Schattenblick →INFOPOOL →KUNST → FAKTEN

BERICHT/158: Thüringens mittelalterliche Malereien (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 31.08.2010

Thüringens mittelalterliche Malereien


Vom Verfall bedroht, der Fachwelt so gut wie unbekannt: Höchste Zeit, den bedeutenden Bestand mittelalterlicher Wandmalereien in Thüringen der kunstgeschichtlichen Forschung zugänglich zu machen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt dieses Projekt mit rund einer halben Million Euro.

Die Kapelle im Palas der Wartburg, der Hessenhof in Schmalkalden, St. Nikolaus in Jena-Lichtenhain: Das sind nur drei der thüringischen Bauwerke, für deren wertvolle Wandmalereien sich die beteiligten Wissenschaftler interessieren. An dem interdisziplinären Gemeinschaftsprojekt wirken Restauratoren und Kunsthistoriker der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, des Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Würzburg mit.

Die Malereien seien für die Kunstgeschichte von essenziellem Interesse, begeistert sich Projektleiter Stefan Kummer, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Würzburg: "Thüringen war im Mittelalter territorial stark zergliedert und ohne kirchliches Zentrum. Das Kunstgeschehen wurde darum stark von außen bestimmt."

Glas- und Tafelmalereien seien bislang im Fokus der Forschung gestanden. Sie aber könnten nur bedingt Aufschluss geben - zumal sie gerade aus den frühen Jahrhunderten des Mittelalters nur sehr lückenhaft erhalten sind.

Anders die Wandmalereien: "Der ungewöhnlich reich erhaltene Bestand ermöglicht einen querschnittartigen Blick auf die Kultur Thüringens, wie sie sich in der großformatigen Malerei diese Zeit niedergeschlagen hat." Kummer verweist auch auf einen methodischen Vorteil: "Die Wandmalereien sind ortsfest. Importware gibt es hier nicht."


Erste Fotodokumentation verschollen

Dennoch hat die Forschung den größten Teil der Wandbilder aus dem Mittelalter bislang ignoriert. Nicht einmal ein genauer Überblick war bisher möglich: Ein entsprechendes Vorhaben der Akademie der Wissenschaften der DDR sei nie über eine erste Fotodokumentation hinausgekommen, weiß Kilian Grüger, einer von Kummers Mitarbeitern.

"Diese Fotos wären heute Gold wert, scheinen aber mit der Privatsammlung des damaligen Weimarer Bearbeiters verschollen zu sein", bedauert Grüger. Seinerzeit dürfte ein großer Teil der Malereien noch verhältnismäßig gut erhalten gewesen sein. Heute aber seien die Bilder akut gefährdet, sorgt sich der Würzburger Kunsthistoriker und macht damit die große Dringlichkeit des Projekts deutlich.


Starke Partner: Restauratoren und Kunsthistoriker

Gemeinsam mit dem Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie sowie mit der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten wollen Kummer und sein Team die Malereien in einem wissenschaftlichen Bestandskatalog entwicklungsgeschichtlich erschließen.

Restaurator Veit Gröschner und Kunsthistoriker Kilian Grüger arbeiten dabei Hand in Hand. Das ist wichtig, denn für die entwicklungsgeschichtliche Einordnung sind die Kunsthistoriker auf das Urteil der Restauratoren angewiesen. "Bis heute werden lange zurückliegende Restaurierungen in der Kunstgeschichtsforschung zu wenig hinterfragt", sagt Professor Kummer. "Gerade hinsichtlich der Authentizität historischer Wandmalereien ist aber erhebliche Vorsicht geboten."

Durch die Zusammenarbeit von Gröschner und Grüger finden malereitechnologische und kunsthistorische Aspekte gleichermaßen Eingang in Dokumentation, Datierung und entwicklungsgeschichtliche Einordnung der Objekte. Ein völlig neuer Ansatz: "So etwas hat es noch nie gegeben", schwärmen alle Beteiligten. "Ohne die gute Kooperation zwischen Thüringer Denkmalpflegern und Würzburger Wissenschaftlern wäre das nie möglich gewesen."

Mittelalterliche Schätze in Thüringen: Oben das Fragment einer Apostelcredo-Malerei in der Kapelle des Wartburgpalas, unten eine Marientod-Darstellung in der Stadtpfarrkiche St. Maria in Weida. - Fotos: © Kilian Grüger

Mittelalterliche Schätze in Thüringen: Oben das Fragment einer Apostelcredo-Malerei in der Kapelle des Wartburgpalas, unten eine Marientod-Darstellung in der Stadtpfarrkiche St. Maria in Weida. So nahe sich die beiden spätromanischen Malereien von ihrer Entwicklungsgeschichte her stehen, so unterschiedlich präsentieren sie sich den Kunsthistorikern: Das auf den ersten Blick schwächere Bild (oben) zeigt - trotz aller Schäden - nur Originalsubstanz. Das Bild unten dagegen ist mit Ausnahme der blasseren Partien ganz rechts von entstellenden Übermalungen der 1930er-Jahre geprägt.
Fotos: © Kilian Grüger


Spitzenbetrag von der DFG

Der immense Zeugniswert der wertvollen Malereien. Die Dringlichkeit der Aufgabe. Das wegweisende Arbeitskonzept. Die vorbildliche Kooperation dreier führender Fachinstitutionen: Starke Argumente, denen sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) nicht verschlossen hat: Sie fördert das Grundlagenvorhaben mit fast einer halben Million Euro - ein für die Geisteswissenschaften ungewöhnlicher Spitzenbetrag.


Umfangreiche Vorarbeiten geleistet

In den Schoß gefallen ist der Geldsegen den Forschern allerdings nicht, denn Kilian Grüger hat umfangreiche Vorarbeiten geleistet. Vor Ort überprüfte er etliche hundert Objekthinweise, die er aus monatelangen Literatur- und Archivrecherchen erlangt hatte. Diese Mammutaufgabe war nur mit einem Promotionsstipendium und einer Reisekostenbeihilfe der Universität Würzburg zu stemmen. Ohne die dabei gewonnenen Ergebnisse wäre die Vorbereitung eines Förderantrages an die DFG nicht erfolgversprechend gewesen, resümiert Grüger.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution99


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Robert Emmerich, 31.08.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2010