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GLEICHHEIT/4223: SYRIZA-Führer Tsipras versichert auf Europatour, Bankschulden zurückzuzahlen


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

SYRIZA-Führer Tsipras versichert auf Europatour, Bankschulden zurückzuzahlen

Von Alex Lantier
24. Mai 2012



Alexis Tsipras, der Führer der griechischen Koalition der Radikalen Linken (SYRIZA), besuchte gestern Paris, um Vertreter der Linksfront zu treffen. Am Dienstag reiste er nach Berlin weiter, um die führenden Politiker der Linkspartei, Gregor Gysi und Klaus Ernst, zu treffen.

In Paris traf Tsipras Pierre Laurent, den Chef der stalinistischen KPF, und den diesjährigen Kandidaten der Linksfront bei der Präsidentschaftswahl, Jean-Luc Mélenchon. Er gab eine Pressekonferenz mit Laurent und Mélenchon und hielt dann vor dem Gebäude der Nationalversammlung eine Rede vor ungefähr 300 Mitgliedern der Linksfront.

SYRIZA liegt gegenwärtig bei den Umfragen für die kommende Parlamentswahl in Griechenland vorne, weil sie die seit 2009 über Griechenland verhängten Spardiktate der Europäischen Union (EU) kritisiert. Eine am Sonntag in Kathemerini veröffentlichte Umfrage sah SYRIZA mit Mehrheit vorne und in der Lage, nach der Wahl am 17. Juni eine Regierung zu bilden. Die Wahlen wurden angesetzt, weil die griechischen Parteien nach den Wahlen vom 6. Mai keine Koalitionsregierung zustande brachten. Für SYRIZA werden 28 Prozent der Stimmen erwartet. Sie liegt damit vor der größten rechten Partei Nea Democratia (24 Prozent) und der sozialdemokratischen PASOK.

Der Zweck von Tsipras' Reise besteht darin, den Banken und den imperialistischen Großmächten zu versichern, dass trotz seiner Kritik an den Bailouts von ihm keine Gefahr ausgehe, falls SYRIZA die Wahl gewinnen und eine Regierung bilden sollte. In einem langen Interview mit Reuters, das auszugsweise im Guardian und in der französischen Wirtschaftszeitung Les Echos veröffentlicht wurde, betonte Tsipras, er unterstütze die EU und beabsichtige, die Bankenkredite zurückzuzahlen und die von PASOK begonnen "Reformen" fortzusetzen.

Tsipras sagte Reuters, er reise ins Ausland, weil "wir wollen, dass die Regierungen dieser wichtigen EU-Länder, Deutschland und Frankreich, wissen, wofür wir stehen: Was über uns in Europa verbreitet wird, ist nicht, was wir wirklich sind und wollen." Er fügte hinzu: "Wir sind keineswegs anti-europäisch."

Tsipras erklärte, bei den beiden bisherigen, Milliarden schweren Bankenrettungspaketen für Griechenland seien europäische Steuergelder "verschleudert" worden. Er machte klar, dass es sein Ziel sei, bessere Bedingungen für die Rückzahlung der Gelder an die Banken zu schaffen.

Er sagte: "Wir wollen die Solidarität und die Finanzhilfen Europas nutzen, um eine Basis für unsere langfristigen Reformen zu legen. Aber wir müssen wissen, dass wir in zwei, drei Jahren dem Strudel nach unten entronnen sind und wieder Wachstum haben und in der Lage sein werden, das Geld zurückzuzahlen, das sie uns gegeben haben. Wenn wir mit den Bailouts zu den gegenwärtigen Bedingungen fortfahren, gibt es keine Möglichkeit, das Geld zurückzuzahlen."

Tsipras sprach mit Reuters über die Wirtschaftspolitik der Obama-Regierung und lobte sie, weil sie "die Rezession weniger scharf als in Europa machen". Er wies darauf hin, dass Obama und der neugewählte französische Präsident François Hollande bei ihrem Treffen auf dem G-8-Gipfel in Camp David zu Griechenland offenbar die gleiche Sprache gesprochen hätten.

Tsipras greift hier eine Position wieder auf, die er schon mehrfach geäußert hat: Europa müsse als Reaktion auf die Wirtschaftskrise eine Politik wie die Obama-Regierung verfolgen. In einem Interview vom 18. Mai in der New York Times erklärte er seine Botschaft an die G-8: "Wir müssen Merkel dazu bringen, dem Beispiel Amerikas zu folgen, wo die Schuldenkrise nicht mit Sparpolitik bekämpft wurde, sondern mit einer Wachstumsagenda."

Die New York Times kommentierte: "Tsipras' Argumente unterscheiden sich nicht sehr von denen einiger Teilnehmer des G-8-Gipfels in Camp David."

Es ist nicht zu übersehen, dass Tsipras Obama und die neue französische Regierung als Verbündete betrachtet. Gegenüber Reuters sagte er: "Bei dem Treffen Hollande-Obama ging es vor allem darum, wie's mit Griechenland weitergeht. Bis gestern [als das G-8 Kommuniqué veröffentlicht wurde] stand fest, was mit Griechenland geschehen sollte: Das Volk und die Arbeiter sollten zermalmt und Arbeiterrechte zerstört werden. (...) Zum ersten Mal seit langem gibt es die Chance, dass die Verhandlungen im Interesse des Volkes und gegen Banken und Kapital geführt werden."

Tsipras' rhetorische Blüten unterstreichen nur die im Kern unehrliche Politik SYRIZAs. Er sucht einerseits bei den Wählern Unterstützung mit der Behauptung, er sei gegen die Sparpolitik und verteidige "das Volk", aber in Interviews, die sich an imperialistische Regierungen und SYRIZAs Parlamentskollegen in Europa wenden, singt er ein ganz anderes Lied. Dort verkündet er als sein Ziel lediglich, die Bedingungen der Unterdrückung der Arbeiterklasse in Griechenland neu verhandeln zu wollen. Damit will er erreichen, dass das globale Finanzkapital voll ausgezahlt werden kann, und dass gleichzeitig eine Explosion der Unzufriedenheit in der Arbeiterklasse vermieden wird.

SYRIZA ist sich durchaus bewusst, dass sie die gleichen Interessen wie die bürgerlichen Regierungen dieser Welt hat. Sie fürchtet die wachsende Opposition der Arbeiterklasse. Tsipras sagte der New York Times, eine Entscheidung der EU, Griechenland als Antwort auf einen Wahlsieg SYRIZAs aus der Eurozone auszuschließen, würde bedeuten, "den Ast abzuschneiden, auf dem wir alle sitzen."

Nichts entlarvt den arbeiterfeindlichen Charakter von SYRIZAs Programm mehr als Tsipras' Unterstützung für Obama. Während er den Banken Hunderte Milliarden Dollar an öffentlichen Geldern in den Rachen wirft, und die Federal Reserve ca. 7,7 Billionen Dollar frisches Geld druckt, führt Obama einen erbitterten Angriff auf die Arbeiter. Millionen Arbeiter haben ihre Arbeitsplätze verloren, die sozialen Bedingungen zerfallen, Ausbildungskosten steigen scharf an und Arbeiter sind mit gewaltigen Lohnsenkungen konfrontiert. Typisch dafür ist die Tatsache, dass für neueingestellte Autoarbeiter die Löhne halbiert worden sind.

Das bestätigt die konsequente Opposition der World Socialist Web Site gegen SYRIZA und ihre internationalen Bundesgenossen wie die französische Linksfront und die deutsche Linkspartei.

In ihrer Perspektive "Griechenland und die Weltkrise des Kapitalismus" vom 18. Mai bezeichnete die WSWS SYRIZA als "Partei, die für einen Teil der griechischen Bourgeoisie spricht, der den Zusammenbruch der Wirtschaft mit einer Verlängerung der Fristen für die Schuldentilgung verhindern und kleinere Veränderungen an den Bedingungen des Sparkurses vornehmen will, um den Widerstand der Massen zu besänftigen. Syriza verteidigt ausdrücklich die EU und den Euro, obwohl sie sich als Gegner der Sparpolitik inszeniert; aber diese beiden Positionen lassen sich nicht vereinbaren. Austerität und immer weitergehende Angriffe auf die Arbeiterklasse sind ein integraler Bestandteil der EU der Banker und der kapitalistischen Ordnung, die sie verteidigt."

SYRIZA ist keine sozialistische Opposition gegen den Kapitalismus, sondern repräsentiert eine Schicht wohlhabender Parlamentarier und Karrieristen, die sich darauf vorbereitet, vielleicht die Regierung zu übernehmen. Die europäischen Medien verstehen das gut. Sie haben mit diesem sozialen Typus schon viel Erfahrung gemacht.

Der Guardian erwähnt anerkennend die "Louis Vuitton Taschen und modischen Sonnenbrillen" von Tsipras' Entourage. Er beendet seine Wiedergabe von Tsipras' Reuters Interview mit der zufriedenen Bemerkung, Tsipras scheine sich "auf die Regierung vorzubereiten und seinen Ton zu mäßigen". Dieser Beschreibung des persönlichen Habitus der europäischen kleinbürgerlichen "Linken" ist wenig hinzuzufügen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 24.05.2012
SYRIZA-Führer Tsipras versichert auf Europatour, Bankschulden zurückzuzahlen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2012