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ARBEITERSTIMME/340: Zum Spanischen Bürgerkrieg


Arbeiterstimme Nr. 193 - Herbst 2016
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein!

Zum Spanischen Bürgerkrieg


Am 17. Juli 1936 begann der spanische Bürgerkrieg. Es war ein Krieg, der, ausgelöst durch innerspanische Konflikte wie etwa die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, die Landfrage und die Stellung der Kirche, zwar als Bürgerkrieg begann, doch bereits nach wenigen Tagen von internationalen Interessen bestimmt wurde. Die Unterstützung der Putschisten durch die faschistischen Mächte Deutschland und Italien, die in Spanien Strategien und Waffenarsenale in einer wirklichen Kriegssituation erproben konnten, führte bereits drei Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen dem Faschismus und seinen Gegenkräften.

Der Spanische Bürgerkrieg war, wegen des 80. Jahrestags bereits in einigen bürgerlichen Zeitungen, vor allem aber in linken Publikationen Thema, ging es damals doch um nichts weniger als um eine Weichenstellung in der Geschichte: Wohin entwickeln sich Europa und die Welt; führt der Weg in eine sozialistische Richtung oder bleibt sie kapitalistisch mit der drohenden faschistischen Gefahr?

Wir wollen den Jahrestag zum Anlass nehmen, um unsere Einschätzung zu den Ereignissen in Spanien darzulegen.

Diese Sicht unterscheidet sich von der vieler anderer linker Gruppen vor allem in der unterschiedlichen Einschätzung der verheerenden Rolle der Volksfrontpolitik in Spanien und der Bewertung der POUM.

Dazu drucken wir einen Artikel ab, den ein nun bereits verstorbener Genosse vor zehn Jahren zum damals 70. Jahrestag des Beginns des Bürgerkriegs verfasst hatte.

Zur Vertiefung dieses Themas verweisen wir auf unser Buch "Der spanische Bürgerkrieg". Es beinhaltet u.a. Aufsätze von August Thalheimer und Waldemar Bolze und hat in seinen Kernaussagen nichts an Aktualität eingebüßt. Wir werden in den nächsten Nummern der Arsti einige der Artikel daraus nachdrucken.

Es sind noch einige Exemplare vorrätig; das Buch kann über unsere Redaktionsadresse bestellt werden.


Die Republik

Nachdem die Kommunalwahlen im April 1931 antimonarchistische Mehrheiten erbracht hatten, verlor König Alfonso XIII die Lust an seinem Königreich und setzte sich ins Ausland ab - ohne Abdankung oder sonstige Verfügungen. Nun war sie da, die Republik, ohne Revolution, Aufstände oder Volksentscheide.

Die Republik - von großen Teilen des Bürgertums und auch der Unterschichten ersehnt als Beginn politischer und sozialer Fortschritte; von der Kirche und ihren Gläubigen, den Großgrundbesitzern und anderen Reaktionären wie den Karlisten verteufelt als Untergang des christlichen Spanien und seiner (idealisierten) großen Geschichte. Beide Vorstellungen waren weit von den realen Möglichkeiten entfernt.


Die soziale Situation

Nicht nur in den politischen Erwartungen und Ängsten war Spanien ein gespaltenes Land. 70 % der Erwerbstätigen waren in der Landwirtschaft beschäftigt. Davon die Mehrzahl als besitzlose Landarbeiter oder Kleinpächter. Nur im Norden (Navarra) und im mittleren Spanien gab es Bauern. Im Süden war Großgrundbesitz vorherrschend. In Andalusien beherrschten rd. 50.000 meist adlige Großgrundbesitzer rd. 2 Millionen Landarbeiter.

Industrielle Großbetriebe gab es im Baskenland und Katalonien (Schiffbau). In Asturien fand Bergbau in großem Umfang statt. Die Mehrzahl der größeren Betriebe war in ausländischem (vor allem englischem und französischem) Besitz. Ansonsten überwog in den Städten Handwerk, Manufaktur und kleine Industrie.

Von der erwerbsfähigen Bevölkerung werden 4-5 Millionen armen Landarbeitern und Kleinpächtern, 3-4 Millionen den Arbeitern, Kleingewerbetreibenden, Handwerkern zugerechnet. Diesen rd. 8 Millionen standen etwa 2 Millionen Mittelständler (Bauern, Kaufleute und Kleinkapitalisten) und rd. 1 Million der Oberschicht (Großgrundbesitzer, einheimische Kapitalisten, höhere Geistliche, Beamte und Offiziere) gegenüber.

Katholische Schulen spielten eine große Rolle. Die staatlichen Grundschulen waren schlecht ausgestattet. Deshalb war ungefähr die Hälfte der Spanier Analphabeten - natürlich mit Schwerpunkt in den Unterschichten. Höhere Schul- bzw. Universitätsbildung stand fast ausschließlich Kindern (meist Söhnen) aus der Mittel- und Oberschicht offen.


Kirche

In der spanischen Geschichte spielte die katholische Kirche eine noch größere Rolle als im übrigen Europa. Sie unterstützte immer die jeweils reaktionärsten Kräfte der Gesellschaft. Über die konfessionellen Schulen, über die ca. 5.000 Klöster und über deren beträchtlichen Grundbesitz nahm sie Einfluß auf Gesellschaft und Politik. Im Bürgerkrieg unterstützte der hohe Klerus bedingungslos die Putschisten. Schon im Oktober 1936 erkannten die Bischöfe die nationale Junta in Burgos unter dem Generalissimus Franco als rechtmäßige Regierung an. Mehrere Autoren (Reventlow, Thomas) bestätigen aber auch, daß manche Pfarrer analphabetische Arbeiter bei Schriftwechsel mit Behörden usw. unterstützten und auch sonst soziales Engagement zeigten. Naturgemäß kann es keine zahlenmäßigen Angaben über den Anteil dieser Geistlichen am gesamten Klerus geben. In höheren Rängen tauchen fortschrittliche Priester jedenfalls nicht auf.


Die erste Koalition 1931 - 1933

Antiklerikale liberale Gruppen und die Sozialistische Partei bildeten die erste republikanische Regierung unter dem Ministerpräsidenten Azaña. Die kleine kommunistische Partei, bis 1935 noch im Dogma der Sozialfaschismustheorie befangen, beteiligte sich nicht. Die Koalition begann eine bürgerlich-weltliche Gesetzgebung: Frauenwahlrecht, Zivilehe, Ehescheidung, Verbot der katholischen Schulen, Abschaffung der Adelstitel und Einschränkungen der Tätigkeit katholischer Orden brachten Spanien auf das Niveau europäischer bürgerlich-demokratischer Staaten. Soweit die fortschrittliche, positive Seite der Koalition.

Anders sah es mit ökonomischen Reformen aus, die vor allem von den Sozialisten angestrebt wurden. Es wurden zwar Mindestlöhne festgesetzt, ein Tarifrecht mit Schlichtung erlassen, doch die Einhaltung wurde nur unzureichend überwacht. Eine Landreform wurde formal beschlossen. Sie sah aber keine Enteignung brachliegenden Landes vor - sondern die Eigentümer sollten nach einem so langwierigen Verfahren entschädigt werden, daß es praktisch zu keinen Übereignungen von Land an besitzlose Landarbeiter und Kleinpächter kam.

Im Ergebnis setzten sich die Liberalen durch: bürgerlich-demokratische Rechte und Freiheiten wurden beträchtlich erweitert, doch Eigentum wurde geschützt. Für die Arbeiter und Landlosen blieb alles beim schlechten Alten. Entsprechend groß war deren Unzufriedenheit.

Die Rechte nahm die antiklerikalen Gesetze zum Anlaß einer vehementen Propaganda, die den Verfall aller moralischen Werte und den Untergang Spaniens an die Wand malte. Mit Erfolg. Die Wahlen von 1933 brachten eine konservative Mehrheit.


Die Rechtsregierung 1933 - 1936

Mehrere klerikale, konservative bis reaktionäre Gruppen hatten sich zu einer rechten Sammlungspartei (CEDA) vereinigt. Sie wurde nach einigen Monaten an der Regierung beteiligt. Fortschrittliche Gesetze sollten zurückgenommen werden. Von sozialen Reformen war nicht mehr die Rede. Das führte zu immer militanterem Widerstand der Arbeiterklasse. Ein vom sozialistischen Gewerkschaftsbund UGT ausgerufener Generalstreik brach zusammen. Gewerkschaftsführer (Largo Caballero u. a.) wurden verhaftet. In Katalonien rief die Provinzregierung die Autonomie aus. Auch dieser Versuch, der Rechtsentwicklung entgegen zu wirken, wurde niedergeschlagen. Härter war der Kampf im Bergbaugebiet Asturiens 1935. Hier hatten sich die sonst verfeindeten anarchosyndikalistischen (CNT) und die sozialistischen Gewerkschaften (UGT), die Arbeiterparteien, Sozialisten (PSOE) und POUM und nach einigem Zögern auch die Kommunistische Partei (PCE) zu einer Einheitsfront zusammengeschlossen.

Zur Niederschlagung des Aufstands, zu dem der anfängliche Streik sich fortentwickelt hatte, wurden Kolonialtruppen unter dem Befehl des Generals Franco (marokkanische Söldner - Regolares - und die spanische Fremdenlegion) eingesetzt. Die Zahl der getöteten Arbeiter wird auf rd. 1000 geschätzt. Über 30.000 politische Gefangene aus Asturien, Barcelona und dem Generalstreik der UGT saßen in den Gefängnissen.

Die Schwäche der Linken zeigte sich auch darin, daß es nicht gelang, die Kämpfe zu vereinheitlichen. Die Aufständischen in Asturien kämpften weitgehend allein.


Wahlerfolg der Linken 1936

Die linken Parteien schlossen sich zu einer Volksfront zusammen. Im Wahlkampf traten sie allerdings nicht einheitlich unter diesem Namen sondern auch als Volks-Block bzw. einfach als Izquierda (Linke) auf. Hauptlosung war die Amnestie für die politischen Gefangenen. Die Anarchosyndikalisten, die Wahlen bisher ablehnten, scheinen zumindest teilweise die Linke gewählt zu haben - nicht aus Opportunismus sondern um die inhaftierten Genossen zu befreien.

Das damalige spanische Wahlgesetz begünstigte die stärkeren Parteien bzw. Wahlbündnisse. Die Volksfront gewann zwar nicht ganz die absolute Mehrheit der Stimmen, aber die der Mandate.


Regierung der Liberalen

Der linke Flügel der Sozialisten lehnte eine Regierungsbeteiligung ab. Ihr Sprecher, Largo Caballero, soll gesagt haben, er wolle nicht wie ab 1931 Gefangener der Liberalen werden. Der Sprecher des rechten Flügels, Prieto, wäre zu einer Koalition bereit gewesen, unterlag aber den Linken. Die Sozialisten stützten jedoch die Regierung im Parlament.

Von den Wahlversprechen wurde die Durchführung der Amnestie weitgehend eingehalten. Die Einstellung von Arbeitern, die während der Streiks entlassen worden waren, wurde von Unternehmern und Behörden aber sehr schleppend durchgeführt oder sabotiert.


Vor dem Putsch

Vermutlich schon vor den Wahlen am 16.2.1936 begann die Mehrheit der Generäle den Putsch vorzubereiten. Die Armee sollte das nationale und das hieß in den Vorstellungen der Rechten auch das katholische Spanien wieder herstellen. Es ging den späteren Putschisten nicht nur um eine andere oder eine Militärregierung sondern um die Vernichtung der Linken.

Die rasch aufeinander folgenden liberalen Regierungen (die Ministerpräsidenten Quiroga, Barrio, Giral) reagierten nur halbherzig. Einige Kommandeure wurden zwar auf vermeintlich ungefährlichere Posten versetzt, doch die liberalen Regierungschefs wagten es nicht, entschieden durchzugreifen. Der nach Pamplona versetzte General Mola nutzte z.B. seine Versetzung zu Verhandlungen und schließlich der Einigung mit den Karlisten. Diese konnten in Navarra ihre Milizen, einige tausend Mann, die mit modernen italienischen Waffen ausgerüstet wurden, in Ruhe ausbilden (Reventlow). Der Regierung kann das kaum entgangen sein. Sie tat nichts. General Franco wurde nach Teneriffa versetzt. Er flog mit einem Charterflugzeug nach spanisch Marokko, verließ also ohne Erlaubnis seinen Posten. Normalerweise nennt man das Meuterei. Die Regierung sandte ihm einen Unterhändler, den Franco erschießen ließ (Reventlow).

Unterschiedliche Angaben gibt es auch zur Stellung hauptsächlich italienischer Transportflugzeuge, mit denen Franco seine Kerntruppen (Fremdenlegion und marokkanische Regolares) nach Spanien übersetzte. Es gibt Hinweise, daß Mussolini diese bereits vor dem 17.7.1936 bereitstellte.

Die faschistische Falange startete eine Mordkampagne gegen republikanische Journalisten, Schriftsteller und Intellektuelle. Auch linke Militante verübten Attentate auf Falangisten und rechte Politiker. Die Falange war allerdings damals noch keine Massenpartei. Das wurde sie erst nach dem Sieg der Militärs. Ihre Mitgliederzahl 1936 wird für ganz Spanien auf etwa 25.000 geschätzt (Thomas). Die Politik der Rechten bestimmten die Offiziere. Allerdings bewirkten die Attentate eine Verunsicherung in der öffentlichen Meinung und auch bei Teilen der Bevölkerung.


Putsch und Revolution

Am 17. Juli 1936 schlugen die Putschisten in spanisch Marokko los. Es gab keinen nennenswerten Widerstand. Am 18.7. meuterten die Garnisonen in Spanien. In den konservativen Teilen Spaniens, vor allem im Nordosten, blieb der Widerstand der Republikaner gering. Vor allem in den größeren Städten (Madrid, Valencia, Barcelona u.a.) leistete besonders die Arbeiterklasse erbitterten und erfolgreichen Widerstand. In Barcelona reagierten die Arbeiter im Gegensatz zur republikanischen Regierung auf den sich abzeichnenden Putsch mit frühzeitiger Organisation. Die Gewerkschaftsbüros der CNT glichen in diesen Tagen Rekrutierungs- und Organisationsbüros der Milizen, schreibt z. B. der Anarchist Souchy, der sich zu dieser Zeit in Barcelona aufhielt. Auch Teile der Armee schlossen sich den Republikanern an. Das Unteroffizierskorps bestand in Teilen aus Arbeitern technischer Berufe, die sich gegen ihre Offiziere stellten. Auf den meisten Schiffen der Kriegsmarine verhafteten oder töteten die unteren Dienstgrade ihre putschenden Offiziere und stellten sich auf die Seite der Republik.

Die liberale Regierung behinderte den Widerstand. Die Behörden wurden angewiesen, den Arbeitern keine Waffen und Munition aus den Magazinen der Armee oder Polizei herauszugeben. Allerdings hielten sich nicht alle Gouverneure an diese Anweisung und in den Zentren der Gegenbewegung wie in Barcelona stürmten die Arbeiter die Magazine und nahmen sich die Waffen.

Gleichzeitig und von der Bewegung der Arbeiterklasse nicht zu trennen, entwickelten sich in den Zentren des Widerstands (vor allem in Katalonien) revolutionäre Bewegungen. Milizen traten an die Stelle von Polizei und Armee. Revolutionäre Komitees übernahmen, gestützt auf diese Milizen, die Zivilverwaltung. Betriebe wurden von Arbeitern übernommen, Landgüter kollektiviert, Klöster und Kirchen enteignet, allerdings zum Teil auch niedergebrannt.


Die militärische Ausgangslage

Der größere und vor allem der bevölkerungsreichste Teil Spaniens (siehe Karte) hatte den Putschisten widerstanden. Große Teile der Armee, Marine und die gesamte (allerdings kleine) Luftwaffe verteidigten die Republik. Milizen (hauptsächlich CNT, in kleinerer Zahl auch der POUM) hatten großen Kampfgeist bewiesen. Allerdings fehlte es an Waffen. Die Ausrüstung der spanischen Armee war veraltet. Mexiko und die Tschechoslowakei lieferten den Republikanern zwar leichte Waffen, doch Kampfflugzeuge, Panzer und schwere Artillerie waren zunächst nicht zu beschaffen.

Die Putschisten hatten diese Sorgen nicht. Das faschistische Italien sandte Truppen, darunter auch Panzerdivisionen. Die Zahl der italienischen Soldaten in Spanien erreichte 50.000 Mann. Italien lieferte 763 Flugzeuge und anderes Kriegsmaterial an die Putschisten (Thomas). Nazideutschland stellte die damals modernsten Kriegsflugzeuge in der Legion Condor. Die Zahl der deutschen Flugzeuge war geringer als die italienischen Lieferungen. Doch wurde die Legion Condor laufend mit Nachschub versorgt, und Verluste ausgeglichen. Die kleine portugiesische "Legion" war schlecht bewaffnet und spielte nur eine geringe Rolle.

Diese Hilfe der faschistischen Mächte war keineswegs uneigennützig. Bergbaukonzessionen sollten die Rüstungsindustrie hauptsächlich Deutschlands beliefern. Die neu entwickelten Flugzeuge konnten unter Gefechtsbedingungen erprobt und verbessert, die Flugzeugführer und das Bodenpersonal trainiert werden.

Vor allem diese frühzeitige und massive Hilfe ermöglichte es den Putschisten, ihre Offensive von Süden her mit den von den Transportflugzeugen Hitlers und Mussolinis eingeflogenen Kolonialtruppen fortzusetzen und gegen Madrid vorzurücken.


Republikanische Gegenrevolution

Nach Ausbruch des Bürgerkriegs übernahm Largo Caballero das Amt des Ministerpräsidenten. Bürgerliche Republikaner, Sozialisten und die kommunistische Partei bildeten die 1. Volksfrontregierung.

Revolution und Krieg oder: Erst Krieg, dann Revolution war (zugespitzt) der Widerspruch im republikanischen Lager (Tostorff). Die Volksfront wollte die Ordnung des bürgerlichen Staats wiederherstellen. An die Stelle der anarchistischen und POUM-Milizen sollte ein nach den alten militärischen Regeln organisiertes Volksheer treten. Die revolutionären Komitees sollten aufgelöst, die vergesellschafteten Betriebe und Güter wieder zurückgegeben werden. Ausgenommen davon sollten aber die Kirchengüter sein. Die Entmachtung der revolutionären Kräfte erfolgte bis zum Mai 1937 schleichend. Zunächst brauchte die Volksfront-Regierung die Milizen zur Verteidigung vor allem von Madrid. Dort zeigten sie ebenso wie die Internationalen Brigaden hohen Kampfgeist und Disziplin. Die Durruti-Kolonne (Anarchisten) erwarb sich legendären Ruf.


Vernichtung der POUM

Die "Partei der marxistischen Vereinigung" entstand 1935 aus dem Zusammenschluß zweier Gruppierungen, die aus der PCE als "linke" bzw. "rechte" Abweichler ausgeschlossen worden waren. Die "linken Kommunisten" und deren Sprecher Andreu Nin hatten mit der trotzkistischen Opposition in der Sowjetunion zusammengearbeitet. Nach der Rückkehr Nins nach Spanien traten aber zunehmend Differenzen auf. Der Zusammenschluß in der POUM bedeutete den endgültigen Bruch mit Trotzki. Die Anhänger der "linken Kommunisten" werden auf rd. 700 geschätzt.

Die Mitglieder des "Arbeiter- und Bauernblock" (BOC) und sein Hauptsprecher Joaquin Maurín wurden wegen der Opposition gegen Sozialfaschismus-Theorie und spalterische Gewerkschaftspolitik 1928 aus der PCE ausgeschlossen. Die BOC hatte rd. 4.500 Mitglieder. Er stand der KPD O nahe und unterhielt regelmäßige Verbindung mit ihr.

Schwerpunkt der POUM war Katalonien. Hier vor allem beteiligte sich die POUM am Widerstand gegen den Putsch und arbeitete trotz grundsätzlicher politischer Meinungsverschiedenheiten eng mit der CNT zusammen. Das betraf auch die Einrichtung revolutionärer Komitees und die Vergesellschaftung von Betrieben und Landgütern.

Die Errichtung bürgerlicher Machtstrukturen (Autonomie-Regierung Kataloniens) und die Verlegung kasernierter Polizei (Zivil- und Sturmgarden) und von Einheiten des Volksheeres (siehe oben) konnte auch die POUM nicht verhindern. Die Revolutionskomitees wurden aufgelöst. Im Mai 1937 kam es zur Entscheidung.

Am 3. Mai griff die Polizei die Telefonzentrale Barcelonas an. Diese war seit dem Putsch von CNT-Milizen besetzt. Der Angriff wurde zurückgeschlagen. In der Stadt bauten Arbeiter, die CNT und POUM nahestanden, Barrikaden. Die Polizei geriet in die Defensive. Die Volksfront entsandte 5000 Mann kasernierte Polizei von der Jarama-Front. CNT und POUM-Führung riefen daraufhin zum Abbruch der Kämpfe auf. Weiterer Widerstand wäre nur durch Abzug von Milizen von der Aragón-Front möglich gewesen. Das hätte aber diese Front für die Putschisten-Truppen geöffnet und wurde daher von CNT- und POUM-Führung abgelehnt. Obwohl die "Mai-Kämpfe" aus einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Regierungs- und CNT-Truppen hervorgegangen waren, wurde hauptsächlich die POUM zum Ziel der Verfolgung, die vor allem von der PCE gefordert wurde. Ministerpräsident Largo Caballero lehnte ein Verbot ab. Er wollte keine Arbeiterpartei verbieten (Reventlow). Das führte zu seinem Sturz. An seine Stelle trat der rechte Sozialist Negrín.

Nun wurde die "faschistisch-trotzkistische" (Tostorff) POUM verboten, ihr Vorstand verhaftet, ihre Division an der Aragon-Front aufgelöst, die Truppen auf andere Einheiten aufgeteilt. Nin (Maurin war schon 1936 von den Putschisten gefangen genommen werden) wurde in eine "Tscheka", ein Parteigefängnis der PCE im Haus des PCE-Führungsmitglieds Hidalgo de Cisneros (Tostorff) verbracht, dort verhört, vermutlich gefoltert und anschließend ermordet. Die praktische Auslöschung der POUM stand natürlich im Zusammenhang mit den "Säuberungen" und den Moskauer Prozessen in der Sowjetunion, bei denen jede/r der "Abweichung" von stalinistischen Positionen Verdächtige mit dem Etikett "Trotzkist" versehen und verfolgt, meist getötet, wurde.

Die revolutionären Kräfte waren besiegt, entmutigt und ernsthaft geschwächt. Das war gleichzeitig eine Schwächung der Republik gegen die Putschisten.


Die Hilfe der Sowjetunion

Neben den erwähnten Lieferungen von leichten Waffen aus Mexiko und der Tschechoslowakei kam die weitaus meiste militärische Hilfe aus der UdSSR. Die folgenden Zahlen entnahm ich der Auflistung des bürgerlichen Historikers Hugh Thomas, der Berichte des deutschen Militärattaches in Ankara auswertete. Es ist anzunehmen, daß der Diplomat Nazideutschlands die Zahlen eher über- als untertrieben hat. Das lag im Interesse der faschistischen Mächte, die ihre eigene Einmischung vor der internationalen Nichteinmischungskommission (England, Frankreich, Deutschland, Italien, Sowjetunion) mit den sowjetischen Lieferungen rechtfertigen wollten.

Die Hilfslieferungen der UdSSR begannen relativ spät. Während die Putschisten von Anfang an von den faschistischen Staaten unterstützt wurden, kamen erst im September 1936 geringe Mengen Kriegsmaterial und Munition an. Im Oktober kamen die ersten 25 Flugzeuge. Die meisten Lieferungen erfolgten im Jahr 1937. 1938 gingen sie stark zurück. Insgesamt lieferte die Sowjetunion nach dieser Quelle bis März 1938 242 Flugzeuge, 731 Panzerwagen, 69.200 Tonnen allgemeines Kriegsmaterial, 29.125 Tonnen Munition; zudem Benzin, Sanitätsausrüstung und ähnliches. Qualität und Alter der Waffen und Geräte waren unterschiedlich. Bei Flugzeugen war die qualitative Differenz zu den neu entwickelten deutschen Kampfflugzeugen besonders groß.

Außerdem kamen 905 Offiziere und Mannschaften, teilweise Instrukteure und Flugzeugführer, aber auch Agenten der sowjetischen Geheimpolizei, die bei der Verfolgung der angeblichen Trotzkisten eine wichtige und leitende Funktion hatten.

Die Verteilung der Waffen war äußerst unterschiedlich. Anarchistische und frühere POUM-Milizen wurden so gut wie gar nicht bedacht, berichtet Waldemar Bolze (KPD 0), der 1937 an der Huesca-Front bei einer POUM-Einheit kämpfte. Regimenter unter dem Einfluß der PCE wurden gut ausgestattet (Reventlow, Thomas u. a.). Waffen, Munition usw. wurden also nicht nach den Notwendigkeiten der einzelnen Frontabschnitte oder Truppenteile eingesetzt sondern nach politischen Prioritäten. Auch das minderte ihre Wirksamkeit. In der Endphase des Bürgerkriegs wurden die Lieferungen im wesentlichen eingestellt. Auch dies trug zum raschen Zusammenbruch der republikanischen Fronten bei.

Trotzdem bleibt die Waffenhilfe der UdSSR die bei weitem bedeutendste. Frankreich hatte zwar in den ersten Monaten nach dem Putsch Lieferungen und Freiwillige über die Pyrenäen gelassen, dann aber die Grenze gesperrt. Die bürgerlich demokratischen Länder Frankreich und England verweigerten der Republik die Unterstützung.

Daß sich die Sowjetunion zur Deckung der Kosten für die Lieferungen die Goldreserven der spanischen Nationalbank ausliefern ließ, wird von manchen kritisiert. Diese Kritik kann ich nicht teilen. Die UdSSR war ein vergleichsweise armes Land, der kostenlose Lieferungen sicher schwer gefallen wären. Außerdem: Wäre das Gold bei den Putschisten besser aufgehoben gewesen?


Bilanz der Volksfront

Der Bürgerkrieg war den linken bürgerlichen den sozialistisch/kommunistischen und anarchistischen Kräften aufgezwungen werden. Zunächst konnte das republikanische Spanien den Putsch auf die weniger besiedelten und industrialisierten Teile des Landes beschränken. Das lag nicht an der bürgerlich-republikanischen Regierung sondern an der Entfesselung der revolutionären Energie der Arbeiterklasse vor allem in Katalonien.

Die Putschisten konnten sich behaupten durch die massive militärische Unterstützung durch das faschistische Italien und Nazideutschland. Die Überlegenheit bei modernen Waffen konnte durch die Hilfe der Sowjetunion zwar abgemildert aber nicht ausgeglichen werden.

In dieser Situation mußte die Verfolgung der radikalen Linken, der POUM und teilweise der Anarchosyndikalisten, die entschiedensten Verteidiger der Republik schwächen. Was stand dem an Vorteilen im Kräfteverhältnis im republikanischen Lager gegenüber? Die bürgerlichen Republikaner hatten keinen militärisch wichtigen Anhang. Einzelne republikanische Beamte und Offiziere verweigerten zwar den Putschisten den Gehorsam, ein lebensgefährliches Unternehmen, doch das war auch alles. Es könnte eingewandt werden, daß Teile der Armee und Polizei, die sich den Putschisten nicht angeschlossen hatten, die Hausmacht der Republikaner waren. Dagegen steht, daß diese Militärs in den Augen der Putschisten Verräter an Spanien waren. Diese Teile der Streitkräfte hatten von ihren ehemaligen Kameraden nichts zu erwarten als den Tod - viele fanden ihn in den Kämpfen und nach der Niederlage.

Das Kräfteverhältnis verschlechterte sich also für die Republik durch den Kampf gegen Links. Die Bindung der PCE und der sozialistischen Partei an die Bürgerlichen hatte zur Anwendung militärischer Gewalt gegen die Linke und zu deren Schwächung bzw. Vernichtung geführt. Vorteile im Krieg ergaben sich daraus nicht.

Was auf der linken Seite des politischen Spektrums verloren ging, wurde auf der rechten Seite nicht gewonnen.

Ein anderes Argument spricht gegen die Politik der Volksfront. Die republikanischen Truppen hatten zwar bedeutende Erfolge in der Defensive. Vor allem gelang die Verteidigung von Madrid. Dabei spielten Tapferkeit und Einsatzbereitschaft der Internationalen Brigaden, die dort zum ersten Mal in größerer Zahl zum Einsatz kamen, eine wichtige Rolle. Es gelang den republikanischen Armeen jedoch nie, über Anfangserfolge hinaus in die Offensive zu kommen. Kriege (auch Bürgerkriege) werden aber selten aus der Defensive heraus gewonnen. Was hätte näher liegen müssen als in die politische Offensive zu gehen. Das bedeutete neben der Fortentwicklung der sozialistischen Ansätze auf republikanischem Gebiet die Ausrufung einer Landreform, um die Landlosen in Südspanien zu gewinnen und die Entlassung spanisch Marokkos aus der kolonialen Unterdrückung. Solche Bündnisse hätten eine wohl entscheidende Stärkung der Republik bedeuten können. Doch das war der Volksfront aus Rücksicht auf die Bürgerlichen nicht möglich.

Natürlich gibt es keine Garantie dafür, daß diese politische Offensive zum militärischen Sieg geführt hätte. In der Geschichte gibt es keine Garantien. Verzicht auf die politische Weiterentwicklung der spanischen Widersprüche war aber der sichere Weg in die Niederlage.

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Quelle:
Arbeiterstimme Nr. 193 - Herbst 2016, Seite 22 bis 27
Verleger: Thomas Gradl, Bucherstr. 20, 90408 Nürnberg
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Internet: www.arbeiterstimme.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2016

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