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GLEICHHEIT/3953: Eurozone und Weltwirtschaft im Abschwung


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Eurozone und Weltwirtschaft im Abschwung

Von Andre Damon
25. November 2011


Die Zinsen für Staatsanleihen schossen am Mittwoch in Europa in die Höhe, nachdem eine Auktion deutscher Anleihen gescheitert war. Es gelang der deutschen Regierung kaum, zweidrittel der Anleihen zu platzieren, die sie am Mittwoch ausgelobt hatte. Das ist der schlechteste Verkauf seit der Einführung des Euro 1999. Investoren beginnen die Folgen eines möglichen Scheiterns des Euro abzuwägen.

Die Aufträge der verarbeitenden Industrie der Eurozone erleiden gerade den schärfsten Rückgang seit drei Jahren, wie das Statistikamt der Europäischen Union, Eurostat, am Mittwoch berichtete. Auch ein Index für die Aktivität der chinesischen Wirtschaft weist den stärksten monatlichen Rückgang seit drei Jahren aus.

Bei der Anleihenauktion am Mittwoch konnte Deutschland nur 3,64 Milliarden Euro von insgesamt sechs Milliarden, die es auf den Markt brachte, verkaufen. Wie Kommentatoren erklärten, werden deutsche Staatsanleihen deshalb so zögerlich gekauft, weil jetzt nicht mehr nur Zweifel an der Kreditwürdigkeit einzelner Länder vorherrschen, sondern die Überlebenschancen des ganzen europäischen Projekts mit Skepsis betrachtet wird.

"Die Auktion spiegelt tiefes Misstrauen in das ganze Europrojekt wieder, nicht so sehr in die deutschen Anleihen", sagte ein Analyst der Danske Bank dem Wall Street Journal.

Der potentielle Zerfall der Eurozone, der vor wenigen Wochen noch als völlig unwahrscheinlich galt, wird von Banken und Großinvestoren inzwischen als reale Möglichkeit in Betracht gezogen.

"Dies ist nur eine Auktion, aber viele Marktteilnehmer haben immer stärker das Gefühl, dass die Krise nur noch eine Richtung kennt: und zwar die in Richtung auf ein Auseinanderbrechen der Eurozone", sagte ein Ökonom der Financial Times.

Die Bank von Griechenland warnt, Griechenland könne gezwungen sein, den Euro zu verlassen, wenn sich die Konditionen nicht verbesserten. Wenn es keinen Bailout gebe, dann werde Griechenland "auf eine unkontrollierbare schiefe Ebene geraten, was das Land aus der Eurozone treiben wird und die griechische Wirtschaft, seinen Lebensstandard, seine Gesellschaft und sein internationales Ansehen um Jahrzehnte zurückwerfen wird", sagte ein Sprecher der Bank.

In den letzten Wochen waren die Zinsen auf deutsche Staatsanleihen auf unter zwei Prozent gefallen, weil Investoren aus den Schulden anderer europäischer Länder flohen. Aber das Ergebnis des Anleihenverkaufs ließ sie wieder auf über zwei Prozent springen.

Die Versicherungsprämien für italienische, spanische und französische Anleihen stiegen am Mittwoch auf ein Allzeithoch. Der Euro dagegen erlitt am gleichen Tag seinen stärksten Absturz dieses Jahres gegenüber dem Dollar.

Der Verkauf spanischer Schuldtitel nahm ein solches Ausmaß an, dass das Land auf dreimonatige Schulden höhere Zinsen zahlen musste als Griechenland in der letzten Woche. Die Zinsen auf zehnjährige spanische Staatsanleihen stiegen auf über fünf Prozent. Das ist mehr als doppelt so viel, wie Spanien im vergangenen Monat zahlen musste.

Der Grund, warum der deutsche Anleiheverkauf scheiterte, war die Furcht, dass die französisch-belgische Dexia-Bank die französische Regierung bitten müsse, als Bestandteil ihres Bailouts einen höheren Verlust hinzunehmen. Das droht das französische Kreditrating erneut in Frage zu stellen

Aber nicht nur in der Eurozone sind Banken in Gefahr. Auch die Versicherungsprämien für Schuldtitel der Bank of America stiegen am Mittwoch auf ungekannte Höhen, weil die Bank tief in die Schulden europäischer Banken verstrickt ist. Credit Default Swaps der Bank of America stiegen auf 495 Basispunkte, gegenüber 300 Basispunkten im Oktober. Der Wert ist deutlich höher als bisherige Tageshöchststände. Die Kosten für die Versicherung der Schulden europäischer Banken stiegen sogar noch höher.

Die Sorgen über einen drohenden Untergang des Euro nahmen vor dem Hintergrund mehrerer katastrophaler Wirtschaftsberichte eine besonders scharfe Form an.

Die Aufträge der verarbeitenden Industrie fielen laut Eurostat in der Eurozone so stark, wie seit Dezember 2008 nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers nicht mehr. Die neuen Aufträge fielen im September um 6,4 Prozent im Vergleich zum August. Das weist auf eine erneute Rezession in der Eurozone hin.

Die Europäische Kommission gab bekannt, dass der Index für das Verbrauchervertrauen im November den fünften Monat in Folge gefallen ist und den tiefsten Stand seit Ende 2009 erreicht hat.

Die neuen Daten weisen auf die Tatsache hin, dass die Eurozone schon in einer Rezession steckt. Eine Erholung ist nicht in Sicht. Deutschland verzeichnete einen Rückgang der Aufträge um 4,4 Prozent, was bedeutet, dass die stärkste europäische Wirtschaft dem allgemeinen Abschwung nicht entgeht.

Der Rückgang ist nicht auf Europa beschränkt. Der China Manufacturing Purchasing Managers Index der HSBC Bank zeigt, dass die verarbeitende Industrie Chinas in diesem Monat zum ersten Mal seit 2009 einen Rückgang zu verzeichnen hatte.

Der aussagekräftige Indikator für Produktionstätigkeit fiel im November auf 48 nach 51 im Oktober. Werte von unter 50 sind ein Anzeichen für eine Rezession. Der Index fiel schon seit Monaten, aber in diesem Monat durchbrach er zum ersten Mal die wichtige 50-er Marke. China ist stark vom Export nach Europa abhängig.

Die amerikanische Wirtschaft wuchs im dritten Quartal dieses Jahres langsamer als ursprünglich erwartet. Wie das Handelsministerium am Mittwoch sagte, lag das Wachstum im dritten Quartal bei zwei Prozent. Man hatte zweieinhalb Prozent erwartet.

Die USA bereiten sich auf einen scharfen wirtschaftlichen Abschwung vor. Die Federal Reserve gab neue "Stresstests" bekannt, die die Bilanzen der Banken für ein Szenarium testen, in dem die Eurozone in einer tiefen Krise steckt und die Arbeitslosigkeit in den USA auf bis zu dreizehn Prozent steigt.

Vor diesem Hintergrund kündigte der Telefonhersteller Nokia an, weltweit fast ein Viertel seiner globalen Arbeitskräfte, das sind 17.000 Menschen, bis 2013 zu entlassen.

Die jüngsten Zahlen weisen auf eine tiefe, hartnäckige Krise der europäischen und der Weltwirtschaft hin. Jede neue Sparrunde verstärkt nur den Wirtschaftsabschwung, was wiederum zum vermehrten Verkauf von Staatsanleihen und zur Forderung nach weiteren Sparmaßnahmen führt.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 25.11.2011
Eurozone und Weltwirtschaft im Abschwung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2011