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GLEICHHEIT/2860: Töten ohne Grenzen


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Töten ohne Grenzen

Von Peter Schwarz
7. Januar 2010


Der US-Geheimdienst CIA und die Söldnerfirma Blackwater haben vor vier Jahren in Hamburg die Ermordung des deutsch-syrischen Geschäftsmanns Mamoun Darkazanli geplant und praktisch vorbereitet. Das berichtet die US-Zeitschrift Vanity Fair in ihrer Januar-Ausgabe. Der Bericht hat in deutschen politischen Kreisen erhebliche Unruhe ausgelöst. Er zeigt, dass die Politik des gezielten Tötens, der Liquidierung angeblicher Terroristen durch die USA, nicht an den Grenzen Afghanistans, Pakistans oder des Jemen Halt macht. Sie wird auch auf dem Territorium von Nato-Verbündeten praktiziert.

Die Informationen über die Mordpläne an Darkazanli finden sich in einem langen Hintergrundbericht über Erik Prince, den Chef und Gründer der Söldnerfirma Blackwater, die sich mittlerweile XE nennt. Prince hatte die Firma Mitte der 1990er Jahre mit Hilfe einer ererbten Milliardenvermögens gegründet. Das ehemalige Mitglied der Eliteeinheit Navy Seals bot amerikanischen Militäreinheiten auf dem Firmengelände in North Carolina eine Spezialausbildung an.

Mit der Verkündung des "Kriegs gegen den Terror" durch George W. Bush kam dann Blackwaters große Stunde. Die Firma entwickelte sich zu einer Privatarmee, die überall dort zum Einsatz kommt, wo es für offizielle Militär- oder Geheimdienstkräfte zu brenzlig wird. Zwischen 2001 und 2009 kassierte sie dafür mehr als 1,5 Milliarden Dollar von der US-Regierung. Allein 2008 beliefen sich ihre Einnahmen auf 600 Millionen Dollar.

Neben Truppenausbildung bietet Blackwater Personenschutz in den Kriegsgebieten des Irak und Afghanistans und versorgt US-Truppen in schwer zugänglichen Gebieten. Von der Firma beschäftigte Söldner sind wegen ihrer Brutalität und Schließwut wiederholt in die Schlagzeilen geraten; so am 31. Mai 2004, als vier Blackwater-Angestellte während der Belagerung der Stadt Falludschah von einer wütenden Menge gelyncht wurden, oder am 16. September 2007, als eine Gruppe von Bodyguards auf einer Kreuzung in Bagdad wild um sich schoss und 17 Zivilisten tötete.

Vor allem aber spielt Blackwater eine Schlüsselrolle bei der gezielten Tötung vermeintlicher Terroristen. Die Privatfirma spürt Gegner der US-Regierung in Ländern auf, zu denen Militär und Geheimdienst keinen Zugang haben, beteiligt sich an Luftangriffe mit unbemannten Drohnen und organisiert Killerkommandos. Sie arbeitet dabei eng mit dem Geheimdienst CIA zusammen. Die Übergänge sind fließend. Prince selbst hat sechs Jahre lang eine Doppelrolle gespielt. Offiziell ist er Vorstandsvorsitzender von Blackwater, inoffiziell Agent und einer der wichtigsten Aktivposten der CIA. Gleichzeitig sind führende Geheimdienstler, wie der Operationsleiter der Abteilung zur Bekämpfung des Terrorismus [Counterterrorism Center] Enrique "Ric" Prado und sein Vorgesetzter J. Cofer Black von der CIA zu Blackwater gewechselt.

Blackwater übernimmt oft Aufgaben, mit denen offizielle US-Stellen aus außenpolitischen oder juristischen Gründen nicht öffentlich in Verbindung gebracht werden wollen. "Wir haben ein einseitiges, nicht zuzuordnendes Instrument aufgebaut. Wäre etwas schief gelaufen, hätten wir nicht erwartet, dass uns der Stationschef, der Botschafter oder sonst jemand aus der Patsche hilft", erörterte dies Prince gegenüber Vanity Fair.

Der Blackwater-Chef hatte sich bereit erklärt, mit Vanity Fair zu sprechen, weil er sich von der Obama-Administration verraten fühlt. Im vergangenen Sommer hatten amerikanische Zeitungen über die Zusammenarbeit von CIA und Blackwater und ihre Mordprogramme berichtet. Prince der glaubt, demokratische Kongressabgeordnete hätten die Informationen an die Presse weitergegeben, ist darüber empört. Der Autor des Vanity Fair-Artikels, Adam Ciralski, kennt sich mit der CIA aus, für die er früher selbst als Anwalt gearbeitet hat. Neben den Aussagen von Prince stützt sich sein Artikel auch auf andere Insiderinformationen.

Die Mordpläne gegen Mamoun Darkazanli wurden laut Ciralski im Rahmen eines CIA-Programms entwickelt, das auf die Ermordung führender Al-Qaida-Mitglieder abzielt. Die CIA hatte zu diesem Zweck ein Team von Agenten aufgebaut, deren Aufgabe sie mit den Worten umschrieb: "Find, fix and finish." ("Finden, festnageln und erledigen.") Die Verantwortung für dieses Programm ging dann nach und nach an Blackwater über.

Der Hamburger Geschäftsmann Darkazanli, ein deutscher Staatsbürger syrischer Herkunft, stand bereits seit 1993 unter Beobachtung der CIA. Seine Telefonnummer war angeblich bei einem in Afrika festgenommenen Terrorverdächtigen gefunden worden. In den folgenden Jahren soll sie auch bei europäischen Dschihadisten aufgetaucht sein. Außerdem soll Darkazanli den Verkauf eines Schiffes an die Terrorgruppe Osama bin Ladens vermittelt und die Vollmacht für ein Konto des Finanzchefs von Al-Qaida besessen haben.

Er soll auch in Kontakt zu den in Hamburg studierenden Organisatoren der Anschläge vom 9. September 2001 gestanden haben. Im Sommer 2002 berichtete die Chicago Tribune, die CIA habe 1999 versucht, Darkazanli in Hamburg als Agent anzuwerben. Damals waren die Vorbereitungen für die Anschläge vom 11. September bereits im Gange.

Zwei Tage nach den Anschlägen vom 11. September durchsuchten Beamte des Bundeskriminalamts dann Darkazanlis Wohnung in Hamburg. Drei Wochen später leitete die Bundesanwaltschaft Ermittlungen wegen Terrorverdachts gegen ihn ein. Sie führten aber nie zu einer Anklage und wurden im Sommer 2006 eingestellt, weil die Bundesanwaltschaft keinen konkreten Bezug zwischen seinen geschäftlichen Beziehungen zu Al-Qaida-Verantwortlichen und deren terroristischen Zielsetzungen erkennen konnte.

Auch ein spanisches Ersuchen, Darkazanli auszuliefern, scheiterte im Sommer 2005, weil das Bundesverfassungsgericht das Gesetz für ungültig erklärte, das die Auslieferung deutscher Staatsbürger in andere EU-Staaten erlaubt. Darkazanli, der seit mehreren Monaten in Auslieferungshaft saß, wurde danach umgehend wieder frei gelassen.

Unter diesen Umständen bereiteten die CIA und Blackwater die Ermordung des Hamburger Geschäftsmanns vor. Laut Vanity Fair "verfolgten sie Darkazanli wochenlang und arbeiteten die Logistik aus, wie und wo sie ihn erledigen würden". Weder die deutschen Behörden noch der CIA-Ableger in Deutschland waren angeblich über die Aktion informiert.

Angesichts der intensiven Überwachung durch deutsche und amerikanische Stellen ist kaum anzunehmen, dass die CIA den Deutsch-Syrer noch als ernsthafte Gefahr betrachtete. Ein Grund für die Mordpläne könnte sein, dass Darkazanli 1999 tatsächlich von der CIA angeworben worden war und Dinge wusste, die man vertuschen wollte. Er überlebte schließlich, weil das grüne Licht von oben ausblieb, wegen des "fehlenden politischen Willens", wie Vanity Fair eine anonyme CIA-Quelle zitiert.

Darkazanli war nicht das einzige Zielobjekt auf der Liste des CIA-Blackwater-Killerteams. Als weiteres Opfer nennt Vanity Fair den pakistanischen Atomwissenschaftler A. Q. Khan, der technisches Know-how über den Bau der Atombombe an den Iran, Libyen und Nordkorea weitergereicht haben soll.

In Deutschland sind die Enthüllungen über die Mordpläne gegen Darkazanli auf Empörung gestoßen. Die Hamburger Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob sie ein Ermittlungsverfahren wegen Verabredung zu einem Verbrechen einleiten soll. Der innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, sagte: "Wenn sich das bestätigt, war es nichts anderes als ein Mordkomplott", und forderte Aufklärung. Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach bezeichnete die Vorwürfe als "atemberaubend" und sagte, es sei "von höchster Brisanz, dem nachzugehen".

Die Erfahrung lehrt allerdings, dass sich weder die SPD noch die CDU ernsthaft mit den US-Behörden anlegen werden. Das Mordkomplott gegen Darkazanli ist trotzdem eine Warnung. Es zeigt, dass die Politik des gezielten Tötens keine Grenzen kennt.

In Afghanistan und Pakistan töten die USA und ihre Verbündeten ihre Gegner mittlerweile routinemäßig mit gezielten Anschlägen. Allein in Pakistan sind im vergangenen Jahr nach Angaben offizieller Stellen über 700 Menschen Angriffen unbemannter US-Drohnen zum Opfer gefallen. Dabei seien gerade einmal fünf wichtige Al-Qaida- und Taliban-Führer getötet worden. Mit jedem getöteten "Terroristen" starben 140 unschuldige Zivilisten.

Selbst wenn man die große Zahl von gefallenen Zivilisten ausblendet, stellt sich die Frage, wer "Terrorist" ist und wer darüber entscheidet. Bleibt die Entscheidung im undurchsichtigen Ermessen von Geheimdiensten und Söldneragenturen, öffnet sie politischer Willkür Tür und Tor. So hat die israelische Regierung, ein Pionier auf dem Gebiet des gezielten Tötens, unter dem Vorwurf des "Terrorismus" systematisch ihre politischen Gegner in den Reihen der palästinensischen Nationalbewegung liquidiert.

Israel, die USA und immer mehr auch die europäischen Regierungen rechtfertigen die Politik des gezielten Tötens mit dem "Krieg gegen den Terror". Im Krieg sei das Töten des Gegners erlaubt und damit auch die Liquidation von "Terroristen" gerechtfertigt. Diese Argumentation ist unhaltbar. Kriege werden zwischen Staaten oder, im Fall eines Bürgerkriegs, zwischen bewaffneten Organisationen geführt, nicht aber gegen abstrakte Begriffe wie "Terror". Akzeptiert man letzteres, braucht eine Regierung ihre Gegner nur noch als "Terroristen" zu bezeichnen, um sie unter Missachtung des geltenden Rechts zu ermorden.

Das Mordkomplott gegen Darkazanli hat in dieser Hinsicht eine neue Qualität. Wenn ein Killerkommando des Geheimdiensts CIA und der Söldnertruppe Blackwater die Ermordung eines deutschen Staatsbürgers in Hamburg plant, der von deutschen Gerichten zweimal auf freien Fuß gesetzt wurde, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis ähnliche Anschläge auch in Paris, London und Tokio - oder in Washington, New York und San Franciso stattfinden.

Siehe auch:
Das Massaker von Kundus und die Politik des "gezielten Tötens"
(29. Dezember 2009)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 07.01.2010
Deutschland: Partei für Soziale Gleichheit
Töten ohne Grenzen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2010