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ARBEITERSTIMME/314: Das Ergebnis der Parlamentswahlen in Dänemark


Arbeiterstimme Nr. 189 - Herbst 2015
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein!

Das Ergebnis der Parlamentswahlen in Dänemark


Nach vier Jahren an der Spitze der Regierung setzte die sozialdemokratische Parteiführerin Helle Thorning-Schmidt Neuwahlen an. Sie glaubte den Meinungsumfragen, die zeigten, dass ihr Parteienblock sich genug von der Unpopularität ihrer Regierung erholt hatte, um zu gewinnen. Thornings Regierung war eine Koalition mit den Volkssozialisten, bis der Verkauf von DONG, der staatlichen Öl- und Gasgesellschaft, eine Revolte von unten verursachte, die die Volkssozialisten dazu zwang, aus der Regierung auszutreten. Außerdem waren noch die Sozialliberalen daran beteiligt, in der Vergangenheit eine sozialreformerische und antimilitaristische Partei, deren liberale Natur ihr soziales Gewissen überwunden hat und deren Wirtschaftspolitik die Koalition dominierte. Ihre Parteichefin, Margrethe Vestager, ist inzwischen mit einem Posten als EU-Kommissarin belohnt worden.

Thornings Koalition kam 2011 mit dem Versprechen an die Macht, den 10 Jahren der Einsparungen der rechten Regierung und wachsender sozialer Ungleichheit ein Ende zu bereiten. Im Allgemeinen fuhr sie aber mit den Leistungskürzungen fort. 2014 führte sie längere Arbeitszeiten, kürzere Ferien u.a. für die Schullehrer ein. Diese wurden, da sie sich weigerten, den Angriff zu akzeptieren, ausgesperrt, bis die Gewerkschaft gezwungen war, zu kapitulieren. Die Volkssozialisten, die 1958 als Absplitterung von der KP entstanden waren, waren eine Partei hauptsächlich von Lehrern geworden. Das hat der Partei nicht sehr gut getan. Die Mitgliederzahlen und die Unterstützung fielen drastisch, bis sie gezwungen war, die Regierung zu verlassen.

Die größte Regierungspartei bis 2011, die Liberalen, verlor einiges an Unterstützung wegen der Ausgabenskandale ihres Parteiführers Lars Løkke Rasmussen. Dieser hatte Anders Fogh Rasmussen ersetzt, als dieser mit dem Posten des NATO-Generalsekretärs belohnt wurde, nachdem sich Dänemark an den Kriegen der USA im Irak und in Afghanistan beteiligt hatte. Die Konservativen, die kleinere der rechten Parteien, haben in den vergangenen Jahren an Einfluß verloren, da es ihnen an Identität fehlt. Die Liberale Allianz ist in letzter Zeit stark aufgekommen mit einer noch neoliberaleren Politik. Aber die Dänische Volkspartei ist diejenige, die es verstand, ihren Einfluß in den vergangenen Jahren immer weiter auszubauen. Sie gewann Stimmen von den Rechten und von den Sozialdemokraten; sie behauptet sogar, die größte Arbeiterpartei zu sein. Die DDP begann als Anti-Einwanderer-, stellenweise anti-muslimische Partei. Sie hat sich aber zunehmend dem Sparkurs der Koalition unter Thorning-Schmidt entgegengestellt und stellt sich als Verteidiger der Arbeiterklasse dar. Sie ist nationalistisch-populistisch und fährt einen Anti-EU-Kurs.

Thorning begann ihren Wahlkampf mit riesigen Postern von ihr selbst mit zwei Schlüssel-Losungen: "Schärfere Gesetze für Asylbewerber und größere Anforderungen an Einwanderer". Die Gegenseite nahm diesen Typ von Losungen auf. Flüchtlinge wurden so dargestellt, als kämen sie nach Dänemark, um von Sozialhilfe zu leben. Die Arbeitslosen wurden als faul dargestellt, so, als ob sie sich nicht anstrengen würden, um Arbeit zu bekommen und als würden sie zu viel Unterstützung erhalten. Von solchen Tönen wurde der Wahlkampf bestimmt; das stieß anständige Menschen ab.


Von 179 Sitzen entfallen auf:

Einheitsliste (Ø): 14
Sozialistische Volkspartei (F): 7
Sozialdemokraten (A): 47
Alternative (Å): 9
Sozialliberale (B): 8
Färöer/Grönland: 4
Liberale Partei (V): 34
Liberale Allianz (I): 13
Konservative (C): 6
Dänische Volkspartei (O): 37


Folketingswahl 2015

in % angegeben ist der Listenbuchstabe

A = 26,3
O = 21,1
V = 19,5
Ø = 7,8
I = 7,5
Å = 4,8
B = 4,6
F = 4,3
Sonst.(i) = 4,3

Gewinne und Verluste im Vergleich zu 2011

A + 1,5
O + 8,8
V - 7,2
Ø + 1,1
I + 2,5
Å + 4,8
B - 4,9
F - 4,9
Sonst.(i) - 1,4

Anmerkungen:
(i) Darunter C 3,4 % (- 1,6 %p) und K 0,8 % (+- 0,0 %p)


Die Sozialdemokraten, deren Unterstützung unter Thorning-Schmidt auf Werte gefallen war wie in ihren Anfangszeiten, wurden zur stärksten Partei. Sie errangen aber nicht genug Sitze, um eine Regierung bilden zu können. Thorning wird vielleicht einen guten Job anderswo finden wie ihr Inspirationsgeber Tony Blair. Die DDP erreichte große Zugewinne und wurde zur zweitstärksten Partei. Trotzdem sagt sie, dass sie sich nicht an einer rechten Koalition beteiligen wird. Die Liberalen, die massiv an Unterstützung verloren, werden möglicherweise die neue Regierung anführen. Sie haben Steuersenkungen und "Null-Wachstum" im öffentlichen Bereich versprochen. Thorning hatte einen Zuwachs von 0,6 % bei der Sozialhilfe versprochen, ebenso 7000 neue Stellen im öffentlichen Sektor. Die möglicherweise von den Liberalen angeführte Regierung wird eine Minderheitsregierung sein.

Die Volkssozialisten sanken auf sieben Sitze, die Sozialliberalen auf nur noch acht. Die Linke Einheitsliste, die aus Altkommunisten, Linkssozialisten und Trotzkisten plus Unabhängigen besteht, wuchs auf 14 Sitze an. Eine neue Partei, "Die Alternative", schaffte den Durchbruch, indem sie eine "andere" und "grünere" Politik versprach. Aber sie ist eine kapitalistische Partei, also nicht so anders.

m.j., 22.6.2015


Nachtrag

Die dänische Regierung ist eine Minderheitsregierung; sie könnte nicht lange Bestand haben. Es ist nicht nur so, dass die Dänen sich nach rechts gewendet hätten. Es ist ein widersprüchliches Phänomen, genau wie hier (in England, die Red.). Die Sozialdemokratie hat sich nach rechts bewegt. Sie hat neoliberale Elemente in ihre Politik übernommen wie Einsparungen im Sozialbereich, Privatisierungen usw. Weil die Sozialistische Volkspartei so lange in einer Koalition mit der SD war, rückte auch sie nach rechts. Die andere Partei in dieser Koalition, die Sozialliberalen, waren einmal eine fortschrittliche, aber nicht-sozialistische Partei. Auch sie machten in den letzten Jahren eine Rechtsentwicklung durch. Viele Wähler der Sozialdemokraten sind zur populistischen Dänischen Volkspartei übergelaufen, einige sind zur Linken Einheitsliste gegangen.

Während des Wahlkampfs in Dänemark griff die DDP die SD-geführte Regierung wegen deren Sparmaßnahmen, unter denen ältere Menschen zu leiden hatten, an. Im Juli wurde aber eine Untersuchung veröffentlicht, nach der die DDP auf kommunaler Ebene für Kürzungen bei sozialen Einrichtungen gestimmt hatte, die ältere Menschen trafen.

Einige Wähler sind nach rechts abgewandert wegen des muslimischen Extremismus im allgemeinen und wegen der Aktionen von Jihadisten in Dänemark. Überall in der EU wenden sich Menschen gegen Muslime, sie wollen nicht noch mehr in ihren Ländern haben wegen der Jihadisten.

m.j., 20.8.2015

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Quelle:
Arbeiterstimme Nr. 189 - Herbst 2015, Seite 29 bis 30
Verleger: Thomas Gradl, Bucherstr. 20, 90408 Nürnberg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Oktober 2015

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