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MELDUNG/277: Flüchtlingskunst im Reichstag unerwünscht (Hermann Josef Hack)


Führt Flüchtlingskunst zum Reichstagsbrand?

"Bewohnbare Bilder" des Künstlers Hermann Josef Hack im Reichstag unerwünscht

von Hermann Josef Hack, 1. Oktober 2015


Seit über sieben Jahren thematisiert der Künstler Hermann Josef Hack (*1956) u.a. die Flüchtlingsprobleme aufgrund globaler Veränderungen in seinen Bildern, Skulpturen und öffentlichen Aktionen. Dass seine Arbeiten zu gefährlich sind, um sie in den Räumen des Deutschen Bundestages zu zeigen, ist auch für den Künstler eine neue Erfahrung.

Schon im vergangenen Jahr hatte Hack, um auch im Deutschen Bundestag ein Zeichen der Solidarität mit den Flüchtlingen und den zahlreichen Helferinnen und Helfern zu setzen, Bundestagspräsidenten Norbert Lammert und dem Kunstbeirat des Deutschen Bundestages angeboten, kostenlos seine "Bewohnbaren Bilder" aus Zeltplane im Gebäude des Deutschen Bundestages zu installieren. Diese Bilder, die unten von der Wand abgestützt werden, so dass sie ein Dach bilden, ähneln den Notbehausungen, wie man sie in den ärmsten Ländern kennt. Als Zeichen der Solidarität mit allen, die bereitwillig ihre Turnhallen und Begegnungszentren für Flüchtlinge zur Verfügung stellen, sollten die teilweise in Zusammenarbeit mit Flüchtlingen im Libanon entstandenen Bilder im Parlamentsgebäude neben den Arbeiten der deutschen Malerfürsten Richter, Baselitz, Lüpertz usw. den Volksvertreter/innen vor Augen führen, dass hier nicht nur die Interessen von wohlhabenden Lobbyisten gesehen werden dürfen.

Hack konnte optimistisch sein, nachdem einige Mitglieder des Kunstbeirates des Deutschen Bundestages ihm ihre Sympathie und Unterstützung seines Angebotes zugesagt hatten. Umso verwunderter war er, als er gestern erfuhr, dass die Verwaltung des Deutschen Bundestages in der letzten Sitzung des Kunstbeirates zu dem Ergebnis gekommen war, Hacks Arbeit sei brandgefährdend.

Hack hierzu: "Meine "Bewohnbaren Bilder" sind also brandgefährlich. Nicht hingegen die edlen Leinwände von Richter, Polke, Rauch; von denen geht keine Gefahr aus. Sie brennen nicht mehr. Liegt es am Inhalt, dass meine Arbeiten als Brandbeschleuniger wirken? Rein physikalisch ist Leinwand brennbarer als Zeltplane. Es kann also nicht am Material - es muss am Inhalt liegen.

Mit dieser Argumentation ließen sich auch sämtliche Flüchtlingslager auf der Stelle schließen, würde man dieselben Maßstäbe anlegen wie im Reichstag. Man stelle sich vor: Ein ganzes Zeltlager mit Zeltplanen, wie brennbar ist das! Wo bleibt da der Brandschutz? Aber es ist eben ein feiner Unterschied, ob man den Menschen "draußen im Lande" zumutet, enger zusammen zu rücken und - zu Recht - Sporthallen für Flüchtlinge räumen lässt, oder ob man im Palast der Repräsentanten Kunst zulässt, die einen vor Ort mit den Belangen der Flüchtlinge konfrontiert. Ich wusste gar nicht, dass meine Arbeiten einen Reichstagsbrand auslösen können. Man muss die Aussagen unserer Parlamentarier an ihren Taten messen, das gilt nicht nur für ihre Sorge um die Flüchtlinge, sondern auch um ihre Einstellung zur Kunst. Aber wie im echten Leben, das letzte Wort hat der Hausmeister, und der muss es ja wissen: Diejenigen, die keine Lobby haben, sind bei uns im Reichstag wohl unerwünscht."

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Quelle:
Pressemitteilung von Hermann Josef Hack


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2015

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