Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GLEICHHEIT/2344: Griechenland - Bauern protestieren gegen Regierung und EU


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Kommitee der Vierten Internationale (IKVI)

Griechenland: Bauern protestieren gegen Regierung und EU

Von Markus Salzmann
27. Januar 2009


Griechische Bauern haben fast die gesamte vergangene Woche gegen die Agrarpolitik der konservativen Regierung von Premier Kostas Karamanlis protestiert. Ihr Ärger richtet sich gegen stark fallenden Preise, die ein ausreichendes Auskommen unmöglich machen. Sie fordern für ihre Erzeugnisse staatliche Zuschüsse und Steuererleichterungen.

Seit Dienstag blockieren mehrere tausend Landwirte wichtige Verkehrsknotenpunkte im Land und die Grenzübergänge. Am Freitag stand der Verkehr an insgesamt zwanzig wichtigen Knotenpunkten auf dem griechischen Festland und der Insel Kreta still. Die wichtigste Nord-Süd-Verkehrsverbindung zwischen Athen und der Hafenstadt Thessaloniki war an mehreren Stellen gesperrt. Autofahrer mussten zeitaufwendige Umwege über Gebirgsstraßen in Kauf nehmen. Zudem hielten die Bauern vorübergehend den Flughafen von Kretas Hauptstadt Heraklion besetzt. Hier mussten 17 Flüge gestrichen werden, wie die Flughafendirektion mitteilte.

Mit Traktoren blockierten Demonstranten die Grenzübergänge zu Mazedonien bei Evzonoi-Bogorodica, eine der meist genutzten Nord-Süd-Straßenverbindungen auf dem Balkan. Über diesen Übergang verläuft ein großer Teil des Lastwagenverkehrs von und nach Norden. Hier bildeten sich kilometerlange Autoschlangen, ebenso wie an der Grenze zu Bulgarien bei Exohi-Kulata. Hier kam es auch zu mehreren Zwischenfällen mit der Polizei, nachdem aufgebrachte Bauern versucht hatten, die Grenze zu passieren, um auf der bulgarischen Seite zu demonstrieren. Auch die Grenze zur Türkei bei Kipoi-Ipsala wurde zeitweise blockiert.

Grund für die Proteste sind die unerträglichen Lebensbedingen der Landwirte in Griechenland. Seit Jahren sinken die Einkommen bei stetig steigenden Preisen. Das Einkommen der Bauern ist in den vergangenen zehn Jahren um etwa 24 Prozent zurückgegangen, erklärte die Bauerngewerkschaft. "So können wir nicht leben", riefen aufgebrachte Bauern, die nahe der Stadt Larissa die wichtigste Nord-Süd-Straße des Landes sperrten.

Schon in den vergangenen Jahren hatte es mehrere Proteste der Bauern gegen die stetig sinkenden Erzeugerpreise auf dem Agrarmarkt gegeben. Doch zu Beginn dieses Jahres sind die Preise für Agrarprodukte auf etwa die Hälfte des Vorjahres gesunken. Nach Angaben der Bauerngewerkschaft haben die Landwirte 2007 für Mais noch 44 Cent pro Kilo erhalten, 2008 nur noch zwischen 11 und 13 Cent. 2008 gab es für ein Kilo Öl etwa drei Euro, inzwischen ist es nur noch knapp über die Hälfte. Die Preise für Baumwolle sanken von 40 auf etwa 17 Cent das Kilo. Weizen sank von 30 bis 34 Cent das Kilo auf nur noch 17 Cent.

Der Protest richtet sich auch gegen die Europäische Union, die zum einen für den Preisverfall mitverantwortlich ist und zum anderen die Subventionen ständig kürzt. Der EU-Beitritt Griechenlands hat zu einem regelrechten Bauernsterben geführt. 1981, im Jahr des Eintritts Griechenlands in die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), waren noch 24 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Heute sind es knapp 10 Prozent. Mehr als 50 Milliarden Euro erhielt Athen an Mitteln aus Brüssel um die Landwirtschaft umzustrukturieren. Mit fatalen Folgen. Heute muss ein Drittel des griechischen Jahresbedarfs an Weizen durch Einfuhr aus dem Ausland gedeckt werden.

Die gegenwärtig größte Oppositionspartei, die sozialdemokratische Panhellenische-Sozialistische Bewegung (PASOK) stellte seit den Achtziger Jahren fast unentwegt die Regierung, führte das Land in die EU und "modernisierte" auf Anweisung Brüssels die Landwirtschaft. 1997, als ähnliche Proteste mehrere Wochen anhielten, ging die damals amtierende PASOK-Regierung mit aller Härte gegen die Bauern vor. Sie sabotierte ihre Traktoren, zerstach die Reifen und räumte die Autobahnen mit massivem Polizeiaufgebot. Wenn sie heute angesichts der Proteste erklärt, sie stehe auf der Seite der Bauern, so löst dies unter den Bauern nur noch mehr Wut aus.

Auch die Ankündigung der Regierung, ein 500 Millionen-Euro Hilfspaket für die Bauern auf den Weg zu bringen, hat den Unmut der Landwirte weiter gesteigert. "Es sind nur Krümel, was der Staat uns gibt. Wir werden alles blockieren", sagte ein Sprecher der Bauerngewerkschaft.

In der Tat sind die 500 Millionen Euro nicht einmal der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Die ND-Regierung hatte im letzten Jahr, als klar wurde, dass die griechische Wirtschaft und die Banken des Landes unter den Auswirkungen der Finanzkrise leiden werden, umgehend beschlossen, die Banken mit einem Rettungsschirm von 28 Milliarden Euro auszustatten.

Nach den verheerenden Waldbränden im letzten Jahr haben die Bauern darüber hinaus schon Erfahrungen mit den Versprechen der Regierung gemacht. Diese sagte umfangreiche Hilfen für die Bauern zu, die durch die Brände Haus und Hof verloren hatten. In Wirklichkeit erhielten nur etwa 20 Prozent der Betroffenen Zugang zu günstigen Krediten und Hilfszahlungen. Wegen der immer stärker auf der griechischen Wirtschaft lastenden Wirtschaftskrise ist ohnehin davon auszugehen, dass es weitere Budgetkürzungen in allen Bereichen geben wird.

Politik und Medien beeilten sich, die Proteste der Bauern so darzustellen, als gehe es ausschließlich um die Interessen einer kleinen Gruppe. Doch sie müssen in Zusammenhang mit den anhaltenden Protesten von Studenten und Jugendlichen gesehen werden, die im Dezember ihren Höhepunkt erreicht hatten. Sie hatten ihren Ursprung in den katastrophalen Bedingungen, die an Schulen und Universitäten des Landes herrschen. Auch hier werden zu Gunsten der Wirtschaft und der Banken immer weitere Kürzungen durchgesetzt.

Wie schon die Studentenproteste werden auch die Proteste der Bauern von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Trotz massiver Unannehmlichkeiten für viele Autofahrer und kleine Geschäftsleute, unterstützten viele an den Straßenblockaden spontan die Landwirte.

Dies steht in krassem Gegensatz zu den heuchlerischen Solidaritätserklärungen der Kommunistischen Partei (KKE) und der Radikalen Linken (Syriza). Während sich die Generalsekretärin der KKE, Aleka Papariga, medienwirksam mit den demonstrierenden Bauern ablichten ließ, lässt sie keine Gelegenheit aus, sich gegen die Proteste der Studenten zu stellen, und stärkt der Regierung den Rücken, indem sie sich gegen vorgezogene Neuwahlen ausspricht.

Syriza erklärte ebenso, man unterstütze die Forderungen der Bauern nach Steuererleichterungen und zusätzlichen Subventionen. Syriza wolle sich im Europäischen Parlament für die Anliegen der griechischen Bauern stark machen, erklärte ein Sprecher. Syriza vertröstet die Bauern damit auf jene Institution, die wesentlich zu ihrem Elend beigetragen hat.


*


Bitte senden Sie Ihren Kommentar an: wsws@gleichheit.de!.

Copyright 1998-2009 World Socialist Web Site - Alle Rechte vorbehalten


*


Quelle:
World Socialist Web Site, 27.01.2009
Die Krise in Osteuropa und die Lehren aus 1989
http://wsws.org/de/2008/jan2009/grie-j27.shtml
Deutschland: Partei für Soziale Gleichheit
Postfach 040144, 10061 Berlin
Tel.: (030) 30 87 24 40, Fax: (030) 30 87 26 20
E-Mail: info@gleichheit.de
Internet: www.wsws.org/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2009