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AUFBAU/485: Ist die Party aus?


aufbau Nr. 87, Januar/Februar 2017
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Ist die Party aus?


TIEFZINSPOLITIK Die Wahl von Trump ins Weisse Haus könnte zu einem beschleunigten Ende der langjährigen Tiefzinspolitik der Notenbanken führen. Es genügt nicht, den Rassismus seiner WählerInnen zu denunzieren.

(gpw) Eine Schöne Neue Welt steht uns bevor: Das Trampeltier ist zum Präsidenten der USA gewählt worden. Er will Amerika wieder gross machen. Wirtschaftlich setzt er dabei auf ein keynesianistisches staatliches Impulsprogramm: Sanierung der maroden Infrastruktur. Das ist tatsächlich notwendig. Einsturzgefährdete Brücken, löchrige Straßen, zerberstende Wasserrohre, Gasexplosionen sind an der Tagesordnung. Allein 60'000 Brücken müssten saniert werden. Gemäss OECD dürfte das nicht nur einen Impuls für die USA, sondern für die Weltwirtschaft bedeuten, welche 2017 angeblich um 3,3% wachsen soll.(1) Weil Trump Steuersenkungen für die Reichen und den sogenannten Mittelstand versprochen hat, kann er das nur über wachsende Staatschulden finanzieren.

Ende der Tiefzinspolitik?

Einige Auguren von Wirtschaft und Finanzmärkten sehen in dieser Entwicklung den Anfang vom Ende der Tiefzinspolitik. Diese wurde durch den scharfen Kriseneinbruch von 2007/08 erzwungen. Die Wirtschaft musste mit billigem Geld überschwemmt und das wankende Bankensystem soweit saniert werden, damit die Geldhäuser den Unternehmern günstige Kredite für eine Erweiterung der Investitionstätigkeit gewähren. Der gewünschte Effekt auf die Kapitalakkumulation blieb aber aus. Wer zwei und zwei zusammenzählen kann, den oder die wundert das nicht: In der Kapitalüberproduktionskrise ist bekanntlich nicht zu wenig, sondern zu viel Geld vorhanden, das wegen einer gesunkenen Durchschnittsprofitrate nicht produktiv investiert werden kann. Stattdessen sanieren die Banken und Konzerne einen Teil ihrer Schulden. Und wenn die Zinsen auf Null und darunter gesenkt sind, bringen auch milliardenschwere Ankaufsprogramme von "Wert"-Papieren(2) nichts Anderes als Eulen nach Athen. Oder noch mehr Geld an die Börsen und in die Grundstücke, deren Preise galoppierend ansteigen, mit allen negativen Folgen für die Mietpreise und die Verdrängungspolitik aus den Städten. Das ist die Party, welche die Geldsäcke an den Börsen oder in den Private-Equity-Klüngeln feiern - z.B. bei Blackrock, wo Philip Hildebrand, der ehemalige schweizerische Nationalbankchef, mit von der Partie ist. Das sind die Profiteure der Tiefzinspolitik - und sie zittern vor dem Platzen der nächsten Blase und damit vor dem Ende der Party.

Auferstehung des Monetarismus?

Die Tiefzinspolitik sollte nicht nur die Banken und Finanzmärkte stützen, sondern auch "das Gespenst der Deflation" vertreiben. Deflation heisst Vermehrung des Geldwertes. Dementsprechend steigt der Realwert der Löhne. Das drückt zusätzlich auf die Profitrate und verschärft die Krise. Deshalb streben die sogenannten "unabhängigen Notenbanken" ein Inflationsziel von jährlich zwei Prozent an - bis jetzt vergeblich. Die ursprüngliche Funktion des Monetarismus, ein Ansteigen der Löhne zu verhindern, verkehrte sich so in ihr Gegenteil, was sein Ende bedeutet.

Neben dem defizitfinanzierten Infrastrukturprogramm will Trump die amerikanischen. Arbeitsplätze vor ausländischer Konkurrenz schützen. Würde er die hohen Wachstumsziele erreichen, bedeutete das ein weiteres Ansteigen der Löhne und evtl. sogar eine Steigerung der Kampfkraft des amerikanischen Proletariates. Das kann weder die Absicht von Trump noch der amerikanischen Bourgeoisie sein. Deshalb zeichnet sich bereits heute ab, dass die Zinsen in den USA schrittweise wieder ansteigen und die Flutung der Wirtschaft mit Geld zurückgefahren wird. Mit gewissen Verlusten an den Börsen und bei Immobilien wird dabei gerechnet, denn so wird vor allem fiktives Kapital vernichtet. In einem solchen Fall könnte der Monetarismus wieder zu einem - wenn auch geschwächten - Leben erweckt werden. Allerdings wird Europa voraussichtlich von dieser Entwicklung abgekoppelt bleiben.

Die Aufgaben kommunistischer Politik

Es gibt also rationale Gründe, weshalb ein Teil des gebeutelten Industrieproletariates in den Metropolen reaktionären Trampeltieren nachlaufen. Sie könnten kurzfristig die Lage des gebeutelten Proletariates etwas verbessern. Früher oder später werden aber andere ökonomische Prozesse wie die zunehmende Digitalisierung massenhaft Arbeitsplätze wegrationalisieren. Ein weiterer Abbau der Überreste des Sozialstaates ist ebenfalls vorprogrammiert - wie auch das erwähnte Aufleben der monetaristischen Politik. Früher oder später werden die Teile des Proletariates, die Trump oder andere stinkreiche BauernfängerInnen wählen, realisieren, wie sie einmal mehr betrogen werden.

Die Hauptanstrengung der kommunistischen und anderer revolutionärer Kräfte kann sich deshalb nicht darauf richten, den Rassismus im Proletariat zu bekämpfen, sondern darauf, ihren Antikapitalismus zu entwickeln. Das Alltagsbewusstsein einheimischer ArbeiterInnen reagiert sehr sensibel darauf, dass die Bourgeoisie mit ihrer Migrationspolitik die Klassenspaltung vorantreibt und dadurch die Arbeits- und Lebensbedingungen verschlechtert; dass die Bourgeoisie mit ihrer imperialistischen Politik die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge zerstört und sie dadurch zur Flucht zwingt; und dass die kapitalistische Krise unumkehrbar ist. Es ist unsere Aufgabe, an den erwähnten positiven Aspekten des rechtsgerichteten proletarischen Alltagsbewusstseins anzuknüpfen, sie aufzugreifen und mit einer glaubwürdigen Praxis zu versuchen, sie in ein linkes politisches und womöglich revolutionäres Bewusstsein umzuwandeln und zu vertiefen. Unser Ziel muss es sein, uns politisch und organisatorisch zu stärken und eine glaubwürdige revolutionäre Politik zu entwickeln, welche gerade in rechtsgerichteten, sich bewegenden Teilen des Proletariates eine andere Perspektive eröffnet.


Anmerkungen

(1) NZZ 29.11.16, S. 25
(2) Der Nominalwert von Staatsanleihen mit negativer Rendite übersteigt global 10 Bio Euro - etwa 15 Mal das BIP der Schweiz (NZZ 03.06.2016, S. 21)

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis AbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 87, Januar/Februar 2017, Seite 10
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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Internet: www.aufbau.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2017

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