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GLEICHHEIT/2758: Israel, die Vereinigten Staaten und das Völkerrecht


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Israel, die Vereinigten Staaten und das Völkerrecht

Von Jean Shaoul
29. Oktober 2009
aus dem Englischen (28. Oktober 2009)


Der Goldstone-Untersuchungsbericht beschuldigt Israel, beim Überfall auf den Gazastreifen im vergangenen Winter Kriegsverbrechen begangen zu haben. Auf die Unterstützung des Berichts durch den UN-Menschenrechtsrat hat Israel reagiert, indem es die Vereinten Nationen denunziert und versucht, sich über das Völkerrecht hinwegzusetzen.

Tel Aviv verfolgt das erklärte Ziel, den israelischen Streitkräften (IDF) eine Blankovollmacht auszustellen, damit sie im Namen der "Terrorismusbekämpfung" tun können, was sie wollen.

Der Bericht des südafrikanischen Richters Richard Goldstone führt aus, dass der Krieg gegen den Gazastreifen "ein absichtlich überzogener Angriff war, der die Zivilbevölkerung bestrafen und terrorisieren sollte, um ihre regionale wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu schwächen, die notwenig ist, um arbeiten und sich selbst versorgen zu können. Gleichzeitig soll ihr dadurch ein immer stärker werdendes Gefühl von Abhängigkeit und Verwundbarkeit aufgezwungen werden."

Goldstone empfiehlt, der UN-Sicherheitsrat solle den Fall an den Internationalen Strafgerichtshof verweisen, falls Israel keine unabhängige Untersuchung der militärischen Vorgehensweise durchführt. Die Länder, die zu den Unterzeichnern der Genfer Konventionen von 1949 gehören, hätten die Pflicht, ihre Befugnis einer "universellen Gerichtsbarkeit" zu nutzen, um nach den Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zu suchen und sie zu verfolgen, heißt es darin weiter.

Staatspräsident Shimon Peres und Premier Benjamin Netanjahu haben das Votum des UN-Menschenrechtsrats rundherum abgelehnt, den Bericht als einseitig verurteilt und sich geweigert, seinen Empfehlungen nachzukommen. Ehud Barak, Verteidigungsminister und Organisator des Gaza-Überfalls, hat sich sogar geweigert, einer Parlamentsdiskussion über die Einrichtung einer Untersuchungskommission zuzustimmen. Die Regierung wolle dem israelischen Militär "volle Unterstützung [geben], damit es bei seinen Aktionen freie Hand habe", sagte er.

Netanjahu bestand darauf, dass kein Israeli für Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt werde, und versprach, dass im Sicherheitsrat - durch Washington - ein Veto gegen die Resolution eingelegt werde. Er beauftragte seine Regierung, Pläne für eine "weltweite Kampagne" zu entwerfen, um "im Interesse aller, die gegen den Terrorismus kämpfen", für die Änderung des internationalen Kriegsrechts zu werben und dafür zu sorgen, dass die Länder ihre Gesetzgebung zur universellen Gerichtsbarkeit aufheben oder verwässern.

Israel genießt die uneingeschränkte Unterstützung der Obama-Regierung, die den Goldstone-Bericht als unausgewogen bezeichnet hat und ihren Einfluss nutzt, um dessen Ablehnung zu erreichen. Seit der Bericht durch den Menschrechtsrat gebilligt wurde, hat Washington wiederholt seine Unterstützung für Israel bekräftigt und die UNO öffentlich kritisiert.

Dieses Verhalten erreichte letzte Woche seinen Höhepunkt, als Präsident Barack Obama ein wohlwollendes Grußvideo für die Jerusalemer Präsidententagung 2009 an Peres schickte, an der auf seine Veranlassung hin Susan Rice, die amerikanische UN-Botschafterin, teilnahm.

In ihrer Rede auf der Konferenz drückte Rice die Einstellung Washingtons gegenüber den Vereinten Nationen unmissverständlich aus, indem sie diese Institution als "offensichtlich mangelhaft" brandmarkte. Sie machte deutlich, dass die Autorität der UN nur Anwendung findet, wenn es in die US-Interessen passt, aber übergangen wird, wenn dem nicht so ist.

"Es gibt keinen Ersatz für die Legitimität, die die UN vermitteln oder das Forum zur Verfügung stellen kann, wenn es gilt, bei der Bewältigung globaler Herausforderungen - von atomarer Abrüstung bis hin zur Weltgesundheit - die breitestmöglichen Koalitionen zu mobilisieren", sagte sie.

"Aber die Vereinten Nationen sind eine Institution, die Nationen umfasst", fuhr sie fort. "Sie steht und fällt mit dem Willen ihrer Mitglieder. Und die UN müssen mehr, sehr viel mehr tun, um sich auf die Höhe ihrer mutigen Gründungsideale zu erheben - und ihre Mitgliedstaaten müssen ein für alle Mal boshafte anti-israelische Bemerkungen unterlassen und stattdessen Israels berechtigten Anspruch und sein Recht, in Frieden und Sicherheit zu leben, anerkennen."

Für Obama, wie vor ihm für Präsident Bush, ist die UNO nur dann ein nützliches Instrument, wenn sie Washingtons geopolitische Interessen unterstützt und legitimiert, wie seinerzeit, als eine UN-Resolutionen den Vorwand lieferten, um gegen den Irak einen illegalen Angriffskrieg zu führen.

Aber wenn eine UN Behörde versucht, Israel zur Ordnung zu rufen, wird ihr Handeln von Rice als "grundsätzlich inakzeptabel" verurteilt. Das steht im krassen Widerspruch zu Washingtons Haltung gegenüber dem Iran. Derzeit versuchen die USA, die Autorität der UN in Form der Internationalen Atombehörde (IAEA) und den Sicherheitsrat ins Spiel zu bringen, um dem Iran zu drohen und ihrem Ziel der ökonomischen und strategischen Vorherrschaft in den energiereichen Regionen des Nahen Ostens und Zentralasiens näher zu kommen.

Iran wird keiner Kriegsverbrechen beschuldigt. Ihm wird lediglich vorgeworfen, es versuche - in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrags - ein Atomprogramm auf die Beine zu stellen, von dem die Internationale Atombehörde (IAEA) bis heute sagt, es gebe keinen klaren Hinweis darauf, dass es der Entwicklung von Atomwaffen diene. Trotzdem erklärt Obama: "Der Iran muss nun durch Taten seine friedlichen Absichten zeigen oder er muss auf der Grundlage internationaler Normen und des Völkerrechts zur Verantwortung gezogen werden."

Die Politik Washingtons, die von London, Paris und Berlin unterstützt wird, ist ausschließlich vom imperialistischen Interesse bestimmt, die globalen Ressourcen und Märkte zu kontrollieren, und die UN sind dafür nur ein Deckmantel und Verhandlungsbasar. Das gegenwärtige Regime im Iran wird dabei als Hindernis für die Erreichung dieser Ziele angesehen.

Israel hat lange die Rolle des Hüters der amerikanischen Interessen gespielt und dient heute als möglicher Katalysator, um einen militärischen Angriff gegen Teheran und seine Nukleareinrichtungen zu starten, sollte sich Washington zu solch einem Kurs entschließen.

Die Vereinigten Staaten und Europa versuchen einen strategischen Bündnispartner zu schützen und sind gleichzeitig entschlossen, einen gefährlichen Präzedenzfall zu vermeiden, der dazu führen könnte, dass sie selbst wegen ihrer Kriegsverbrechen im Irak, Afghanistan und Pakistan verfolgt werden.

Netanjahu weiß das ganz genau. So warnte er die Großmächte in seiner Antwort auf den Goldstone-Bericht: "Es ist nicht nur unser Problem. Wenn sie die Offiziere der israelischen Streitkräfte, ihre Kommandeure, ihre Soldaten, ihre Piloten und sogar Führer anklagen, dann werden sie euch auch anklagen. Kämpft die NATO nicht auch an unterschiedlichen Orten? Kämpft Russland nicht auch an unterschiedlichen Orten?"

Derartige gemeinsame politische Anliegen erklären, warum Washington Israel freie Hand gewährt, sich den UN zu widersetzen, während der Iran zum globalen Paria gestempelt wird. Darum geht es, wenn Obama Israel und die Vereinigten Staaten zu "Demokratien" erklärt, die "ihre Schicksale selbst bestimmen können", selbst dann wenn Netanjahu versucht, Kriegsverbrechen zu rechtfertigen, während der Iran bedroht und Sanktionen unterworfen wird.

Das ist auch der Grund, warum der britische Premierminister Gordon Brown und der französische Staatspräsident Sarkozy im Anschluss an das UN-Votum für den Goldstone-Bericht an Netanjahu geschrieben haben, dass sie Israels "Recht auf Selbstverteidigung" anerkennen, und Brown verlangt, Nägel mit Köpfen zu machen, wenn es "zum Verstoß gegen internationale Verpflichtungen" durch den Iran kommen sollte.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 29.10.2009
Israel, die Vereinigten Staaten und das Völkerrecht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2009