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AUFBAU/387: Griechenland - Fragezeichen zu den Entscheidungen der KOE


aufbau Nr. 77, mai / juni 2014
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Fragezeichen zu den Entscheidungen der KOE



GRIECHENLAND - Im Juli 2013 stimmte an einem Gründungskongress eine Mehrheit der SYRIZA dafür, die Organisationsform zu wechseln und von einem Wahlbündnis in eine Partei überzugehen. Die KOE gab daraufhin bekannt, ihren eigenständigen öffentlichen Auftritt zu suspendieren.


(agkkzh) Vor einem Jahr veröffentlichten wir im aufbau ein Interview mit der KOE aus Griechenland(1). Auch wenn wir es nicht explizit betonten, gab es da schon einige Unterschiede in den Positionen zwischen ihnen und dem Aufbau. Unsere Absicht war es, positive Aspekte hervorzuheben und, längerfristig, eine lehrreiche Auseinandersetzung zu beginnen. Mit dem erwähnten Entscheid sind die Differenzen grösser geworden und damit für uns die Notwendigkeit, diese offen anzusprechen.


Parlament oder nicht?

Sie zeigen sich zum Beispiel in der Frage des Parlamentarismus. Die KOE ist zwar überzeugt, dass der Sozialismus damit nicht eingeführt werden kann, doch begründet sie ihre Teilnahme an den Wahlen mit dem Respekt, welcher der bürgerlichen Demokratie immer noch entgegengebracht wird, von Seiten grosser Teile der ArbeiterInnenklasse. Denn, mit der Beteiligung sei es möglich, Kontakte zu diesen zu etablieren.

Im Gegensatz dazu sehen wir die Aufgabe einer revolutionären Organisation darin, die integrative Rolle aufzuzeigen, welche das Parlament im bürgerlichen Machtapparat erfüllt. So bedeutet eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses im Parlament noch keine Machtverschiebung innerhalb der Gesellschaft. Vielleicht können einige Entscheidungen zu Gunsten der Wohlfahrt der unteren Schichten gefällt werden, doch wird das Proletariat nicht dazu mobilisiert, die Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen. Mit letzterem meinen wir zum Beispiel die Verneinung der Vertretungslogik die Militanz in revolutionären Organisationen. Nicht die "Militanz auf der Strasse" (die ist auch wichtig), sondern die ständige Beteiligung an den praktischen Aktivitäten, den Entscheidungsfindungen und den theoretischen Auseinandersetzungen der Organisation. Möglichkeiten zum Kontakt mit noch nicht organisierten Leuten finden wir genügend in Bewegungen ausserhalb des parlamentarischen Zirkus'.


Qualität oder Quantität?

Die KOE veröffentlichte kurz vor dem besagten Kongress der SYRIZA eine Erklärung, in der sie ihre Unterstützung für die "Transformation der SYRIZA in eine Parteibewegung" bekannt gab. Diese soll dann fähig sein, "das alte polistische System und das durch Troika's Memoranden eingeführte Regime wegzuwischen". Als Konsequenz davon suspendiere sie - die KOE - ihre "eigenständige öffentliche Präsenz".

Wir sehen eine gewisse Plausibilität der Teilnahme der KOE in der SYRIZA, auch wenn eine solche Praxis für uns momentan unvorstellbar wäre. Immerhin ist es in Griechenland während der grössten Krise gelungen, zumindest bei den Wahlen, einen Linksrutsch zu erzielen. Angesichts der reaktionären Mobilisierung in anderen Teilen Europas ein positives Zeichen. Die SYRIZA wurde offenbar zu einem Symbol des Widerstandes gegen die Troika. Anfangs noch ein Wahlbündnis verschiedener linker Parteien, organisierten sich während den grossen Protestbewegungen auch Einzelpersonen darin. Da eine kommunistische Organisation an allen Fronten des Klassenkampfes präsent sein muss, scheint die Teilnahme in solch einem Bündnis in dieser Hinsicht richtig zu sein.

Nun transformiert sich die SYRIZA jedoch von einem Bündnis in eine Partei. Beim Kongress strebte die Mehrheit der Führung um Alexis Tsipras eine Auflösung der bisherigen Mitgliedsorganisationen an, was von den meisten befolgt wurde (siehe Kasten ["Linke Plattform", unten]). Damit haben sich die Vorzeichen komplett geändert, denn ersetzen kann die SYRIZA eine eine Organisation des "Revolutionären Marxismus", wie ihn sich die KOE auf die Fahne geschrieben hat, nicht. In der Quantität mag eine linke Volkspartei zwar stärker sein, nicht aber in der Qualität. Sie vertritt ein - wenn auch radikales - reformistisches Programm.


Sich revolutionär organisieren

Wenn die KOE nun ihre eigenständige öffentliche Präsenz suspendiert oder sich gar als Organisation auflöst, wie soll dann noch der Unterschied sichtbar sein zwischen dem Programm der SYRIZA und revolutionären Ideen? Um einen zu grossen Graben zwischen der Organisation und weniger politisierten Leuten muss sich die KOE nun keine Sorgen mehr machen. Doch verschwindet jetzt nicht die Möglichkeit für eben diese Leute, einen Schritt vorwärts zu machen und in eine revolutionäre, kommunistische Organisation einzutreten? Können sie sich so zu revolutionären MarxistInnen entwickeln und die Zukunft in ihre eigenen Hände nehmen?


Anmerkungen:

KOE = Kommunistische Organisation Griechenlands

(1) Siehe Aufbau 73


Kasten

Linke Plattform

Seit einiger Zeit gibt es innerhalb der SYRIZA verschiedene politische Tendenzen; es stehen sich die Mehrheit und eine linke Minderheit gegenüber, welche sich hauptsächlich in der "Linken Plattform" organisiert hat. Sie nahm schon 2012 eine kritische Haltung zur Entwicklung der SYRIZA ein und machte darauf aufmerksam, dass führende Kräfte im Bündnis zu "realistischeren" Zielen tendierte, als die Übernahme der Regierung in Griffnähe rückte. Die Abgrenzung der Linken zeigt sich in organisatorischen und politischen Fragen. Politisch fordert sie ein Programm, dass expliziter und radikaler ist, als dasjenige, dass schliesslich von der Mehrheit verabschiedet wurde. Dies zeigt sich in drei Punkten. Erstens sollen die Schuldzahlungen und die Austeritätspolitik konsequent zurückgewiesen werden. Eine linke Regierung soll, zweitens, Nationalisierungen vom Banken- und strategischen Sektoren unterstützen. Drittens sollen mögliche Koalitionspartner nur in der Linken gesucht werden, was auf eine Annäherung an die KKE und die ANTARSYA hinausläuft. Im Allgemeinen soll dabei auch die Konfrontation mit den Herrschenden innerhalb und ausserhalb Griechenlands bewusst in Kauf genommen werden. Bezüglich organisatorischen Fragen wandte sich die Plattform gegen den Zwang zur Auflösung der einzelnen Komponenten der SYRIZA, setzte sich für getrennte Wahllisten in internen Wahlen und die Wahl des Vorsitzenden durch das Zentralkomitee (statt des Kongresses) ein. Sie blieb bei sämtlichen Punkten in der Minderheit, konnte allerdings ihren Rückhalt zu Lasten der Mehrheit stärken.

Quellen:
Panos Petrou, "The battle for SYRIZA goes on",
http://socialistworker.org
Stathis Kouvelakis, "9+1 Bemerkungen zu Syriza nach ihrem Gründungskongress",
http://www.labournetaustria.at

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 77, mai / juni 2014, Seite 11
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2014