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AUFBAU/401: Ukraine - Tummelfeld der multinationalen Konzerne


aufbau Nr. 79, januar / februar 2015
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Ukraine - Tummelfeld der multinationalen Konzerne



UKRAINE Mit dem EU-Assoziierungsabkommen wird die Ukraine zum Tummelplatz für Saatgut- und Energiemultis. Mit Finanzsanktionen soll der Einfluss Russlands in der Region weiter beschnitten werden.


(rabs) Die schlimmsten Befürchtungen haben sich in der Ukraine bewahrheitet. Seit Monaten tobt ein eigentlicher Bürgerkrieg. Die ukrainische Regierung unter Präsident Petro Poroschenko schreckt nicht davor zurück, die eigene Bevölkerung im Osten des Landes mit schwerer Artillerie zu beschiessen. Gleichzeitig verpasst der milliardenschwere Unternehmer Poroschenko keine Gelegenheit, den Nachbarstaat Russland zu provozieren. Am NATO-Gipfel in Wales vom vergangenen September thematisiert er ungeniert den NATO-Beitritt der Ukraine. Dennoch sitzen für die USA und die EU die Provokateure in Moskau. Nach den USA hat nun auch die EU Wirtschaftssanktionen gegen Russland eingeleitet. Ein doch eher erstaunlicher Schritt. Im Unterschied zu den USA unterhält die EU, insbesondere Deutschland, äusserst enge Handelsbeziehungen mit Russland.


Sanktionen, Drohnen und Militärberater

Erstaunlich auch deshalb, weil die unilateralen Finanzsanktionen des US-Imperialismus Teil der Strategie des "weichen Fussabdrucks" bilden, die Präsident Obama im Mai 2014 an der Militärakademie in West Point präsentierte. Soft Power hat dies die ehemalige Aussenministerin Hillary Clinton genannt. Gemeint sind damit Interventionen unterhalb der Schwelle der direkten militärischen Intervention. Dazu gehören nebst den Drohneneinsätzen und militärischen Beratern auch die immer häufiger angewandten Finanzsanktionen. Da der US-Dollar als Leit- und Reservewährung gilt, ist der Einsatz dieser Waffe äusserst wirkungsvoll. Eingehalten werden müssen diese Sanktionen von allen US-Unternehmen. Darunter fallen aber auch alle Firmen, die über ein US-Korrespondenzkonto verfügen. Nebst den üblichen Verdächtigen Iran und Russland richtet sich die US-Sanktionspolitik auch gegen - hauptsächlich europäische - Finanzinstitute. Die EU und vor allem Deutschland haben enge Wirtschaftsbeziehungen zu Russland. Deshalb stellt sich schon die Frage, gegen wen sich diese Sanktionen in erster Linie richten. Nicht zu Unrecht sieht sich das deutschte Kapital ins Visier genommen und murrt unüberhörbar über das Einschwenken der Merkel-Regierung auf den US-Sanktionskurs.

Mit einem spontanen Blitzbesuch in Moskau bei Präsident Putin ruft sich auch Frankreich wieder in Erinnerung. Einen Tag nach den gescheiterten Gesprächen am OSZE-Gipfel in Basel setzte damit Präsident Hollande einen klaren Kontrapunkt zur Politik der deutschen Regierung und dem Konfrontationskurs der USA. Ob Frankreich den seinerzeit nur widerwillig und nach massivem US-EU-Druck gefällten Entscheid rückgängig machen wird, eine Lieferung von Flugzeugträgern nach Russland zu stornieren, wird sich zeigen.


Ukraine - Korukammer und Energielieferant

In der Ukraine verfolgen die USA aber nicht nur strategische Interessen gegen Russland und indirekt gegen die EU. Die Ukraine, einst die Kornkammer der Sowjetunion, ist heute zu einem der weltweit grössten Kornproduzenten geworden. Rund die Hälfte der ukrainischen Weizenernte wurde exportiert, was 2013 zehn Millionen Tonnen entsprach. Der US-Agrarkonzern Cargill erwarb anfangs 2014 am global achtgrössten Farmbetrieb UkrLandFarming einen 5%-Anteil. Dicke im Geschäft ist auch der weltweit grösste Saatgut-Hersteller Monsanto, der 140 Millionen Dollar in eine Saatgutanlage in der Ukraine investieren will. Seinen Profit macht bei diesem Geschäft auch der grosse Förderer der orangen Revolution, George Soros, einer der Hauptaktionäre bei Monsanto. Wo Rohstoffmultis, im konkreten Fall Getreidemultis, ihr Unwesen treiben, ist auch das Zuger Unternehmen Glencore nicht weit. Glencore besitzt in der Ukraine grosse Anbauflächen von Weizen und Vertriebskanäle, über die u.a. das Emirat Abu Dhabi beliefert wird. Der Staatsfond Aabar des Emirats ist einer der Grossaktionäre der Glencore. Ermöglicht wurden diese Landverkäufe an ausländische Multis erst durch die mit dem europäischen Assoziierungsabkommen durchgedrückte Liberalisierung des ukrainischen Bodenmarktes. Dafür nimmt das Kapital auch gerne die Unterstützung von faschistischen Schlägertrupps und einen Bürgerkrieg in Kauf.

Im April 2014 verlängert der US-Multi Westinghouse den Vertrag für die Lieferung von Brennstoffen für das ukrainische Atomkraftwerk in der Süd-Ukraine. Hergestellt werden die Brennstoffe im schwedischen Werk der Westinghouse. Die Süddeutsche Zeitung wies in einem Artikel auf schwere Designfehler dieses AKWs hin, das zu einem weiteren "Tschernobyl-Desaster" führen könnte. Eine entsprechende kritische Anfrage im Juni dieses Jahres im deutschen Bundestag wurde von der Bundesregierung mit dem Hinweis auf die zustimmende Haltung der ukrainischen Stellen abgetan.

Noch unter Präsident Wiktor Janukowitsch unterzeichnete der US-Konzern Chevron im November 2013 einen Vertrag zur Schiefergasproduktion für das im Westen der Ukraine gelegene Feld Oleska von über 10 Milliarden Dollar. Ein ähnliches Abkommen schloss die Regierung Janukowitsch mit dem niederländisch-britischen Konzern Shell ab. Die lokale Bevölkerung protestierte im Vorfeld dieser Abkommen, da das äusserst umstrittene Fracking-Verfahren zum Einsatz kommt.

Aufhorchen lässt die Zusammensetzung des Vorstandes der Burisma Holding, eines ukrainischen Gasproduzenten mit Sitz in Zypern. Im Verwaltungsrat sitzt keinE einzigeR UkrainerIn, dafür aber zahlreiche US-AmerikanerInnen. Den Vorsitz hat anfangs dieses Jahres Hunter Biden, der Sohn des US-Vizepräsidenten, übernommen. Nach dem Putsch erklärte der umgehend ins Land gereiste US-Vize Joe Biden an einer Pressekonferenz in Kiew: "Mit den richtigen Investitionen und den richtigen Entscheidungen kann die Ukraine ihre Energieabhängigkeit von Russland mindern. Wir werden Ihnen in jeder erdenklichen Art helfen, dieses Ziel zu erreichen." Sein Sohn Hunter Biden soll dies richten. Als New Yorker Anwalt versteht er zwar von Erdgasgewinnung wenig, umso mehr aber von den Mauscheleien des internationalen Finanzkapitals.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 79, januar / februar 2015, Seite 3
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2015


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