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AUFBAU/505: Run the Jewels - Burn the System and start again


aufbau Nr. 89, Mai/Juni 2017
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Run the Jewels - Burn the System and start again


HIP HOP / RAP Mit ihrem neuen Album Run the Jewels 3 zeigen Killer Mike und EL-P, besser bekannt als Run the Jewels, einmal mehr wie gekonnt sie hervorragend produzierte Rap-Musik mit relevanten politischen Botschaften zu verbinden wissen.


(agkkzh) Als Jaime Meline (EL-P) und Michael Render (Killer Mike) 2011 einander vorgestellt wurden. war ihnen sofort klar, dass es zu einer musikalischen Zusammenarbeit kommen würde. Beide Rapper waren damals bereits vertraute Grössen in der Hip Hop Szene. EL-P feierte Erfolge im New Yorker Untergrund als Mitglied der Gruppen Company Flow und The Weathermen während Killer Mike sich in seiner Heimatstadt Atlanta als Rapper im Umfeld von Outkast profilierte. Nach einer gemeinsamen Tournee beschlossen die beiden, miteinander ein musikalisches Projekt in Angriff zu nehmen; Run the Jewels war geboren. Im Juni 2013 erschien die erste Platte, schlicht als Run the Jewels betitelt, und vermochte bereits die Aufmerksamkeit sowohl der Kritiker als auch von Hip Hop Fans zu erregen, wobei der breite kommerzielle Erfolg zu diesem Zeitpunkt noch ausblieb.

Erste Schritte

Zu weiten Teilen von EL-P produziert, kann Run the Jewels als Blaupause davon verstanden werden, was sich in Zukunft zum unverkennbaren Sound von Run the Jewels entwickeln wird. EL-P, bereits ein etablierter Produzent, vermag es, schon auf der ersten Platte, eine für Run the Jewels charakteristische musikalische Signatur zu entwickeln, die er mit den folgenden Veröffentlichungen stetig verfeinern wird. Die tiefen Bässe wummern, die Snare klingt hell und präzise, Synthesizer werfen kurze, prägnante Melodiefetzen ein, alles vermischt sich zu einem düsteren, wütenden Ganzen von minimalistischer Eleganz und Killer Mike sinniert über die Polizeipräsenz in der Nachbarschaft, die ihn an die Gestapo denken lässt: Cops in the Ghetto they move like the Gestapo, Drunk of their power and greed (Polizisten im Ghetto, sie bewegen sich wie die Gestapo, berauscht von Macht und Habsucht). Diese Mischung aus sozialkritischen Texten und hervorragender Produktion wird zum herausragenden Merkmal von Run the Jewels und erinnert an Bands wie Rage against the Machine, obschon diese einem völlig andern Bereich des musikalischen Spektrums zuzuordnen sind.

Der Weg zum Erfolg

Das zweite Album, der Nummerierung folgend Run the Jewels 2 genannt, enthält alle Zutaten die zur Grösse des ersten beigetragen haben, das Ergebnis ist jedoch bei weitem imposanter. EL-P's Produktion ist härter und präziser geworden, der Rohdiamant, der Run the Jewels war, ist geschliffen. Diverse Kritiker rufen Run the Jewels 2 als Album des Jahres 2014 aus, die Platte wird nicht nur von Hip Hop Fans mit Begeisterung aufgenommen, sondern erreicht eine breite Masse von Zuhörern. Vor dem Hintergrund der Ereignisse dieses Jahres, den Ermordungen zweier Afroamerikaner, Michael Brown in Ferguson und Eric Garner in Staten Island, ist der politisch motivierte Rap von Run the Jewels aktueller denn je, Killer Mike fordert, sich am System der Unterdrücker zu rächen: Conditions create a villain, the villain is given vision. The vision becomes a vow to seek vengeance on all the vicious liars and politicians, profiteers of the prisons (Umstände schaffen den Widersacher, der Widersacher kommt zur Einsicht. Die Einsicht wird zum Eid sich an den bösartigen Lügnern und Politikern, den Profiteuren der Gefängnisse zu rächen). Killer Mike interpretiert rassistische Gesetze, welche vor allem AfroamerikanerInnen kriminalisieren, als die Umstände, welche den Widersacher erschaffen, der sich schliesslich am System rächen wird. Anlässlich der Ermordungen und den darauf folgenden Protesten veröffentlichen Run the Jewels einen Remix von Run the Jewels 2 auf dem die Gesangspassagen von Katzen übernommen werden und taufen das Werk Meow the Jewels. Die Erträge daraus gingen an die Familien der Opfer sowie an einen Fond, aus dem Anwälte bezahlt werden, die den Protestierenden rechtlich beistehen. Run the Jewels unterstützten so aktiv die Widerstandsbewegung, die sich in den Städten der Vereinigten Staaten bildet.

Der dritte Streich

Mit dem dritten Album, das zum Jahreswechsel 2016/2017 veröffentlicht wurde, gelingt Run the Jewels ihr bis dato grösster Streich. Ziel war es, die Platte Meaner, Harder and Angrier (fieser, härter und wütender) zu machen, was definitiv gelungen ist. Die Produktion ist zweifellos die Beste, die EL-P bisher abgeliefert hat. Die Bässe sind tiefer, die Melodien sind düsterer, bedohlicher, die Drums exakt, jeder Schlag ist präzise und geschmackvoll gesetzt, eine dystopische Stimmung wird evoziert, die an Orwells 1984 oder Huxleys Brave New World denken lässt. Killer Mike und EL-P sind mittlerweile ein sich mehr als perfekt ergänzendes Rapper-Duo, das sich instinktiv zwischen den Takten abwechselt, sich immer als Einheit durch die Songs bewegt und deren Stimmen die bedrohliche Klanglandschaft mit revolutionärer Energie zu durchschneiden vermögen. Run the Jewels 3 ist ohne Zweifel der bis anhin politischste Effort von Run the Jewels. Während man Run the Jewels 2 als Anstiftung zum Protest sehen kann, ist Run the Jewels 3 definitiv der Aufruf zur Revolte, ein wütendes Manifest, welches den, nach der Wahl Trumps, aufgebrachten Massen revolutionäre Positionen aufzeigt. Run the Jewels machen klar, dass sie es auf das Establishment abgesehen haben, sie sich mit dem einfachen Volk solidarisieren und dass es unbequem für die Herrschenden wird: Poor folks love us, the rich hate our faces. We talk too load, won't remain in our places (Die armen Leute lieben uns, die Reichen wollen uns nicht sehen. Wir reden zu laut, verharren nicht auf unseren Plätzen) verkündet EL-P in dem Lied Everybody stay calm. Auf dem Track Thieves! findet Killer Mike klare Worte: You can burn the system and start again (Du kannst das System niederbrennen und neu beginnen) und EL-P ergänzt: Fear's been law for so long that rage feels like therapy (Angst war lange Gesetz, Wut fühlt sich wie Heilung an). In dem Song 2100 wird das Klima des Hasses, welches von der Trump Administration geschürt wird, thematisiert, so findet Killer Mike: The evenging news givin' yous views, Telling to pick your Master for president, Been behind the curtain, seen the devil workin' (Die Abendnachrichten geben dir deine Überzeugungen, sagen dir, deinen Meister zum Präsident zu wählen, doch ich war hinter dem Vorhang, habe den Teufel arbeiten sehen) und er macht klar, dass gehandelt werden muss: It's too clear, nuclear's too near, And the holders of the molotov say that "Revolution's right here, right now" and they ain't calling it off (Es ist offensichtlich, der nukleare Krieg ist zu nahe und die, die den Molotov halten sagen: Die Revolution ist hier und jetzt und sie ziehen es durch). Das Album endet mit dem Titel Kill your Masters auf dem Killer Mike nochmals eindeutig Position bezieht: Choose the lesser of the evil people and the devil still gon' win. It could all be over tomorrow, kill our masters and start again (Wähle das geringere Übel und der Teufel wird trotzdem gewinnen, morgen könnte alles zu Ende sein, tötet unsere Herrscher und beginnt etwas Neues). Es wird ersichtlich, dass der demokratische Prozess, in dem man sich bloss für das geringere Übel entscheiden kann, nicht zielführend ist, sondern nur das Überwinden der bestehenden Ordnung die Lage nachhaltig verbessern kann.

Engagement neben Run the Jewels

Killer Mike ist auch neben Run the Jewels politisch sehr engagiert und äussert sich auf diversen Plattformen zur politischen Situation in den Vereinigten Staaten und im speziellen auch zur Situation der AfroamerikanerInnen. In Interviews spricht sich Killer Mike für den freien Zugang zur Kultur aus, so konnte man bisher auch alle Veröffentlichungen von Run the Jewels gratis im Internet beziehen. Weiter erinnert er immer wieder an die Leistungen sozialistischer Bewegungen in den USA, wie etwa das Free breakfast for School Children Program (Gratisfrühstück für Schulkinder Programm) der Black Panther Party, und weist darauf hin, dass in dieser Hinsicht schon viel zu lange nichts mehr erreicht wurde.

Politische Relevanz

Run the Jewels sind bei weitem nicht die einzigen politisch relevanten Musiker im derzeitigen Mainstream. So haben beispielsweise Kendrick Lamars präzise, in hervorragender Lyrik daherkommenden Beschreibungen der Lebensumstände des afroamerikanischen Proletariats in den Vorstädten von Los Angeles definitiv eine politische Brisanz, welche jedoch eher indirekter Natur ist. Run the Jewels hingegen beziehen in ihrer Musik aktiv eine pro revolutionäre Position und engagieren sich auch ausserhalb des musikalischen Kontexts für eine revolutionäre Politik und sind so ein Unikat in der zeitgenössischen populären Musiklandschaft.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis AbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 89, Mai/Juni 2017, Seite 16
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
aufbau, Postfach 8663, 8036 Zürich
E-Mail: info@aufbau.org
Internet: www.aufbau.org
 
Der aufbau erscheint dreimonatlich.
Einzelpreis: 2 Euro/3 SFr
Abo Inland: 30 Franken, Abo Ausland: 30 Euro,
Solidaritätsabo: ab 50 Franken


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2017

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