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AUFBAU/281: Auf den Spuren der proletarischen Frauengeschichte


aufbau Nr. Nr. 64, März/April 2011
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Auf den Spuren der proletarischen Frauengeschichte


100 JAHRE 8. MÄRZ - "So wird der erste sozialdemokratische Frauentag in Deutschland nicht nur eine machtvolle Demonstration für das demokratische Frauenwahlrecht werden; sondern auch ein klares Bekenntnis der Frauen zum Sozialismus!". Clara Zetkin zum ersten Internationalen Frauentag am 19. März 1911.


(agfk) Die grundlegenden Ziele der proletarischen Frauenbewegung lassen sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Schon in der französischen Revolution gab es radikale Frauen, die sich gegen die Ausbeutung der Frau und des Mannes durch die Unternehmer, bzw. Börsenspekulanten und Warenschieber wandten. Im Jahre 1790 bildete sich eine Gruppe radikaler Frauen um Claire Lacombe (1765-1796) und Pauline Léon (1768-?). Unerschrocken führten sie Tausende von bewaffneten Arbeiterinnen in die Kämpfe gegen die Königsanhänger und kämpften gegen die unentschlossene und opportunistische Haltung der Jakobiner, der führenden Revolutionspartei. Im Mai 1795 fand in Paris als Reaktion auf ein allgemeines Verbot der revolutionären Frauenklubs in ganz Frankreich durch den Konvent und die Verhaftung von Claire Lacombe und Pauline Léon der erste grosse Frauenaufstand des bürgerlichen Zeitalters statt. Dieser wurde von der Revolutionsregierung mit äusserster Brutalität niedergeschlagen. Den Frauen wurde verboten ihre Häuser zu verlassen; viele Tausende wurden verhaftet und ohne Anklageschrift jahrelang in Pariser Gefängnissen eingesperrt. Die Spuren der ersten proletarischen Frauenführerinnen verschwinden um 1795. Man vermutet, dass sie alle ohne gerichtliches Urteil umgebracht, worden sind.

Erst die Wirren der Revolutionen um 1848 und die Pariser Commune von 1871 sollte der proletarischen Frauenbewegung neue Impulse geben. Die grossen Streiks und Arbeiterinnenkämpfe gegen die katastrophalen Bedingungen der Fabrikarbeit liessen die proletarische Frauenbewegung zu einer relevanten Kraft heranwachsen. Der Streik von ca. 8000 Seidenzwirnerinnen von Lyon, die 1869 der I. Internationale beitraten, war in seiner Bedeutung herausragend. Die ersten organisatorischen Schritte standen in engem Zusammenhang mit der Arbeiterinnenbewegung sowie der Entwicklung einer sozialistischen Emanzipationstheorie. 1867 traten die Frauen des Schuhmacherverbandes in England als erster weiblicher Berufsverband der I. Internationale bei.


Kommunistische Frauenbewegung

Im August 1907 fand in Stuttgart der Gründungskongress der sozialistischen Fraueninternationale statt. Der Anstoss kam von den deutschen Sozialistinnen. Ottilie Bader, die die Konferenz eröffnete, nahm eine klare Abgrenzung zu den bürgerlichen Frauenbewegungen vor: "Die sozialistische Frauenbewegung Deutschlands ist von der Überzeugung durchdrungen, dass die Frauenfrage ein Teil der sozialen Frage ist und nur zusammen mit ihr gelöst werden kann".

Die Spaltung der Sozialistinnen in einen radikalen linken und einen reformistischen Flügel zeichnete sich während der Frauenkonferenz ab. Vor allem bei der Frage des Frauenstimmrechts waren die Meinungsverschiedenheiten gross. Das rechte Lager sprach sich für die Forderung eines selektiven Wahlrechts als ersten Schritt aus. Clara Zetkin und Alexandra Kollontai stellten sich vehement gegen diesen Vorschlag. Sie wollten das allgemeine geheime Wahlrecht für alle Frauen. Zum Schluss wurde Clara Zetkins Resolution, für das allgemeine Wahlrecht zu kämpfen, angenommen. An der zweiten Internationalen sozialistischen Frauenkonferenz im August 1910 in Kopenhagen wurde die Durchführung eines internationalen Frauenkampftages beschlossen und am 19. März 1911 unter dem Slogan "Heraus mit dem Frauenwahlrecht" von Millionen von Frauen auf den Strassen vieler Länder umgesetzt.


Krieg dem imperialistischen Krieg

Der ausserordentliche Kongress der sozialistischen Internationale, der im November 1912 in Basel stattfand, setzte die internationale Lage und die gemeinsame Aktion gegen den drohenden Krieg auf die Tagesordnung. Clara Zetkin forderte die Frauen auf, sich gegen die Verbrechen eines Krieges zu wehren. Ihre Rede schloss mit den Worten "Krieg dem Kriege". Der Aufruf, von Rosa Luxemburg, dass deutsche Arbeiter nicht auf ihre französischen Klassenbrüder schiessen sollten, blieb ungehört. Sie sass dafür ein Jahr in Gefangenschaft. "Proletarische Frauen seid bereit!" endete ein Aufruf von Clara Zetkin kurz vor dem ersten Weltkrieg in der "Gleichheit", der Frauenzeitung der SPD.


Doppelte Spaltung

Der erste Weltkrieg läutete 1914 eine neue Epoche in der sozialistischen Internationalen ein. Die innerparteilichen Auseinandersetzungen in der SPD über die weitere Bewilligung der Kriegskredite spaltete die ArbeiterInnenbewegung und auch die sozialdemokratische Frauenbewegung. Führende Persönlichkeiten der linken Opposition gegen den Krieg waren Clara Zetkin, Rosa Luxemburg und Käte Duncker, Martha Arendsee und Bertha Tahlheimer. Sie gehörten der neugegründeten Gruppe "Internationale" an.

Nach erfolglosem Versuch, die SPD-Reichstagsfraktion zur öffentlichen Ablehnung der Kriegskredite zu bewegen, distanzierte sich die Gruppe in der "Berner Tagwacht", einer Schweizer Zeitung, öffentlich von der SPD-Führung. Die Mitglieder wurden polizeilich überwacht, Verhaftungen und Gefängnisstrafen liessen nicht lange auf sich warten. In der neu erscheinenden Zeitung "Spartakus", die bei Ersterscheinung sofort beschlagnahmt wurde, erschienen die Ideen der Gruppe "Internationale". Wegen harter Repression wurde illegal gekämpft. Ab 1916 erschienen die illegalen "Spartacusbriefe", welche den Namen der Gruppe prägten. Rosa Luxemburg verbrachte zwischen 1914 und 1918 die meiste Zeit hinter Gefängnismauern. Dennoch verfasste sie unermüdlich Schriften und Bücher. In der bekannten Junius-Broschüre klagt sie die patriotische Haltung der Sozialdemokratie als Verrat an.

Nach umfangreichen und schwierigen Vorbereitungen trafen sich im März 1915 in Bern 25 Delegierte aus Deutschland, England, Frankreich, Holland, Italien, Polen, Russland und der Schweiz zu einem Kongress der sozialistischen Fraueninternationale. Die Deutschen nahmen ohne Zustimmung des Parteivorstandes teil, den Belgierinnen und Österreicherinnen wurden die Pässe verweigert. Ein wichtiges Ergebnis dieser Konferenz war das "Manifest an die Frauen des arbeitendes Volkes", das die Frauen von einem proletarischen Klassenstandpunkt aus "zum Kampf für den Frieden der Völker als Voraussetzung zur Entfesselung des revolutionären Vorstosses der proletarischen Massen zum Umsturz der bürgerlichen Gesellschaft" aufrief. Allein in Deutschland wurden davon 300.000 Exemplare illegal unter höchstem Risiko verbreitet.

Diese internationale sozialistische Frauenkonferenz ging als Antikriegsveranstaltung in die Geschichte ein. Zetkin wurde auf der Rückreise verhaftet und des Landesverrates angeklagt.

Mit der Gründung der USPD 1917 war die endgültige Spaltung der deutschen Sozialdemokratie vollzogen. Der Spartakusbund trat der neuen USPD bei. Viele Frauen schlossen sich ihr an, weil sie die Burgfriedens- und Kriegspolitik der SPD-Führung nicht weiter mittragen konnten. Anstatt für die "Gleichheit" schrieb Zetkin von diesem Augenblick an für "Die Kämpferin", die neue Frauenzeitung der USPD.


Kampf auf der Strasse

Am 1. Januar 1919 wurde die Kommunistische Partei Deutschlands gegründet (KPD/Spartakusbund). An den Wahlen zur Nationalversammlung nahm die KPD nicht teil. Sie forderten, die Revolution auf der Strasse und in den Betrieben fortzusetzen und nicht im Parlament. Die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht stellte die Wahlen in einen tiefschwarzen Schatten. Rechte Offiziere der kaiserlichen Armee waren nicht nur am 15. Januar 1919 die Mörder. Eine repressive Stimmung und Hetze auf KommunistInnen wehte übers Land.

Die Zeitung "Die Kommunistin" erschien erstmal am 1. Mai 1919 und war ein wichtiges Organ der kommunistischen Frauenbewegung. In der Redaktion sassen Zetkin, Berta Braunthal, Herta Sturm und Martha Arendsee. Der 8. März als internationaler proletarischer Frauenkampftag und die sozialistische Fraueninternationale waren für die revolutionäre Frauenbewegung die wichtigsten Stützpunkte, um den Kampf gegen den Revisionismus voranzubringen. 1920 verfasste Clara Zetkin die "Richtlinien für die kommunistische Frauenbewegung". Die Aktivitäten der kommunistischen Frauenbewegung umfassten alle Bereiche, die im Leben einer proletarischen Frau eine Rolle spielen. Von der Lohnarbeit zur Hausarbeit, von der Gleichberechtigung in allen Bereichen zu familienpolitischen Fragen, von der Kinderfrage zu Schul- und Erziehungsfragen, von Körper-, Abtreibungs- und Gesundheitsfragen, von Kultur zur neuen Ästhetik und vieles mehr. Dieses Programm wurde Teil der Kommunistischen Internationale (Komintern) und damit richtungsweisend für alle kommunistischen Parteien. Die im Programm enthaltene Kritik an der Frauenarbeit der II. Internationale und Vorgaben für die konkrete Arbeit und die dafür zu schaffenden Organisationsstrukturen waren richtungsweisend und für die kommunistische Bewegung ein grosser Schritt nach vorne.


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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafb), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkb), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Rote Hilfe - AG Anti-Rep (rh-ar), Kulturredaktion (kur), Arbeitsgruppe Jugend (agj)


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Quelle:
aufbau Nr. 64, März/April 2011, Seite 6
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2011