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GLEICHHEIT/4265: Ägyptische Junta errichtet Militärdiktatur


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Ägyptische Junta errichtet Militärdiktatur

Von Johannes Stern
20. Juni 2012



Der ägyptische Oberste Militärrat (Surpreme Council of the Armed Forces, SCAF) hat am Sonntagabend mit einem Verfassungserlass den Putsch vollendet, den er letzte Woche begonnen hatte, und eine Militärdiktatur errichtet.

Nur zwei Tage vor der Stichwahl um die ägyptische Präsidentschaft löste die Junta, die von den USA unterstützt wird, das von Islamisten dominierte Parlament und die verfassungsgebende Versammlung auf, die die Aufgabe hatte, eine neue Verfassung zu erarbeiten.

Der Verfassungserlass ist ein Zusatzartikel zu der Verfassungserklärung vom 30. März 2011, die vom Militär entworfen wurde. Mit ihm kontrolliert der Militärrat jetzt das gesamte politische Geschehen Ägyptens.

Artikel 56 des Erlasses überträgt, bis ein neues Parlament gewählt ist, alle Haushalts und Gesetzgebungsbefugnisse an die Junta. Artikel 60B erlaubt es den Generälen, die Zusammensetzung der verfassungsgebenden Versammlung zu bestimmen und den Entwurf einer neuen Verfassung zu kontrollieren.

Artikel 53 weitet den wirtschaftlichen und politischen Einfluss des Militärs noch mehr aus. Er verfügt, dass der Militärrat über dem Gesetz steht, und festigt die Kontrolle des Militärs über alle künftigen Regierungen und auch über den Präsidenten.

Er führt aus, dass "die amtierenden Mitglieder des SCAF für alle Entscheidungen in Fragen der Streitkräfte verantwortlich sind, darunter die Ernennung ihrer Kommandanten und die Verlängerung ihrer Amtszeiten. Der derzeitige Vorsitzende des SCAF wird als Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Verteidigungsminister agieren, bis eine neue Verfassung angenommen ist."

Artikel 53/1 erklärt, "der Präsident kann nur mit Genehmigung des SCAF eine Kriegserklärung aussprechen."

Unter diesen Bedingungen hat das Ergebnis der Stichwahl zwischen Ahmed Schafik, dem letzten Premierminister unter dem gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak, und Mohammed Mursi, dem islamistischen Kandidaten der Moslembrüder (MB) nur wenig Bedeutung. Der künftige Präsident wird nichts anderes sein als ein Sprachrohr des SCAF.

Der Erlass wurde am Sonntag zwanzig Minuten nach der Schließung der Wahllokale verkündet. Die Wahlen fanden vor einer militärischen Drohkulisse statt. Über den Wahllokalen kreisten Militärhubschrauber. Die Wahlen waren geprägt von Betrug und zahlreichen Verstößen. Am Montag erklärten beide Parteien ihren Kandidaten mit 52 Prozent der Stimmen zum Sieger.

Al-Ahram Online und die meisten anderen ägyptischen Medien meldeten, dass Mursi in Führung läge. Das offizielle Ergebnis wird am Donnerstag bekanntgegeben.

Arbeiter und Jugendliche reagierten mit massiver Wahlenthaltung auf die erste Wahl seit dem revolutionären Sturz des langjährigen Diktators Mubarak. Beide Kandidaten sind rechte Vertreter der herrschenden Elite Ägyptens, stehen der Revolution feindselig gegenüber und sind in der Arbeiterklasse allgemein verhasst.

Die gelenkte Wahl, der Militärputsch und die Verfassungsänderung haben den "demokratischen Übergang," von dem die herrschende Elite Ägyptens und ihre imperialistischen Verbündeten in den USA und Europa sprechen, als zynischen Betrug entlarvt. Diese Entwicklungen haben auch den politischen Bankrott aller offiziellen Parteien in Ägypten enthüllt - der Islamisten, Liberalen und kleinbürgerlichen "Linken", die erklärten, die Demokratie ließe sich unter dem Stiefel der Junta aufbauen.

Die Junta hatte niemals vor, einen "demokratischen Übergang" zu organisieren, sondern sie wollte die Macht und den Reichtum der herrschenden Elite Ägyptens schützen, an erster Stelle die gesellschaftlichen Privilegien der Generäle selbst. Seit dem Sturz der amerikanischen Marionette Mubarak durch die Revolution war es das Ziel des SCAF, den bürgerlichen Staat und die imperialistische Vorherrschaft in Ägypten und der ganzen Region gegen die Bedrohung durch Streiks und Proteste der Arbeiterklasse zu verteidigen.

Durch den Putsch und die Verfassungszusätze versuchen die Generäle, einen erneuten Kampf der Arbeiterklasse, der treibenden Kraft hinter der ägyptischen Revolution, zu verhindern oder zu unterdrücken.

Artikel 53b des Erlasses erlaubt es dem Militär, zu intervenieren und jeden Massenprotest niederzuschlagen, der die Autorität der Generäle gefährdet: "Wenn das Land mit inneren Unruhen konfrontiert ist, die ein Eingreifen der Streitkräfte nötig machen, kann der Präsident - mit Genehmigung des SCAF - entscheiden, die Streitkräfte einzusetzen, um die Sicherheit zu gewährleisten und öffentliches Eigentum zu schützen.

Einen Tag vor dem Putsch veröffentlichte der SCAF einen Erlass, der es Militär und Polizei erlaubt, jeden zu verhaften, der "die Regierung schädigt", "Eigentum zerstört" sich "Befehlen widersetzt" oder "den Verkehr blockiert."

Der US-Imperialismus, der Hauptunterstützer und Sponsor der Militärjunta, steht ganz klar hinter der Errichtung einer offenen Militärherrschaft in Ägypten. Laut AFP hat US-Verteidigungsminister Leon Panetta den Vorsitzenden des Militärrates, Feldmarschall Mohamed Hussein Tantawi, einen Tag nach dem Putsch angerufen.

Laut einer Aussage des Pentagons diskutierte Panetta dabei "aktuelle Ereignisse in Ägypten", und betonte die Notwendigkeit, "zügig mit dem Übergang weiterzumachen und schnellstmöglich neue Parlamentswahlen anzusetzen."

Tantawi seinerseits "bekräftigte" nochmals die Absicht der Junta, "freie und gerechte Präsidentschaftswahlen nach Plan durchzuführen und bis zum 1. Juli die Macht auf eine demokratisch gewählte Regierung zu übertragen." Laut der Stellungnahme waren sich beide einig über "die Bedeutung der strategischen Beziehung zwischen den USA und Ägypten", und Panetta erklärte, er "freue sich darauf, mit der neugewählten Regierung im gemeinsamen Interesse zusammenzuarbeiten."

Am Montag erklärte Pentagon-Sprecher George Little vor der Presse, die USA seien "tief besorgt über die neuen Zusatzartikel zur Verfassungserklärung und auch über den Zeitpunkt ihrer Verkündung unmittelbar nach Schließung der Wahllokale am Wahltag."

Littles Aussage ist eine zynische Ausrede. Dass Panetta am gleichen Tag noch mit Tantawi sprach, zeigt, dass die USA die konterrevolutionäre Offensive des SCAF so fest unterstützen wie zuvor das Regime von Mubarak in den ersten Tagen der Revolution, als es mit tödlicher Gewalt gegen Proteste der Arbeiterklasse vorging.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 20.06.2012
Ägyptische Junta errichtet Militärdiktatur
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2012