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TIERE/092: Tiergenie und Lebenskunst - nachgeplappert ... (SB)


Der Papagei spricht ..., aber weiß er was er sagt?



Graupapagei von vorn, auffallend sind die roten Schwanzfedern - Foto: 2010, by Quartl (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Das ist nicht der berühmte Papagei Alex, aber ein unbekannter Artgenosse von ihm
Foto: 2010, by Quartl (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Allgemein ist bekannt, dass ein Papagei Worte sprechen kann, vorausgesetzt er lebt mit einem Menschen zusammen, der ihm auch Worte vorspricht, die er lernen kann. Bei dem "Sprechen" eines Papageis handelt es sich um das Nachahmen von Lauten. Man nahm bisher nicht an, dass ein sprechender Vogel auch versteht, was diese Worte bedeuten. Sagt jemand ständig zu seinem Vogel-Liebling: "Na, mein lieber Schatz", dann kann es schon passieren, dass dieser sich die Laute merkt und versucht sie nachzuahmen. Das etwas leicht gekrächzt Ausgeprochene klingt dann tatsächlich wie "Na, mein lieber Schatz". Aber weiß der Papagei auch, was er da sagt? Kennt er den Inhalt der Wortklänge?


Ein ganz berühmter Vogel und seine Lehrerin

Diese Frage interessierte auch Dr. Irene Pepperberg. Sie kaufte sich 1977 in einer Tierhandlung in Chicago (USA) einen 12 Monate alten Graupapageien, den sie Alex taufte. Sie wollte ihm sprechen beibringen. Doch sollte er nicht einfach Laute nachahmen, sondern bestimmte Begriffe auch verstehen. Ob ihr Papagei dazu in der Lage sein würde, war eben das, was sie herausfinden wollte - ein sehr ehrgeiziges Vorhaben. Zunächst musste sie eine Methode finden, wie sie mit ihrem Vogel arbeiten konnte, damit er überhaupt eine Chance hatte, sprechen und verstehen zu lernen. Der deutsche Zoologe Dr. Dietmar Todt, der sich schon seit 1970 mit der Sprache der Vögel befasste, (genauer: "Forschungen zur gesanglichen Kommunikation der Vögel") hatte eine Lernmethode entwickelt. Sie wurde "Model-Rival-Technik" genannt. Frau Pepperberg wandelte diese Methode etwas ab und begann ihr Experiment.


Wie funktioniert diese Methode?

An den Sprachlernsitzungen waren Frau Pepperberg, eine Assistentin und der Papagei Alex beteiligt. Die Assistentin, wir nennen sie einfach Jenny, übernahm dabei den Part eines Artgenossen von Alex - sie spielte einen anderen Papageien.

Das Experiment beginnt: Der Assistentin wird eine Frage gestellt. Etwa: "Welche Form ist das?" Jenny antwortet: "Das ist ein Viereck." Dr. Pepperberg lobt Jenny und applaudiert. Dann stellt sie Jenny eine neue Frage und bei der richtigen Antwort wird das Loben und Applaudieren wiederholt. Der Papagei beobachtet das Geschehen. Nach einer Weile richtet Frau Pepperberg die Fragen, die sie zuvor Jenny gestellt hat, an den Papageien Alex. Alex antwortet genauso wie Jenny zuvor beispielsweise auf die Frage: "Welche Form ist das?" mit: "Das ist ein Viereck". Dr. Pepperberg lobt und applaudiert dem Vogel genau wie sie es zuvor bei ihrer Assistentin getan hatte.


Wie wird dieses Verhalten erklärt

Hier handelt es sich um das Nachahmen eines bestimmten Verhaltens. Die Forscher erklären sich das in etwa folgendermaßen: Der Papagei beobachtet Dr. Pepperberg und ihre Assistentin, die er angeblich als seinesgleichen erkennt. Weiter wird angenommen, dass er sie ebenfalls sowohl als eine Artgenossin wie auch als eine Rivalin betrachtet. [1] Er ahmt die richtige Antwort der Assistentin nach, weil er genau wie sie den Applaus und die Belohnung erhalten will. Ungefähr so wie ein Geschwister auch etwas haben möchte, was das andere hat und eine Art Neid entsteht, sie also in dem Moment kleine Rivalen sind. Das soll, so die Forscher, die Antriebskraft für das Lernen beziehungsweise Nachahmen verstärken.

Man kann nicht sicher sein, ob ein Papagei wirklich so kompliziert in menschlichen Verhaltensweisen denkt. Vielleicht hat er nur einfach Spaß am Spielen, schaut zu, wie das Spiel geht und macht das gleiche wie die anderen Mitspieler. Wer weiß das schon? Nichtsdestotrotz bleibt das Ergebnis gleich: der Papagei spricht und benennt Formen und Farben, ganz so wie es ihm vorgespielt wurde. Das ist eine enorme Leistung. Schließlich ist der Vogel "nur" ein Tier, aber eines, das sich bemüht, die Sprache eines Menschen zu lernen! Das ist wirklich bewundernswert. Welcher Mensch würde versuchen, papageiisch zu lernen? Welcher Mensch setzt sich hin und übt, sich mit seiner Katze in Katzenlauten zu verständigen? Das geschieht wohl eher selten.

Ob der Papagei nun wirklich begreifen kann, was ein Viereck, ein Schlüssel oder Dreieck ist, kann nicht wirklich geklärt werden. Er kann nicht wissen, wofür Menschen beispielsweise Schlüssel benutzen. Vermutlich wird er auch nicht erfassen, was Menschen mit Vierecken und Dreiecken anfangen. Schließlich haben diese Gegenstände in seiner natürlichen Lebenswelt keinen Nutzen und würden kaum seine Beachtung finden.

Für ihn bedeutet das Benennen des Vierecks zunächst nur "Belohnung", vielleicht behagt ihm auch die Zuwendung und Aufmerksamkeit des Menschen, die auf eine richtige Antwort folgen. Es könnte auch sein, dass er einfach Spaß an diesem Erkennungs-Spiel hat, das ja nur dann funktioniert, wenn er die gezeigten Gegenstände mit den richtigen Begriffen benennt. Liegt es da nicht viel näher, anzunehmen, dass der Vogel ein ganz eigenes Verständnis von den ihm gezeigten Formen, Farben und Gegenständen entwickelt, das nicht mit dem des Menschen übereinstimmen muss?

Nachsatz: Der Papagei Alex wurde sehr berühmt in der Welt der Biologen und Verhaltensforscher, weil er eine außergewöhnliche Lernfähigkeit zeigte. In den 30 Jahren, die er mit Frau Dr. Pepperberg zusammen lebte und trainierte, erweiterte er sein Können, was gleichsam auch die enge Bindung an Frau Pepperberg festigte. Alex starb im September 2007 im Alter von 31 Jahren.


Anmerkung:

[1] Model-Rival-Methode/ Model = Modell/(Vorbild), Rival = Rivale, Konkurrent

Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/nachruf-auf-alex-der-schlaueste-papagei-der-welt-ist-tot-a-505121.html

http://diepresse.com/home/science/734395/Wundertier-Alex-konnte-nicht-nur-reden-sondern-auch-rechnen


7. September 2016


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