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GLEICHHEIT/3731: Deutsche Bomben und Militärtechnik für Libyen-Krieg


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Deutsche Bomben und Militärtechnik für Libyen-Krieg

Von Sven Heymanns
6. Juli 2011


Seit Beginn des Libyen-Kriegs vor hundert Tagen hat die Nato mehr als 5.000 Luftangriffe geführt. Nun geht den Hauptkriegsländern Frankreich und Großbritannien langsam die Munition aus. Die Bundesregierung, allen voran Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), nutzte die Situation sofort, um deutsche Bomben und Militärtechnik als Nachschub anzubieten.

Wie Spiegel-Online vor ein paar Tagen berichtete, hatte die Nato-Logistikagentur Namsa (Nato Maintenance and Supply Agency) bei allen Nato-Mitgliedsstaaten "nach Technik und Bauteilen für Bomben und andere Militärtechnik" angefragt. Der Verteidigungsminister sagte sofort zu. Zwar blieb eine konkrete Bestellung der Nato bisher aus, doch bei etwa fünfzig Bombenangriffen pro Tag ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Namsa die grundsätzliche Zusage des Ministers einfordern wird.

In Presseberichten heißt es, Berlin sei bereit, der Namsa mit "50 Bombenkörpern" auszuhelfen. Dabei handelt es sich um die Hülle der Waffe inklusive der Lenkelektronik, mit der moderne Luft-Boden-Munition ausgestattet ist (Süddeutsche Zeitung). Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums betonte, zur Lieferung gehöre kein Sprengstoff.

Gegenüber Kritikern betonte Minister de Maizière, es handle sich um einen ganz normalen Vorgang und "bewährten Bündnisalltag. So gleichen die Partner ihre logistischen Engpässe untereinander ständig aus", sagte der Minister. "Das ist ein normales Verfahren, so wie wir in Stäben der Nato mitarbeiten und Luftwaffenstützpunkte in Deutschland zur Verfügung stellen."

Doch die beschwichtigenden Worte des Ministers können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bundesregierung in der Libyenpolitik Schritt für Schritt einen Kurswechsel vollzieht. Hatte sie sich im März, bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat, noch der Stimme enthalten, als es darum ging, eine Flugverbotszone zu errichten, so ließ sie in den vergangenen Wochen immer wieder erkennen, dass sie ihre Haltung ändert. Erst vor drei Wochen hatte de Maizière eine Entsendung deutscher Truppen nach einem möglichen Sturz Muammar Gaddafis ins Gespräch gebracht.

Vor allem Wirtschaftsverbände betonen, dass Libyen ein sehr reiches Land sei, und Deutschland beim Wiederaufbau nicht abseits stehen sollte. Deutsche Firmen wittern ein riesiges Geschäft. Dazu kommt der außenpolitische Druck der USA, die bei jeder Gelegenheiten deutlich machen, dass sie von ihrem deutschen Bündnispartner eine engere Gefolgschaft erwarten.

Auch der innenpolitische Druck durch SPD und Grüne nimmt zu. Die beiden großen Oppositionsparteien und auch Teile der Regierungsparteien hatten die deutsche Enthaltung im Sicherheitsrat heftig kritisiert.

Die gegenwärtige Kritik der Oppositionsparteien an der Entscheidung des Verteidigungsministers ist völlig verlogen. SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold warf de Maizière Unaufrichtigkeit vor, Omid Nouripour von den Grünen sprach gar von Lüge. Was zunächst nach scharfen Worten klingt, richtet sich bei genauerem Hinsehen aber nur gegen die Informationspolitik des Verteidigungsministers - nicht aber gegen die Lieferung von Bomben.

"Auf der einen Seite lehnt man eine Teilnahme an der Nato-Mission ab. Durch die Hintertür liefert man dann doch Waffen", beklagte sich Arnold. Nouripour sagte: "Der Außenminister propagiert Zurückhaltung, während der Verteidigungsminister für den Einsatz Bomben verspricht." Was beide kritisieren, ist die Zwiespältigkeit der Bundesregierung: Der Bevölkerung gegenüber versucht sie, ihr Engagement möglichst kleinzureden, von der Nato dagegen wird sie immer stärker an ihre Bündnisverpflichtungen erinnert.

Diese Schwäche der Regierung wollen sich SPD und Grüne zu Nutze machen. Sie wollen selbst an die Regierung, um eine konsequente Vertretung deutscher Interessen im Weltmaßstab durchzusetzen. Besonders die Grünen hatten der Regierung nach der Enthaltung im UN-Sicherheitsrat vorgeworfen, sie hätte "den Schwanz eingezogen" (Joschka Fischer), ihr Verhalten sei "eine Schande" (Nouripour). Unter dem Deckmantel "humanitärer Gründe" befürworteten sie lauthals die Bombardierung Libyens.

Auch die Kritik der Linkspartei in Person von Gregor Gysi kann wenig überzeugen. Deutschland sei nun "in die Koalition der Kriegführenden" eingetreten. Wäre es nach ihrem Ex-Vorsitzenden und EU-Abgeordneten Lothar Bisky gegangen, hätte sich Deutschland schon von Beginn an dieser Koalition angeschlossen. Bisky hatte im März einer Resolution zur Forderung einer Flugverbotszone im Europaparlament zugestimmt.

So werden also schon bald auch deutsche Waffen Tod und Zerstörung nach Libyen bringen. In den vergangenen dreieinhalb Monaten wurden bei den Nato-Angriffen auf Tripolis bereits mehr als 400 Zivilisten getötet und über 1.400 verletzt.

Unklar ist auch, bei welchen "logistischen Engpässen" die Bundeswehr ihren Bündnispartnern in der Vergangenheit bereits ausgeholfen hat. Anfragen innerhalb der Nato müssen nämlich nicht an das Landesparlament oder den zuständigen Ausschuss weitergegeben werden. Sie unterliegen allein der Entscheidung des jeweiligen Verteidigungsministers, - und der befindet ebenso darüber, ob er Anfragen und Lieferungen überhaupt veröffentlicht. Im Zuge der jüngsten Anfrage wurde bekannt, dass Deutschland bereits im Mai 900 Schuss Leuchtmunition an einen Nato-Partner geliefert hatte. Diese eignet sich zwar nicht für direkte Bombenangriffe, ist jedoch bei Nacht eine Voraussetzung dafür.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 06.07.2011
Deutsche Bomben und Militärtechnik für Libyen-Krieg
http://www.wsws.org/de/2011/jul2011/liby-j06.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2011