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ARBEITERSTIMME/329: Die Zusammenballung der Krisen erschüttert immer mehr die politische Stabilität


Arbeiterstimme Nr. 192 - Sommer 2016
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein!

Die Zusammenballung der Krisen im kapitalitischen System erschüttert immer mehr die politische Stabilität

Einleitung zum Frühjahrsseminar


Alle Themen, die für das Seminar vorgesehen sind, kann man auch unter dem Hauptnenner zusammenfassen: Die Zusammenballung der Krisen im kapitalistischen System erschüttert immer mehr die politische Stabilität. Seit einigen Jahren entladen sich die Widersprüche des Systems immer wieder aufs Neue in Überproduktionskrisen, Finanzkrisen, Schuldenkrisen usw. Dazu kommt die Zuspitzung der ökologischen Probleme. Der Gegensatz zwischen Arm und Reich wird immer krasser, für Millionen in den ärmeren Ländern der Welt lebensbedrohend. Die Folgen sind politische Umbrüche, die Kriege und Kriegsgefahr im Gefolge haben. Millionen von betroffenen Menschen werden zur Flucht in noch besser saturierte Länder gezwungen und erschüttern dort das soziale Gefüge und auch die Besitzstände mit allen politischen Folgen. Die ungleiche Entwicklung der Länder hat ungleiche Stärken der Krisenentwicklung zur Folge und auch unterschiedliche Ablösungserscheinungen von bisherigen Formen bürgerlicher Herrschaftsart. Das schließt auch die Zersetzung und Zerstörung bisheriger Werte ein, wie den Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten, nicht zuletzt durch die von den USA diktierten Freihandelsabkommen.

Wer vor über 70 Jahren die Schrecken des Krieges in Europa miterleben musste, kann die zunehmende Zersetzung der Europäischen Union, an der auch die Bundesrepublik Deutschland unter Kanzlerin Merkel ihren unguten Anteil hat, nur mit Sorge betrachten. Bei allen grundsätzlichen Vorbehalten gegenüber einer neoliberal geprägten EU war ihr Entstehen ein friedensfördernder Fortschritt. Ein neuer Nationalismus darf nicht die Alternative dazu werden.

Noch gibt es in den EU-Ländern nur vereinzelt Widerstand gegen die herrschende unsoziale Abwälzungspolitik zum Zwecke einer angeblichen Krisenbewältigung, wie in Spanien, Griechenland und Frankreich.

Daraus entstandene, manchmal auch kurzatmige Widerstandsbewegungen sind geschwächt durch Orientierungslosigkeit, Perspektivlosigkeit und Spaltung. Doch selbst in Deutschland nehmen die, wenn auch schwachen, Ansätze einer Ablehnung des kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems zu, vor allem bei Intellektuellen und im Kulturbereich. Aber noch sind wir weit entfernt von neuen Hoffnungen, etwa wie sie eine linke Schweizer Gruppe in Bezug auf die anhaltende Massenflucht glaubt vermelden zu können: "Denn was wir erleben, ist die Neuzusammensetzung einer Klasse durch Migration."

Die Geschehnisse der letzten Zeit, progressive Entwicklung in der Welt mit allen Mitteln, auch des Umsturzes, wieder rückgängig zu machen, wirft auch die Frage der fehlenden Stärke auf. Für manche Linke müsste sich nun die alte marxistische Einsicht bestätigt haben, dass der Reformismus - auch der kämpfende Reformismus von Griechenland bis Brasilien - letztendlich scheitern muss. Die Sozialdemokratie, die das kapitalistische System bejaht und verteidigt, ist auf Gedeih und Verderb an dessen Bedingungen gekettet: Dessen Krisensturz wird auch zu ihrem Krisensturz. Dessen Wirtschaftsdebakel wird auch zu ihrem politischen Desaster. Weimar hat dies bewiesen. Der Reformismus hat nur einen Spielraum, solange die Ressourcen des Systems ihn bieten können.

Die kapitalistische Gesellschaft geht einer Stagnationsperiode entgegen. Die Gleichzeitigkeit dieser Entwicklung in den großen Wirtschaftsmächten und die Tatsache, dass die Möglichkeiten systemimmanenter Gegensteuerung nahezu aufgebraucht sind, verschärfen die Lage.

Wir wissen aus Erfahrung - vor allem aus der großen Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre - um die drohenden Gefahren, die aus Existenzkrisen entstehen können: Kriege, Diktaturen, Militärregimes, Faschismus. Wir mussten es erleben und erleiden: Die kapitalistische Klasse wird, wenn es ihr nötig erscheint, vor keiner Anwendung von Gewalt zurückschrecken, um ihre Herrschaft zu festigen und aufrecht zu erhalten. Der Spruch des Philosophen Horkheimer, "Wer nicht vom Kapitalismus reden will, soll vom Faschismus schweigen", gilt nach wie vor.

Wir sind vorgewarnt durch unsere direkte Vergangenheit. Das Aufkommen der AfD jedoch signalisiert, dass neue Generationen die Lehren aus dieser fürchterlichen Zeit vergessen haben.

Widerstand und Aufklärung über den Klassencharakter des bestehenden Systems bleibt auch für uns im Kleinen die Aufgabe, seien auch die Bedingungen dafür gegenwärtig noch so ungünstig. Ein sozialistisches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem bleibt der einzige Ausweg, trotz alledem.

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Quelle:
Arbeiterstimme Nr. 192 - Sommer 2016, Seite 19
Verleger: Thomas Gradl, Bucherstr. 20, 90408 Nürnberg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. August 2016

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