aufbau Nr. 95, Januar/Februar 2019
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus
Lega Nord bestätigt Machtposition in Italien
ANTIRASSISMUS Ende November wurde das "DecretoSalvini" vom Italienischen Parlament abgesegnet. Ein von Vizepremier Matteo Salvini entworfenes Notstandsgesetz, das Migrantinnen weitgehend entrechtet und die Repression drastisch verschärft.
(agafz) Der Saal ist voll mit SympathisantInnen der Lega Nord,
als Vizepremier Matteo Salvini beim Jahresfest der Partei im letzten
August seine Rede hält. Doch eine Stimme erhebt sich: "Du bist ein
Faschist und Rassist!". Der Protest kommt von einer 17-jährigen
Schülerin, die sogleich von der anwesenden Masse ausgepfiffen und
beschimpft wird. Während dem sich Kulturlinke in öffentlichen Debatten
fragen, ob es berechtigt sei Salvini als Faschist oder nicht zu
bezeichnen, vollbringt der Innenminister sein erstes grosses Werk: Das
per Dekret ausgesprochene Gesetz ist ein unglaublicher Angriff. Sowohl
auf die Rechte der MigrantInnen als auch auf die der Lohnabhängigen
und auf bürgerlich-demokratische Freiheiten.
Die Stimmung auf Italiens Strassen ist beängstigend. Rassistisch motivierte Übergriffe häufen sich und es kam zu Anschlägen und Morde. In einem Land, wo Rettungsboote voll Flüchtlinge abgewiesen werden und die darauf bezügliche Kritik mit Mussolini-Zitaten zurückgewiesen wird, ist das vielleicht bald Normalität. Salvinis Sicherheitsdekret ist eine Institutionalisierung dieser Tendenz.
Es gibt drei Kategorien von Fällen, in denen man in Italien Recht auf eine Aufenthaltsbewilligung bekommt. Die wichtigste Kategorie. zu der die allermeisten Flüchtlinge gehören. ist der "humanitäre Schutz". Dieser gewährt Asyl für Menschen, die vor akuten Situationen (wie zum Beispiel Krieg. Hungersnot oder Naturkatastrophen) geflüchtet sind und ist eben massiv abgeschwächt worden. Dazu kommen noch zahlreiche Verschärfungen: Teile der regionalen Integrationsstrukturen (SPRAR) werden abgeschafft, die Administrativhaft wird auf sechs Monate verdoppelt und eine Verurteilung in erster Instanz reicht für den Entzug der Aufenthaltsbewilligung. Aber aufgrund fehlender Wiederaufnahmeabkommen können die Betroffene nicht ausgeschafft werden.
Das Dekret beinhaltet noch weitere Massnahmen, welche die allgemeinen Rechte der Bevölkerung eindämmen, soziale Bewegungen kriminalisieren und den Repressionsapparat stärken. Es soll zukünftig möglich sein, die Staatsbürgerschaft aufgrund terroristischer Aktivitäten zu verlieren. Ein Blick in die Welt und Geschichte zeigt uns, wie willkürlich der Terrorismusvorwurf eingesetzt werden kann. Zusätzlich werden nun StreifenpolizistInnen mit einem Taser bewaffnet, die Videoüberwachung des öffentlichen Raumes soll ausgebaut werden, und BürgermeisterInnen sollen mehr Freiheit und Mittel bekommen, um gegen Hausbesetzungen vorzugehen. Das Eklatante in diesem speziellen Fall ist, dass in Rom zum Beispiel 10.000 Menschen und Familien auf solche illegale Wohnmöglichkeiten angewiesen sind um überhaupt ein Dach über den Kopf zu haben. Eine weitere Massnahme, die in den bürgerlichen Medien fast totgeschwiegen wird, sieht vor, dass Organisierung von Strassenblockaden bis zu zwölf Jahren Haft zur Folge haben kann. In den letzten Jahren gaben die Arbeitskämpfe in der Logistikbranche landesweit Impulse. Das zentrale und stärkste Kampfmittel der LagerarbeiterInnen ist die Blockierung der Warentransporte. Diese Praxis fällt somit Visier dieses neuen Gesetzes. Die Belegschaften der Branche besitzen einen sehr hohen Anteil an migrantischen ArbeiterInnen. Diese werden neu sowohl mit diesen Haftstrafen konfrontiert, als auch mit den vorhin erwähnten Ausschaffungen durch Erstinstanzurteile.
Eigentlich ist die Lega Nord ursprünglich als "junior Partner" in die Regierung eingestiegen. Die Movimento Cinque Stelle (M5S) hat bei den Wahlen im März fast doppelt so viele Stimmen wie die Lega Nord erhalten. Nun hat Salvini alle überrannt. Sowohl Luigi Di Maio (M5S) wie auch Regierungschef Giuseppe Conte. Die Lega Nord hat es gemäss Umfragen in diesen paar Monate geschafft, substantiell an Popularität zu gewinnen. Sie ist de facto die neue Regierungspartei des Landes. Diese Entwicklung wird sich bei den Europawahlen im Mai wahrscheinlich noch verstärken. Es mag vielleicht sein, dass die zu Beginn zitierte Schülerin eine etwas zu allgemeine Kritik geäussert hat. Aber als Warnung verstanden ist die Aussage vollkommen berechtig, denn das Sicherheitsdekret fordert eine gefährliche politische Richtung. Und als Folge muss die Frage gestellt werden, wie eine Gegenmacht zur landesweiten reaktionären Welle aufgebaut werden kann.
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Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)
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Quelle:
aufbau Nr. 95, Januar/Februar 2019, Seite 9
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2019
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