied ist, das überwacht wurde."

"Ich würde sagen, es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass jemand, der sich um Absichten der deutschen Regierung sorgt, nur Merkel überwacht und nicht ihre Berater, keine anderen bekannten Regierungsmitglieder, keine Minister oder sogar Angehörige kommunaler Regierungen."

In einem veröffentlichten Vorinterview erklärte der Interviewer der ARD, Seipel, dass Snowdens einzige "Lebensversicherung" das Material sei, dass er Journalisten mehrerer Zeitungen anvertraut hat, darunter der Washington Post, der New York Times und dem Guardian. Dieses Material wird in regelmäßigen Intervallen veröffentlicht. Es gehe um insgesamt bis zu 1,7 Millionen Dokumente, sagte er. Nur ein sehr geringer Teil davon sei bisher veröffentlicht worden.

Seipel fügte hinzu, dass das Interview mit drei Kameras und einem Mikrofon durchgeführt und mittels verschlüsselter Telefonate und anderer "Sicherheitsmaßnahmen" vorbereitet worden sei, um Snowdens Sicherheit zu gewährleisten. Das Gespräch habe am Donnerstag stattgefunden, so Seipel.

Noch vor dem Interview reagierte Sowdens russischer Anwalt Anatoli Kucherena auf den Buzzfeed-Bericht mit der Forderung an die amerikanischen Behörden, die Urheber der Drohungen zu ermitteln. Zusätzlich forderte Kucherena Reporter auf, ihre Quellen zu benennen, wenn ihnen Todesdrohungen zu Ohren kämen.

Snowden bestätigte in dem ARD-Interview auch, dass die NSA deutsche Firmen bespitzele, um amerikanischen Konzernen zu helfen. Ausdrücklich wurde Siemens als Ziel von Ausspähungen genannt. "Wenn es bei Siemens Informationen gibt, von denen sie meinen, dass sie für die nationalen Interessen von Vorteil sind, nicht aber für die nationale Sicherheit der USA, werden sie der Information hinterherjagen und sie bekommen", sagte Snowden.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 28.01.2014
Snowden bestätigt Zusammenarbeit von NSA und BND
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2014