Die enorm wichtige Rolle, die die Regenwälder und überhaupt alle Wälder auf der Erde spielen, wenn es um den Erhalt des Weltklimas geht, ist wohl den meisten schon bekannt. Ebenso wichtig ist es, sie zu erhalten und zu schützen. Doch es gibt noch andere Pflanzen, die weit weniger im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen, die aber auf eine noch weitaus effektivere Art und Weise zum Ausgleich des Klimas beitragen.
Seegras dürfte nicht vielen bekannt sein, oder vielleicht nur in Form von abgerissenen, welken Grasbüscheln am Ferienstrand. Doch die lebendigen Unterwasserpflanzen wachsen in Küstennähe in den flacheren Gewässern, die noch gut vom Sonnenlicht durchflutet werden, auf großen, grünen Seegraswiesen. Diese Grünflächen haben viel gemeinsam mit den Wiesen an Land. Statt Insekten und Schmetterlingen huschen kleine Fische dort umher und nicht der Wind, sondern die Wellen lassen das Seegras hin und her wogen. Zwischen den Halmen wuseln keine Ameisen, sondern kleine Krebse. Aber es gibt noch mehr Gemeinsamkeiten mit den Landpflanzen. Das Seegras ist auf das Sonnenlicht angewiesen, denn diese unter Wasser wachsenden Pflanzen betreiben ebenfalls Photosynthese. Doch dazu später mehr, denn das ist ein wesentlicher Grund, der dieses Gras zu einem so hervorragenden Klimaretter werden lässt, was einer genaueren Erläuterung bedarf.
Eine einzelne Seegraspflanze
Foto: 2006 by Kristian Peters -- Fabelfroh 09:28, 16 September 2006
(UTC) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)],
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Zunächst zur Pflanze selbst: bei dem Seegras handelt es sich um die einzige Unterwasserpflanze, die Samen entwickelt. Ihre Wurzeln halten sie im Meeresboden fest. Wie ihre Artgenossen an Land müssen auch sie bestäubt werden, wobei die Meeresströmung die Aufgabe als Bestäuber übernimmt, und sie bilden Blüten und Früchte aus. Aufgrund einer beeindruckenden Anpassungsleistung ist es dieser Pflanze, die sich vor weit mehr als 10 Millionen Jahren aus den an Land wachsenden Blütenpflanzen entwickelt hat, gelungen, im Meer zu leben und mit dem salzigen Wasser zurechtzukommen. Sie wächst in beinahe allen Küstenregionen, dient vielen Meeresbewohnern als Nahrung, als Versteck oder als Laichplatz. Außerdem können Seegraswiesen Schadstoffe und Verunreinigungen aus dem Wasser filtern. Und - wie wir noch sehen werden - Seegras entzieht der Luft gewaltige Mengen an Kohlendioxid, also jenem Gas, das zur Erderwärmung beiträgt, und speichert es. Man findet diese Unterwasser-Wiesen beispielsweise an den Mittelmeerküsten, vor den Balearen-Inseln, den Küsten des Indischen Ozeans, vor Westafrika, im Golf von Mexiko, aber auch in den Küstengebieten der Ostsee oder im Wattenmeer der Nordsee. Würde es sich um intakte und gesunde Seegraswiesen handeln, wäre das ein Gewinn im Kampf gegen den Klimawandel. Doch leider gehen die Seegras-Bestände auf der ganzen Welt bedenklich schnell zurück. Es gibt Berechnungen, die voraussagen, dass zum Beispiel bis zum Jahr 2060 im Mittelmeerraum kein Seegras mehr zu finden sein wird, was zur Folge hätte, dass das Mittelmeer zu einem trüben, schmutzigen Gewässer verkommt.
Mehrere Seegrasbüschel
Foto: 2007, by Colin.faulkingham at English Wikipedia (Create by Colin
Faulkingham in Summer 2007.) [Public domain], via Wikimedia Commons
Für das Verschwinden der Seegraswiesen gibt es verschiedene Gründe: durch Baumaßnahmen in Küstennähe oder durch den Deichbau und die Landgewinnung werden diese Lebensräume vernichtet. Hinzu kommt noch, dass das Seegras eine sehr empfindliche Pflanze ist, die auf Unstimmigkeiten im Wasser reagiert, zum Beispiel auf eine zu große Menge an Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor. Die stammen aus der Landwirtschaft, wo sie als Dünger eingesetzt und deren Rückstände dann über die Flüsse ins Meer gespült werden. Aber auch andere Stoffe, die aus Klär- oder Industrieanlagen abgeleitet werden, führen zu einem erhöhten Wachstum von einzelligen Algen, dem sogenannten Phytoplankton. Verbreiten sich diese Algen zu sehr, färbt sich das Wasser grün, verdunkelt es und verringert damit die Sonneneinstrahlung. Das empfindliche Seegras reagiert bereits auf diesen Lichtmangel, was sich auf sein Wachstum auswirkt. Ein ganz anderes Problem taucht in den Regionen auf, in denen das Seegras geerntet wird, um als Stoff zur Herstellung von Möbeln, Körben, Stoffen oder Dämmmaterial genutzt zu werden. Seegras ist sehr haltbar, schwer brennbar und es schimmelt nicht. Das sind natürlich gute Eigenschaften, um als Werkstoff zu dienen.
Seegras-Ernte aus dem Jahr 1888
Foto: by Various (Scan from the original work) [Public domain], via
Wikimedia Commons
Auch durch den Einsatz von Schleppnetzen in der Fischerei werden gewaltige Löcher in die Seegraswiesen gerissen, die oft über Jahre und viele Jahrzehnte kahl bleiben. Schiffe, die ihre Anker dort werfen, zerstören die Pflanzen, aber auch der Müll, der im Meer entsorgt wird, trägt zur Vernichtung dieser Unterwasserpflanze bei. Von ganz anderer Seite lauern auch noch Gefahren. Bis in die 1930er Jahre wuchs im Wattenmeer in etwas tieferen Regionen das Große Seegras, das bis zu einem Meter hoch wurde. Im genannten Jahr allerdings wurde es durch eine eingeschleppte Pilzinfektion vernichtet. Heute leiden diese Pflanzen auch unter der langsam mehr und mehr steigenden Wassertemperatur, verursacht durch die Erderwärmung. Sie vertragen kein warmes Wasser und verkümmern. Wir sehen, Seegras ist eine sehr stark gefährdete Pflanzenart.
Foto: 2010, by IUCN Red List of Threatened Species, species assessors and the authors of the spatial data. [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Es ist leicht, sich vorzustellen, dass die Seegraswiesen schneller verschwinden, als dass sie nachwachsen können. Besonders bei dem im Mittelmeer vorkommenden Seegras (Posidonia oceanica) handelt es sich um die Art, die am langsamsten nachwächst. Zudem ist der Boden vielerorts auch schon so beschädigt, dass dort überhaupt kein Seegras mehr Wurzeln schlagen kann. Oft schlägt der Versuch der sogenannten Wiederaufforstung fehl, so dass die Erfolgsquote leider bei nur 30% liegt. Aber weltweit bemühen sich Wissenschaftler weiterhin Seegraswiesen wieder anzupflanzen und in einigen Regionen zeigen sich auch erste Erfolge. Durch einen Verbesserung der Leistung von Klärwerken konnte regional die Wasserqualität erhöht werden, was sich auch auf das Wachstum von Seegras auswirkte. Im nördlichen Wattenmeer haben sich die Bestände erholt, weil das Problem der erhöhten Menge an Nährstoffen im Meer erkannt und eingedämmt wurde. Mit einer zeitlichen Verzögerung von ca. 10 Jahren zeigte sich ein stetiger Anstieg des Wachstums von Seegras.
Jetzt werfen wir noch einmal eine Blick auf das Seegras als Klimaretter. Es wird behauptet, dass ein Hektar (100 Quadratmeter) Seegraswiese deutlich größere Mengen an Kohlendioxid bindet als ein Hektar amazonischer Regenwald. Was geschieht hier? Die Seegraspflanze nimmt das Kohlendioxid aus dem Wasser auf, um Photosynthese zu betreiben und daraus Nährstoffe für ihr Wachstum zu bilden und Sauerstoff abzugeben. Das hat den Effekt, dass der Kohlendioxid-Gehalt im Meerwasser sinkt und in der Folge dann wieder das Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen kann. Darum heißt es auch, dass die Ozeane zu den Kohlendioxid-Senken zählen. Aber ohne diese Grünpflanzen im Wasser wäre das nicht möglich. Und diese Pflanzen sollten gesund sein, denn nur intakte Seegraswiesen sind in der Lage, die Kohlenstoffverbindungen dauerhaft in sich und im Boden zu binden. Wenn eine Pflanze stirbt, sinkt sie auf den Meeresboden und wird nach und nach mit Sand und anderen abgestorbenen Pflanzenteilen bedeckt und so verbleiben die Kohlenstoffverbindungen im Boden gespeichert. Werden die Seegraswiesen beschädigt und herausgerissen, lockert sich der Boden, wird aufgewühlt, dann kann das Kohlendioxid wieder entweichen. Das ist so ähnlich wie beim Abholzen der Regenwälder, wo das in den Bäumen und im Boden gespeicherte CO2 auch wieder an die Atmosphäre abgegeben wird.
Mit der Vernichtung der Seegraswiesen gehen nicht nur Lebensräume und Nahrungsquellen für viele Tiere verloren, sondern auch eine Pflanze, die sehr effektiv gegen die Erderwärmung wirkt. Es bleibt das Problem, dass der weltweite durch den Menschen verursachte Kohlendioxid-Ausstoß so hoch ist, dass man schon reichlich mehr Seegraswiesen bräuchte, um einen messbaren Einfluss auf den Klimawandel zu nehmen.
Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:
https://www.schutztstation-wattenmeer.de/wissen/pflanzen/pflanzen-im-meer/seegras/
https://www.tagesspiegel.de/wissen/seegras-schuetzt-das-klima-das-zehn-milliarden-gras/10164984.html
https://www.swr.de/swr2/wissen/seegras-ist-bedroht/-/id=661224/did=18405986/nid=661224/1afvu98/index.html
http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-7472-2007-11-30.html
7. Mai 2018
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