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TIERE/109: Schützt die Schildkröten ... (SB)



Meeresschildkröten waren nicht immer Meeres-Schildkröten. Sie entwickelten sich erst aus den vor ungefähr 230 Millionen Jahren lebenden Land- oder Süßwasserschildkröten. 2007 entdeckten Hobbypaläontologen (Paläontologen sind Wissenschaftler, die nach Fossilien suchen, um etwas über Lebewesen und Lebenswelten in erdgeschichtlicher Vergangenheit in Erfahrung zu bringen) eine fast vollständige versteinerte (fossile) Meeresschildkröte (Desmatochelys padillai sp.), die aus der Kreidezeit stammt und deren Alter auf mindestens 120 Millionen Jahre geschätzt wird. Nun geht man davon aus, dass die Aufspaltung von Land- und Süßwasserschildkröten auf der einen Seite und Meeresschildkröten auf der anderen, etwa in dieser Zeit stattgefunden hat. Doch warum das geschah, konnte noch nicht wirklich geklärt werden.


Vom Land ins Wasser

Im Verlauf der vielen, vielen Jahre hat sich der Körper der Meeresschildkröten immer besser an das Leben im Salzwasser angepasst. Doch Kiemen bildeten sie nicht aus, sie blieben Lungenatmer und müssen daher immer wieder an die Wasseroberfläche, um Luft zu holen. Allerdings entwickelten sie erstaunliche Tauchfähigkeiten und können, je nach dem wie stark und wieviel sie sich bewegen, zwischen 5 Minuten und ca. 5 Stunden unter Wasser bleiben. Das funktioniert nur, weil ihr Herzschlag sich beim Tauchen stark verlangsamt und damit auch die Muskeltätigkeit. Das hat zur Folge, dass weniger Sauerstoff verbraucht wird, als es bei starker Muskelbewegung der Fall wäre. Ihre Beine wurden zu "Paddeln", zu einer Art Flossen umgewandelt und nur ein bis zwei Krallen an den Enden erinnern noch an die ursprünglichen Beine. Zusammen mit dem abgeflachten Panzer erhalten sie einen stromlinienförmigen Körper, der bestens zum Schwimmen und Tauchen geeignet ist. Die Fähigkeit, ihren Kopf bei Gefahr schützend in den Panzer einzuziehen, ist allerdings verloren gegangen.

Noch eine weitere Anpassung an das Leben im Meer war erforderlich. Die Nieren der Tiere konnten es allein nicht schaffen, das Salz des Meerwassers wieder auszuscheiden. Es bildeten sich sogenannte Salzdrüsen an ihrem Kopf aus, die ebenfalls zur Salzausscheidung dienen.



Die Meeresschildkröte hebt ihre großen vorderen Flossen, die sie wie Paddel benutzt, um sich vorwärts zu bewegen - Foto: 2007, by Brocken Inaglory [ or CC BY-SA 2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)], via Wikimedia Commons

Meeresschildkröte schwimmt über einem Korallenriff
Foto: 2007, by Brocken Inaglory [ or CC BY-SA 2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)], via Wikimedia Commons



Ein Leben im Meer und die Gefahren

Meeresschildkröten verbringen die meiste Zeit ihres Lebens im Wasser. Dabei halten sie sich nicht ständig in einem bestimmten Gebiet auf, sondern ziehen wie Nomaden umher und können täglich bis zu 100 Kilometer zurücklegen, wobei sie die Meeresströmungen nutzen, von denen sie sich treiben lassen. Sie jagen nach Kopffüßern, Krebsen und Quallen, ernähren sich aber auch von Pflanzen. Wie sie sich im Meer orientieren, konnte bislang noch nicht genau geklärt werden. Doch schaffen es die Weibchen zur Eiablage ihren Weg genau an den Strand zu finden, an dem sie selbst einst aus dem Ei geschlüpft sind. Nachdem sie sich im Wasser gepaart und schließlich "ihren" Strand erreicht haben, gehen sie im Schutz der Nacht an Land, graben eine 30 bis 50 Zentimeter tiefe Mulde in den Strandboden, in die sie ungefähr 100 Eier legen.


Die Schildkröte liegt zum Teil mit etwas Sand bedeckt und man kann vermuten, dass sie gerade mit der Eiablage beschäftigt ist - Foto: 2006, by uploaded by Johntex (United States Fish & Wildlife Service (USFWS) [1]) [Public domain], via Wikimedia Commons

Eine Karibische Bastardschildkröte am Strand
Foto: 2006, by uploaded by Johntex (United States Fish & Wildlife Service (USFWS) [1]) [Public domain], via Wikimedia Commons

Danach bedecken sie ihr Gelege wieder mit Sand. Die Sonnenwärme brütet die kleinen Schildkröten aus. Eine Besonderheit hat es mit dieser Wärme auf sich. Liegt die Temperatur über 29° Grad, entwickeln sich aus den Eiern weibliche, liegt sie darunter, männliche Schildkröten. Es kann 45 bis 70 Tage dauern, bis die Kleinen schlüpfen. Aber wie finden sie den Weg ins Wasser? Nach dem Schlüpfen laufen sie sofort los und es sieht so aus, als wissen sie den Weg ganz genau. Man geht davon aus, dass sie vom Mondlicht Hilfe erhalten, dass das Meerwasser anstrahlt und als glänzende Fläche erscheinen lässt, auf die die Schildkrötenbabys zukrabbeln. Mit der Fortpflanzung und Vermehrung der Meeresschildkröten steht es allerdings nicht zum Besten. Oft werden bereits die Eier am Strand von Nesträubern (z.B. Stinktieren oder Waschbären) geplündert. Auch starke tropische Stürme verwüsten die Strände und zerstören die Schildkrötengelege.

Doch auch die frisch geschlüpften Kleinen haben eine Menge Feinde. Auf ihrem Weg ins Meer fallen viele von ihnen den Möwen oder Rabenvögeln zum Opfer. All diejenigen, die das Glück hatten und das Wasser erreichten, erwartet dort die nächste tödliche Bedrohung: hungrige Krabben und Raubfische machen sich über sie her. Man schätzt, dass von tausend kleinen Schildkröten nur ungefähr eine das Alter von 20 bis 30 Jahren erreicht. Erst in dieser Zeit erlangen sie ihre Fortpflanzungsfähigkeit. Es ist erstaunlich, dass diese Tiere bei all den Bedrohungen über Jahrmillionen in so großer Zahl überleben konnten.


Der Panzer der grünen Meeresschildkröte schimmert, wie ihr Name bereits andeutet, grün. Ihr Körper ist in verschiedenen Grautönen gezeichnet - Foto: 2007, by Thierry Caro [CC BY-SA 2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)], via Wikimedia Commons

Eine Oliv Bastardschildkroete
Foto: 2007, by Thierry Caro [CC BY-SA 2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)], via Wikimedia Commons



Meeresschildkröten vom Aussterben bedroht

Der größte Feind der Meeresschildkröten ist der Mensch. Er sammelt ihre Eier, jagt sie, um sie zu essen, ihre Haut als Schildkrötenleder zu verkaufen oder das Schildpatt ihres Panzers teuer zum Kauf anzubieten. Obwohl der Handel mit Schildkrötenprodukten seit 1979 verboten ist und sie nicht gefangen oder getötet werden dürfen, findet all das leider trotzdem statt.

Auch durch die Ausweitung der Städte, den Bau von Straßen und den vielen dabei errichteten Lichtquellen, wird das Leben der Meeresschildkröten gefährdet. Denn durch das künstliche Licht können beispielsweise die gerade geschlüpften Schildkrötenbabys in die Irre geleitet werden, weil sie es vom Mondlicht nicht unterscheiden können. Sie erreichen das Meer nicht und sterben. Die Strände werden mehr und mehr vom Menschen beansprucht oder sie verschwinden zunehmend, weil der Sand für den Bau von Straßen und Gebäuden gebraucht wird.


Gefahr durch Plastikmüll und Fischfangmethoden

Oft sind die Strände mit Müll oder Ölrückständen verunreinigt, was die Brutplätze der Schildkröten weiter einschränkt. Unmengen von Plastikmüll haben sich über die Meere verteilt. Feinste Kunststoffteilchen sinken auch in die Tiefe, aber auch größere Teile, wie Verpackungen, Strohhalme, Plastiktüten und vieles mehr sind auf und knapp unter der Meeresoberfläche verbreitet. Die Meeresschildkröten fressen Plastiktüten, weil sie die mit Quallen, eine ihrer Lieblingsspeisen, verwechseln und verenden qualvoll daran. Durch moderne Fischfangmethoden verfangen sich Tausende von Meeresschildkröten in den Netzen und finden als sogenannter Beifang den Tod. Das Zusammenprallen mit Booten oder Schiffsschrauben führt zu vielerlei Verletzungen oder zum Sterben der Tiere.


Tierschützer kämpfen für die Rettung der Meeresschildkröten

Viele Wissenschaftler, Tierschützer und Naturschutzorganisationen haben die Not der Meeresschildkröten erkannt und entwickeln immer neue Ideen und Projekte, um den Tieren einen geschützten Lebensraum zu schaffen. Es wurden beispielsweise Brutgebiete eingezäunt und bewacht oder Zuchtstationen aufgebaut mit dem Ziel, die Tiere schließlich wieder ins Meer zu entlassen. Die Insel Sipadan (Borneo) wurde 2004 zum Naturschutzgebiet erklärt, damit die dort lebenden Meeresschildkröten und andere Meerestiere nicht vom Menschen bedrängt und geschädigt werden. Erfolge verzeichnete man auch auf den Turtle Islands in der Sulusee, auf denen 2011 bereits wieder 14.220 Meeresschildkrötengelege mit schätzungsweise 1.44 Millionen Eiern gezählt werden konnten. Mittlerweile gibt es vielerorts sogenannte Turtle Islands (Schildkröten Inseln).

In Amerika, im Staat Florida, wurde sogar ein Schildkrötenkrankenhaus eingerichtet: das "Turtle Hospital Florida". Die Absicht der Mitarbeiter dieses Krankenhauses ist, die Tiere zu retten, zu behandeln und möglichst wieder in die Freiheit zu entlassen. Es gibt immer mehr Schildkröten, beispielsweise die Grünen Meeresschildkröten, die an Tumoren leiden. Große und kleine dieser Geschwüre sind oft auf ihrem ganzen Körper zu finden und werden in dem Operationssaal so gut es geht, entfernt. Wunden, die die Schildkröten erlitten, als sie von einem Boot überfahren wurden, werden behandelt, Angelhaken entfernt oder Müll aus ihrem Magen geholt. Im Schildkrötenkankenhaus gibt es natürlich keine Betten, sondern verschieden große Wassertanks, in denen die unterschiedlichen Meeresschildkröten gepflegt werden. Rund 1500 Tiere konnten wieder zurück ins Meer gebracht werden.

Die Meeresschildkröten überlebten die Dinosaurier und geographische Veränderungen wie die Kontinentalverschiebungen, sie lebten in Zeiten, als Inseln entstanden und wieder verschwanden, überstanden das Sterben von Korallenriffen und den Verlust von Brutgebieten. Auch Naturkatastrophen wie Eiszeiten und Seebeben brachten ihre Art nicht zum Aussterben. Diese urtümlichen, uralten Reptilien haben sich im Körperbau nur ganz wenig verändert. Heute ist es dem Menschen gelungen, sie innerhalb erdgeschichtlich kürzester Zeit beinahe auszurotten. Wer, wenn nicht der Mensch, sollte diesen Tieren nun beim Überleben helfen und sie vor dem Aussterben bewahren?


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.wwf.de/themen-projekte/artenlexikon/meeresschildkröten/

http://www.geo.de/geolino/natur-und-umwelt/5122-rtkl-meerestiere-meeresschildkröten-nomaden-der-meere

https://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article147538872/Toedlicher-Plastikmuell-bedroht-Meereschildkröten.html

http://rausinsleben.de/schildkroetenkrankenhaus-florida

https://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article152143518/Immer-mehr-Meeresschildkroeten-mit-Tumoren-uebersaet.html



13. September 2017


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