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GLEICHHEIT/4263: Französische Parlamentswahl - Absolute Mehrheit für Sozialistische Partei


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Französische Parlamentswahl:
Absolute Mehrheit für Sozialistische Partei

Von Antoine Lerougetel
19. Juni 2012



In der zweiten Runde der Parlamentswahl errang die wirtschaftsfreundliche Sozialistische Partei Frankreichs (PS) des frisch gewählten Präsidenten François Hollande die absolute Mehrheit.

Mit vermutlich 312 bis 326 Sitzen in der 577-köpfigen Nationalversammlung erzielte die PS deutlich mehr als die für die absolute Mehrheit notwendigen 289 Sitze. Hollande hat damit die angestrebte Mehrheit im Parlament, die er braucht, um ohne Kompromissverhandlungen mit anderen Parteien handeln zu können. Die PS regiert auch fast alle französischen Regionen und hat zudem die Mehrheit im Senat.

Mit 56 Prozent war die Wahlbeteiligung die schwächste bei Parlamentswahlen seit der Gründung der Fünften Republik 1958.

Die mit der PS verbündeten Grünen werden wohl zwanzig Sitze gewinnen. Sie werden damit Fraktionsstärke erreichen und Zugang zu staatlicher Finanzierung bekommen.

Die konservative UMP des geschlagenen Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy wird auf 206 bis 230 Abgeordnete kommen. Viele wichtige UMP-Politiker haben ihre Mandate verloren: Dazu gehören Claude Guéant, Ex-Innenminister und Hardliner in der Sicherheits- und Einwanderungspolitik, Michelle Alliot-Marie, Ex-Verteidigungsministerin, und auch Nadine Morano, Mitglied der Volksrechten, einer rechten Fraktion der UMP, die sich in der Stichwahl den Neofaschisten von der Nationalen Front (FN) anbiederte.

In dieser zweiten Wahlrunde gab es überhaupt mehrere Arrangements von Kandidaten der UMP und der FN gegen konkurrierende PS-Kandidaten, obwohl die UMP diese Praxis offiziell untersagt hatte. François Fillon, Sarkozys Ex-Regierungschef, der zurzeit gerne die UMP-Führung übernehmen möchte, erteilte Morano nur einen milden Rüffel.

Zum ersten Mal seit 1986 wird der Front National wieder drei oder vier Abgeordnete in die Nationalversammlung entsenden. In ganz Frankreich hatten sich 61 FN-Kandidaten für die zweite Runde qualifiziert.

FN-Präsidentin Marine Le Pen verpasste den Sieg im Wahlkreis Hénin-Beaumont gegen den PS-Bürgermeister Philippe Kémel nur knapp. Der Wahlkreis liegt in einem verarmten ehemaligen Bergbaugebiet. PS-Vertreter in dem Wahlkreis wurden der Unterschlagung beschuldigt.

Marine Le Pens 22-jährige Nichte, Marion Maréchal-Le Pen, wurde in der UMP-Hochburg Carpentras ins Parlament gewählt.

Für die Linksfront, eine Koalition aus der stalinistischen KPF und der Linkspartei (PG, kleine PS-Abspaltung) von Jean-Luc Mélenchon, war die Wahl ein weiterer Rückschlag. Sie wird in der Nationalversammlung nur dreizehn Sitze erhalten. Das sind weniger als die zwanzig Sitze, welche die KPF 2007 erhielt, und weniger als die für den Fraktionsstatus erforderlichen fünfzehn Sitze. Das entzieht der KPF beträchtliche Finanzmittel.

Die Linksfront rief nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl dazu auf, Hollande bedingungslos zu unterstützen, und machte dadurch klar, dass sie keine Alternative zu dem wirtschaftsfreundlichen Programm der SP darstellt.

Mélenchon fiel schon in der ersten Runde der Parlamentswahl im Wahlkreis Hénin-Beaumont gegen Marine Le Pen aus dem Rennen. Mélenchon wird sein Mandat als Mitglied des Europaparlaments bis zum Ende der Legislaturperiode beibehalten.

PS-Vertreter haben die Möglichkeit angedeutet, vielleicht zwei KPF-Abgeordnete in die Regierung aufzunehmen.

Die KPF ist in dieser Frage gespalten, weil die Mitarbeit in einer Regierung Hollande den betrügerischen Charakter ihrer Kritik an Hollande entlarven würde. Die KPF kritisiert Hollandes Unterstützung für den EU-Fiskalpakt, der in der ganzen Eurozone harte Sparmaßnahmen zur Folge haben wird. Seit Jahrzehnten nimmt die KPF an Koalitionsregierungen und Bündnissen mit der PS teil und beteiligt sich an Sozialkürzungen und der Privatisierung von Staatsunternehmen.

Ségolène Royal, die PS-Präsidentschaftskandidatin von 2007, schaffte den Sprung ins Parlament nicht. Gegen sie kandidierte in La Rochelle der örtlichen PS-Kandidat, der sich weigerte, zu ihren Gunsten zurückzutreten, und als Unabhängiger ins Rennen ging.

Hollande macht klar, dass er beabsichtigt, nach dieser Wahl seine geballte Exekutivmacht zum Nutzen der Banken einzusetzen. Er plant, das französische Haushaltsdefizit bis 2013 auf drei Prozent des BIP und bis 2017 auf Null zu drücken. Dafür wird er der Arbeiterklasse umfangreiche Sparmaßnahmen aufzwingen müssen.

Seine Pläne für die Arbeiter in Frankreich sind einem Interview vom Mittwoch mit dem griechischen Sender Magma TV zu entnehmen. Hollande ging kommentarlos darüber hinweg, dass die Sparmaßnahmen der Europäischen Union, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) die Arbeitslosigkeit in Griechenland auf 25 Prozent und die Jugendarbeitslosigkeit auf fünfzig Prozent hochgetrieben haben. Er drohte: "Sollte der Eindruck entstehen, dass die Griechen von ihren Verpflichtungen abweichen und die Perspektive einer Gesundung ihrer Finanzen aufgeben wollen, dann wird es Länder geben, die es vorziehen, wenn Griechenland aus der Eurozone ausscheidet."

Hollandes Interims-Premierminister machte vergangenen Mittwoch klar, dass harte Opfer unvermeidlich seien. Die Lage sei "schwierig (...) und härter, als wir dachten". Die Regierung bereitet sich für den 17. Juli auf eine "Sozialkonferenz" vor, auf der sie gemeinsam mit Unternehmerverbänden und Gewerkschaftsbürokraten die Sozial- und Wirtschaftspolitik diskutieren wird.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 19.06.2012
Französische Parlamentswahl:
Absolute Mehrheit für Sozialistische Partei
http://www.wsws.org/de/2012/jun2012/spf-j19.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2012