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GLEICHHEIT/4174: Syrien und Bahrain


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Syrien und Bahrain

Von Bill Van Auken
19.‍ ‍April 2012



Die USA und ihre Verbündeten haben nicht lange gewartet, ehe sie den Waffenstillstand in Syrien zum Misserfolg erklärt haben. Schon haben sie ihre Bemühungen um einen Regimewechsel in dem strategisch wichtigen Land des Nahen Ostens verstärkt wieder aufgenommen.

Nach dreizehn Monaten bewaffneter Gewalt reichten offenbar achtundvierzig Stunden, um die sogenannten "Freunde Syriens" zu überzeugen, dass der vom ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan ausgehandelte Plan zur Beilegung des Konfliktes keinen Erfolg haben könne. Sie entschieden sich für die Alternative: das Anfachen eines Konfliktes, der sich auf die gesamte Region ausdehnen könnte.

Susan Rice, UN-Botschafterin der USA, verkündete am Dienstag die Position Washingtons: "Wir beschränken unsere Bemühungen keinesfalls auf die gute diplomatische Arbeit hier bei den UN." Die USA, so Rice, würden im Gegenteil damit fortfahren, die sogenannten "Rebellen" in Syrien mit "nichtletaler Ausrüstung" auszustatten. Dazu gehören Nachtsichtgeräte, Kommunikationsausrüstung und Informationen der US-Geheimdienste, was alles für bewaffnete Anschläge gegen die Sicherheitskräfte des Regimes genutzt werden kann.

Katars herrschender Emir, ein enger Verbündeter Washingtons in der Region und ein entscheidender Partner im US-Nato-Krieg in Libyen, sagte auf einer Pressekonferenz in Rom, er betrachte den Waffenstillstand als "unmoralisch" und gebe ihm keine drei Prozent Erfolgschancen. Katar und Saudi-Arabien kündigten ihre Unterstützung bei der Bewaffnung der Opposition zum Sturz des Assad-Regimes an.

Der türkische Präsident Erdogan nannte den Waffenstillstand einen hoffnungslosen Fall. "Der syrische Präsident Assad versucht, sich Zeit zu erkaufen", sagte Erdogan. "Aus diesem Grund glaubt die Türkei nicht an einen Waffenstillstand im Lande."

Die türkische Regierung bietet bewaffneten Gruppen auf ihrem Territorium Unterschlupf, die regelmäßig terroristische Anschläge auf syrische Sicherheitskräfte ausführen und so Grenzkonflikte provozieren. Solche Zusammenstöße könnten den Vorwand dafür bieten, dass die Türkei sich auf den gegenseitigen Verteidigungspakt der Nato beruft und so den Weg für eine weitere, direkte imperialistische Intervention ebnet.

Ankara hat auch begonnen, mit Washington über die Eroberung syrischen Territoriums zu sprechen, um eine "Pufferzone" zu schaffen, in der solche Angriffe weiter vorbereitet werden könnten.

In Paris kündigte der französische Außenminister Alain Juppé an, es werde ein Treffen der "Kernmitglieder" der Freunde Syriens geben. Die USA, Großbritannien, die Türkei und die monarchistischen Diktaturen des Golf-Kooperationsrates würden die wirtschaftlichen Sanktionen verschärfen, die die Arbeitslosigkeit bereits auf über 35 Prozent getrieben und die Reallöhne syrischer Arbeiter halbiert haben. Ziel ist es, wie Richard Nixon vor vierzig Jahren über Chile sagte: "die Wirtschaft aufschreien zu lassen". So sollen Bedingungen für einen gesellschaftlicher Zusammenbruch und einen entfesselten Bürgerkrieg herbeigeführt werden.

Würde Assad die Positionen dieser Befürworter eines Regimewechsels akzeptieren, müsste er politischen und physischen Selbstmord verüben.

Die öffentliche Kampagne zum Sturz Assads wird schamlos im Namen der Demokratie des "Arabischen Frühlings" und der "Menschenrechte" geführt. Dem widerspricht allerdings die vollkommene Gleichgültigkeit der "Freunde Syriens" demokratischen Prinzipien gegenüber. Auf der anderen Seite der arabischen Halbinsel, in Bahrain, unterstützen sie sogar die Niederschlagung einer Massenbewegung für Demokratie und Menschenrechte.

Amnesty International hat diese Woche einen vernichtenden Bericht über Bahrain veröffentlicht, in dem es heißt: "Trotz der gegenteiligen Behauptungen der Behörden wendet der Staat unvermindert Gewalt gegen die an, die sich der Al-Khalifa-Familie widersetzen, und in der Praxis hat sich in dem Land seit der brutalen Niederschlagung von Anti-Regierungs-Protesten im Februar und März 2011 nicht viel geändert." Bei der Militäraktion waren vor einem Jahr saudische Truppen und Panzer über den Damm, der Bahrain mit der arabischen Halbinsel verbindet, ins Land gerückt, um gegen unbewaffnete Demonstranten vorzugehen.

Der Bericht enthält die Chronologie einer aggressiven PR-Kampagne der USA und der von Saudi-Arabien gestützten sunnitischen Monarchie. Diese regiert einen Apartheid-ähnlichen Staat, der die 70prozentige schiitische Mehrheit systematisch diskriminiert. Zusätzlich zur Verpflichtung teurer amerikanischer Werbeagenturen schufen König Hamad und sein Regime die Unabhängige Bahrainer Ermittlungskommission (UBEK), die zu folgendem Ergebnis kam: "Die Behörden haben ungestraft schwere Menschenrechtsverletzungen begangen, einschließlich des exzessiven Einsatzes von Waffen gegen Demonstranten, weit verbreiteter Folter und anderer Misshandlungen Gefangener, unfairer Gerichtsverhandlungen und gesetzloser Tötungen."

Der König und sein Gefolge bedankten sich ordnungsgemäß bei der Kommission und begingen dem Bericht zufolge weiterhin sämtliche dokumentierten Verbrechen: außergesetzliche Morde, Folter, Militärtribunale und die Verhaftung hunderter Menschen, deren einziges Verbrechen darin bestand, friedlich für ihre Rechte zu demonstrieren.

Zu diesen Gefangenen gehört Abdulhadi Al-Khawaja, ein prominenter Menschrechtler, der im April 2011 verhaftet, brutal gefoltert und mit zwanzig anderen Mitgliedern der Opposition wegen des Vorwurfes, "Terrorgruppen" zum Sturz der Monarchie gebildet zu haben, vor Gericht gestellt wurde. Er befindet sich seit zwei Monaten im Hungerstreik und ist dem Tode nahe.

Die fingierte "Unabhängige Kommission", deren Ermittlungsergebnisse vollständig ignoriert wurden, erwies sich für Washington und die anderen Nato-Mächte als äußerst geeignet, um das Al-Khalifa-Regime reinzuwaschen. Die Entscheidung, das Formel-1-Rennen am kommenden Wochenende in Bahrain stattfinden zu lassen, kommt einem internationalen Blankoscheck gleich.

Stelle man sich einmal den Aufschrei vor, zu dem es käme, würde Assad ein ähnliches Manöver unternehmen.

Die USA versorgen einmal mehr eine königliche Diktatur mit Waffen, damit sie fortfahren kann, die Massen zu töten und zu unterdrücken , die in weitaus größerer Zahl auf die Straßen gegangen sind als in Syrien. In der Zwischenzeit fordert der Sprecher des Weißen Hauses in zynischer Weise: "Alle beteiligten Parteien müssen auf Gewalt verzichten."

Die Gründe für diese haarsträubende Doppelmoral sind offensichtlich. Bahrain beherbergt die Fünfte Flotte der US-Marine und stellt ihr eine Operationsbasis an der Westküste des Persischen Golfes gegenüber dem Iran zur Verfügung, von der aus die strategisch wichtige Straße von Hormuz angegriffen werden kann.

Im Gegensatz zu Bahrain hat die amerikanische Regierung Syrien als Sprungbrett für einen verheerenden Krieg gegen den Iran ausgewählt. Der Iran wird von den USA als Hindernis bei der Festigung seiner Herrschaft in den ölreichen Regionen des Persischen Golfes und Zentralasiens gesehen. Diese Strategie zieht Russland und China mit in den Konflikt hinein, weil sie Washingtons Kriege und Destabilisierungskampagnen als einen Angriff auf ihre Interessen und ihren Einfluss im Nahen Osten ansehen.

Wie das Beispiel Bahrain zeigt, sind alle moralischen Phrasen im Zusammenhang mit Syrien und alle Versuche, das Eingreifen im Namen der Menschenrechte und der Demokratie zu rechtfertigen, reine Heuchelei. Sie zielen einzig und allein darauf ab, die öffentliche Meinung zu manipulieren und sie für die Unterstützung dieser räuberischen Kriegstreiberei zu gewinnen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 19.04.2012
Syrien und Bahrain
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2012