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GLEICHHEIT/4704: China stellt japanische Souveränität über Okinawa in Frage


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

China stellt japanische Souveränität über Okinawa in Frage

Von John Chan
23. Mai 2013



Die chinesische, staatseigene Zeitung People's Daily [Volkszeitung] veröffentlichte am 8. Mai einen Artikel, in dem implizit chinesische Ansprüche auf Okinawa geltend gemacht werden. Dieser Schritt wird die diplomatischen und militärischen Spannungen in Ostasien anheizen. Okinawa ist eine Insel im Pazifik, die seit langem zu Japan gehört und auf der sich wichtige US-Militärbasen befinden.

China führt bereits einen heftigen Streit über Japans Maßnahmen, mit der es sich die nahe gelegenen Senkaku/Diaoyu-Inseln aneignen will, die unmittelbar an wichtigen Schifffahrtsrouten und unterseeischen Energieressourcen gelegen sind.

Die Volkszeitung ist das Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und die beiden Autoren des Artikels, Zhang Haipeng und Li Guoqiang, sind Wissenschaftler an der offiziellen Akademie chinesischer Wissenschaften. Sie bezogen sich auf Okinawa als "Ryūkyū" - das ist der Name der Insel-Kette, von denen Okinawa ein Teil ist und der Name Okinawas, bevor es von Japan im späten 19. Jahrhundert annektiert wurde - und beschrieben sie als "Vasallenstaat" der kaiserlichen Ming- und Qing-Dynastien in China.

Zhang und Li argumentierten, dass die nach dem Krieg getroffenen, diplomatischen Abkommen der Alliierten Japan seiner Vorkriegs-Kolonien beraubt und sein Territorium auf den japanischen Archipel beschränkt hätten. Sie bestanden darauf, dass die Rückgabe sowohl von Okinawa als auch der Senkaku/Diaoyu Inseln an Japan durch die USA im Jahr 1972 diese Vereinbarungen verletzte. Sie schrieben, dass "endlich die Zeit gekommen ist, das ungelöste Problem der Ryūkyū zu überdenken."

Die japanische Regierung von Ministerpräsident Shinzo Abe reagierte wütend. Chefkabinettsekretär Yoshihide Suga reagierte am Tag der Veröffentlichung des Artikels mit der Erklärung, dass Tokio "ernsten Protest eingelegt hat, dass wir auf keinen Fall den fraglichen Artikel akzeptieren, falls er die Haltung der chinesischen Regierung widerspiegelt". Er bestand darauf, dass es "außer Frage" stehe, dass Okinawa japanisches Territorium ist.

Die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Hua Chunyung, wies Japans Protest jedoch zurück und behauptete, dass die "die akademischen Artikel der Wissenschaftler die Beachtung und Forschungsergebnisse, die Chinas Bevölkerung und akademische Welt den Diaoyu Inseln und den damit verbundenen historischen Probleme widmete, wiedergeben."

Peking ausdrückliche Verteidigung dieser Akademiker macht deutlich, dass ihr Artikel Teil einer breiteren Kampagne ist, mit der chinesische Territorialforderungen im Ostchinesischen Meer durchgesetzt werden sollen. Hua ließ durchblicken, Peking habe vor, das Thema Okinawa zu benutzen, um wegen der Senkaku/Diaoyu Inseln Druck auf Tokio auszuüben. Er sagte, dass die Inseln "Chinas ureigenes Territorium und noch nie ein Teil der Ryūkyū-Inseln oder von Okinawa gewesen sind." Die Diaoyu/Senkaku Inseln werden derzeit von Japan durch die Präfektur Okinawa verwaltet.

Li, einer der Autoren des Volkszeitung Artikels, sagte in den Medien: "Wir haben die Tatsachen dargelegt und teilen so der japanischen Regierung mit, dass sie, solange es Unklarheiten zu den Ryūkyūs-Inseln gibt, noch nicht einmal anfangen können, über die Diaoyu Inseln zu reden."

Die Frage der Loslösung Ryūkyūs von Japan war bisher nur in ultra-nationalistischen akademischen Kreisen in China diskutiert worden. Bis zur letzten Woche war sie noch nicht offiziell aufgegriffen worden.

Solche extrem rechten Ansichten jedoch werden heute als "Mainstream" in China gefördert. Die Global Times skizzierte einen "Drei-Schritte"-Aktionsplan, dem zufolge China, falls Tokio zu keinen Zugeständnissen bezüglich der Diaoyu-Inseln bereit sei, "grundlegende Anstrengungen" unternehmen müsse, um separatistische Elemente zu unterstützen, "die ihr Land", die Ryūkyūs Inseln "wieder herstellen wollen". Sie bestand darauf, dass Chinas "Schirmherrschaft" über das Königreich Ryūkyū als Vasallenstaat vor der japanischen Kolonisation im Jahr 1879 eine "unbestreitbare Tatsache" aus dem 14. bis 19. Jahrhundert sei.

Ein reaktionärer chinesischer General, Luo Yuan, erklärte öffentlich, dass die Ryūkyūs Inseln "absolut nicht zu Japan gehören", sondern zu China.

Das Argument, dass Okinawa ein Teil von China ist, weil es einmal ein Vasallenstaat der mittelalterlichen chinesischen Kaiser war, ist eine reaktionäre Position. Es wird nur das nationalistische Klima in China und Japan verstärken. Es spielt den chauvinistischen Stimmungen, die von den Regierungen in Peking und Tokio gefördert werden, in die Hände und verhindert die Entwicklung eines gemeinsamen Kampfes des gesamten internationalen Proletariats gegen die steigende Gefahr eines Krieges in der Region.

Bezeichnenderweise sind die chinesischen Ansprüche auf Okinawa, die auf der Geschichte des chinesischen Reiches basieren, in früheren Zeiten von dem rechtsextremen chinesischen nationalistischen Regime Tschiang Kai-scheks ins Spiel gebracht worden.

In der Nachkriegszeit forderte Mao Zedongs stalinistische Kommunistische Partei Chinas eine sogenannte "nationale Befreiung" der Ryūkyūs, um die USA, die die Inselkette im kalten Krieg in einen Stützpunkt mit bestückt mit Atomwaffen verwandelt hatte, unter Druck zu setzen. Mit zweiunddreißig US-Basen, die zwei Drittel aller amerikanischen Streitkräfte in Japan beherbergen, bleibt Okinawa der physikalische Dreh-und Angelpunkt des US-japanischen Bündnisses angesichts von Washingtons "Schwerpunktverlagerung auf Asien", die gegen China gerichtet ist.

Im Jahr 1972 gab die Nixon-Administration Okinawa und die Senkaku/Diaoyu Inseln, die unter amerikanischer Kontrolle standen, an die japanische Regierung zurück. Mao, der gerade wieder Beziehungen zum US-Imperialismus hergestellt hatte, beschloss, eine Eskalation des Konflikts mit Japan zu vermeiden, weil sein Hauptziel war, China wieder in die imperialistische Weltordnung zu integrieren. Dies ebnete den Weg für die Restauration des Kapitalismus unter seinem Nachfolger Deng Xiaoping, nachdem dieser im Jahr 1978 an die Macht gekommen war.

Erst Ende der 1990er Jahre, als es äußerst dringend Öl benötigte und besorgt über die Einkreisung durch das US-Militär im westlichen Pazifik war, erhob Peking Ansprüche auf die die Diaoyu-Inseln.

Es scheint so, als halte Peking Okinawa für eine "empfindliche Stelle" Tokios, mit der es Druck ausüben könne. Die Artikel der Volkszeitung erschien kurz nachdem der japanische Premierminister Abe am 28. April, dem Tag, an dem vor einundsechzig Jahren die US-Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg endete, seinen "Restaurierungstag für die Souveränität abgehalten hatte. (Siehe Japanese government promotes "Sovereignty Restoration Day" [1]) Gegen Abes Förderung des rechtsextremen japanischen Nationalismus, bei dem Okinawa im Vordergrund steht, sind in Japan Proteste ausgebrochen. Der Gouverneur der Präfektur, Hirokazu Nakaima, überging die Feier des "Souveränitäts"-Tages und Mitglieder des Kommunalparlaments inszenierten in der Stadt Ginowan auf Okinawa ebenfalls Protestaktionen, als "Tag der Demütigung".

Okinawa musste während der letzten Kämpfe im Pazifik-Krieg große Opfer unter der Zivilbevölkerung hinnehmen, zumal die japanische Armee im Angesicht der Niederlage Zivilisten zwang, Massenselbstmord zu begehen. Es gibt in großen Teilen der Bevölkerung auf Okinawa anhaltenden Widerstand gegen die nach den Bedingungen des US-japanischen Sicherheitsabkommens groß angelegte Stationierung amerikanischer Streitkräfte auf der Insel. US-Truppen, die nicht dem japanischen Recht unterstehen, hatten mit sexuellen Übergriffen und Morden an Einwohnern Okinawas wiederholt den Zorn der Bevölkerung erregt.

Mit dem Versuch, separatistische Stimmungen bezüglich Okinawas zu fördern, spielt Peking mit dem Feuer. Die Volkszeitung setzt auf ähnliche Argumente wie die Westmächte sie einsetzen, um separatistische Minderheitstendenzen in China, wie in Tibet, zu unterstützen. Mit sechsundfünfzig ethnischen Minderheiten, die über weite Gebiete verteilt sind, ist China für Destabilisierung und separatistische Agitation weitaus anfälliger als Japan.

Bei jedem Konflikt zwischen den USA und China im West-Pazifik würde es in erster Linie um Okinawa gehen. Am Dienstag behauptete das japanische Verteidigungsministerium, man habe zwei "unbekannte" fremde Atom-U-Boote vor den Toren japanischen Hoheitsgewässer südlich der Kumeijima Insel in Okinawa entdeckt.

Verteidigungsminister Itsunori Onodera sagte zu Reportern, er sei bereit zu drastischen Maßnahmen, möglicherweise auch - nach "dem Erhalt einer Genehmigung" durch Premierminister Abe - zu einem Angriff, wenn sie in japanische Gewässer eindrängen. Die japanischen Medien spekulierten, dass es sich bei den beiden U-Booten um chinesische handelte, die den US-Atom-Flugzeugträger USS Nimitz beschatteten, der nach Südkorea unterwegs ist, um an neuen gemeinsamen Manövern teilzunehmen.

Anmerkung:
[1] Japanese government promotes "Sovereignty Restoration Day"
http://www.wsws.org/en/articles/2013/05/16/japa-m16.html

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Quelle:
World Socialist Web Site, 23.05.2013
China stellt japanische Souveränität über Okinawa in Frage
http://www.wsws.org/de/articles/2013/05/23/okna-m23.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2013