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PFLANZEN/024: Wurzel und Blatt, geben und nehmen ... (SB)


Das eng miteinander verwobene Zusammenleben von Pflanzen und Tieren - keiner darf fehlen


Nirgends sonst auf der Erde wachsen so viele verschiedene Baumarten wie im Regenwald. Auffällig ist, dass gleiche Arten immer in weiter Entfernung voneinander stehen. Dieser Abstand der Jungbäume zu den Elternbäumen ist wichtig.

Um zu Überleben, ernähren sich viele Insekten oder Kleintiere von einem Baum oder benutzen seine Blätter als Eiablageplatz. Aus den Eiern werden Larven und dann Raupen, die die Blätter fressen. Aber es sind immer verschiedene Insekten, die sich auf bestimmte Bäume spezialisiert haben.

Der ausgewachsene Baum hat seine Methoden, mit seinen Fraßfeinden zurecht zu kommen, doch ein kleiner Keimling oder eine zarte Jungpflanze ist ihnen schutzlos ausgeliefert. Deswegen müssen die Samen der Bäume weit entfernt in die Erde gebracht werden. Befindet sich an dem Ort dann genügend Platz und Licht, kann der Samen aufgehen und wachsen, unbehelligt von den für seine Art typischen Fraßfeinden.

Doch wie gelangt der Same weit genug weg vom Elternbaum? Er braucht Hilfe. Den Wind für eine Windbestäubung kann er nicht nutzen, denn unter dem dichten Blätterdach des Regenwaldes weht kein Wind, der das bewerkstelligen könnte. Jetzt kommt es auf die Tiere an. Es gibt unzählige Vögel oder Flughunde, aber auch die Orang Utans und Zwergelefanten erweisen sich als wichtige Transporteure der Baumsamen. Zwergelefanten beispielsweise fressen die Früchte bestimmter Bäume, ziehen dann weiter, immer auf der Suche nach Nahrung, verdauen und hinterlassen ihren Kot mitsamt den Samen in oft 3 bis 6 Kilometern Entfernung. So, in gutem Nährboden zurückgelassen, können sie keimen und wachsen.

In Südamerika, im Amazonasregenwald, beispielsweise in Peru, wächst der Paranussbaum. An ihm lässt sich gut beobachten, wie Tiere und Pflanzen zusammenleben und jeder dabei seine Nahrungs- und Lebensgrundlage sichern kann. Fehlt eines der Tiere oder die Pflanze selbst, können auch die anderen nicht überleben.


Ein Paranussbaum ragt mit seiner großen Baumkrone hoch über das grüne Blätterdach des Regenwaldes - Foto: 2011, by Nando cunha (Own work) [CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0), via Wikimedia Commons

Foto: 2011, by Nando cunha (Own work) [CC BY 3.0
(http://creativecommons.org/licenses/by/3.0), via Wikimedia Commons


Der Paranussbaum

Der Paranussbaum kann bis zu 50 Meter hoch wachsen und ragt hier und da schon mal über das Blätterdach des Regenwaldes hinaus. Aus bestimmten Gründen lässt sich dieser Baum nicht wie andere Pflanzen in großer Zahl auf Plantagen oder ähnlichen Pflanzungen anbauen. Warum das so ist - das war auch für Wissenschaftler lange ein Geheimnis, da das Prinzip der Fortpflanzung dieses Baumes lange nicht durchschaut wurde.

Bis die Frucht des Paranussbaums reif ist und zu Boden fällt, dauert es ungefähr ein ganzes Jahr. Ihre Schale ist steinhart, in ihrem Inneren befinden sich ca. 20 bis 25 Samen. (Das sind die Nüsse, die wir hierzulande kaufen können).


Eine einzelne Paranuss - auch sie ist von einer harten Schale umschlossen - Foto 2003, by Horst Frank at the German language Wikipedia, CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Foto 2003, by Horst Frank at the German language Wikipedia,
CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)],
via Wikimedia Commons

Normalerweise sorgt das tropische Regenwaldklima dafür, dass organische Stoffe schnell zersetzt werden, nicht aber diese Schale. Hier kommt das Aguti als Nussknacker zu Hilfe. Es handelt sich um ein Nagetier, 42 bis 62 Zentimeter lang, es hat einen schlanken Körper und lange dünne Beine, die sich gut für schnelles Laufen eignen. Als Bodenbewohner kann es nicht klettern und frisst heruntergefallene Früchte und Nüsse. Nur dieses Nagetier ist in der Lage, die Frucht des Paranussbaums zu zernagen. Seine Zähne sind extrem scharf und mit einem ganz besonderem Zahnschmelz umgeben. Das ermöglicht ihm, die steinharte Schale aufzuraspeln. Die Samenkerne (Paranüsse) zu öffnen ist für ihn dann nur noch ein Kinderspiel. Doch kann das Aguti sie nicht alle auf einmal aufessen. Also versteckt es die restlichen Nüsse in einiger Entfernung von der geöffneten Frucht, damit seine Artgenossen ihm nicht seine Vorräte streitig machen können. Solange Früchte vom Paranussbaum herunterfallen, versteckt es immer weiter Nüsse. Doch viele von den Verstecken werden von anderen Agutis entdeckt und die schleppen sie dann, wenn sie sie nicht gleich auffressen, an einen anderen Ort. Gibt es viele dieser Nagerart in der Nähe eines Paranussbaums, ist eine weiträumige Verteilung der Nüsse gesichert.

Ein Aguti läuft durch Gras und Grünpflanzen. Deutlich zu sehen sind seine langen Beine - Foto: 2011, by Geoff Gallice (http://www.flickr.com/photos/dejeuxx/5768944310/) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Foto: 2011, by Geoff Gallice
(http://www.flickr.com/photos/dejeuxx/5768944310/)
[CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Wenn die Reifezeit der Frucht vorbei ist und kaum noch Früchte herabfallen, bedient sich das Aguti aus seinen Vorräten. Da es sich aber nicht all seine Verstecke merken kann, bleiben viele Nüsse in der Erde liegen. Bei günstigen Bedingungen keimen sie und eine neue Paranusspflanze wächst heran. Ohne diese emsigen Nussknacker ist die Verbreitung und damit auch der Fortbestand des Baumes nicht möglich. Sie pflanzen sozusagen ihren Nahrungsbaum selbst an und sorgen somit auch für ihr eigenes Überleben.

Aber zuvor muss die Frucht erst einmal heranwachsen und dazu ist es nötig, dass die Blüten des Paranussbaums bestäubt werden - und auch hierzu sind nur ganz besondere Tiere imstande - die Orchideenbienen (Euglossa). Zwar werden viele Insekten vom Duft des Baumes angelockt, doch einzig die Weibchen der Orchideenbienen sind in der Lage, die schwer zugängliche Blüte zu öffnen, um an den Nektar zu gelangen und nur sie haben eine Zunge, die lang genug ist, um den Nektar zu trinken. Dabei haftet der Blütenstaub an ihnen, den sie dann auf die nächste Blüte übertragen. Die Blütezeit einer einzelnen Blüte dauert nur einige Stunden, aber sie gehen zeitversetzt auf, sodass der Baum über Wochen blüht. Außerdem ist das Orchideenbienenweibchen in der Lage, über große Entfernungen zu fliegen, was erforderlich ist, weil die Paranussbäume weit auseinander stehen.

Da der Paranussbaum nicht das ganze Jahr über blüht, müssen in seiner Umgebung genügend andere Pflanzen wachsen, deren Blüten die Weibchen auch noch als Nektarquelle für ihre Ernährung nutzen können. Auf dem Paranussbaum selbst ist zwar noch eine besondere Orchideenart anzutreffen, doch interessiert sich das Orchideenbienenweibchen nicht für deren Nektar.

Im Gegensatz zu den Bienenweibchen, die weder Schwarm noch Gemeinschaften bilden, leben die Männchen zu mehreren Tieren zusammen. Sie trinken den Nektar und ernähren sich vom Pollen von genau den Orchideen, die in den hohen Astgabeln des Paranussbaums wachsen. Diese Orchideenart verströmt einen kräftigen Duft. Er entsteht durch ein klebriges Sekret, das ihren Blütenblättern anhaftet. Besucht nun ein Männchen eine Orchideenblüte, nimmt er diesen Duftstoff auf. Mit seinen Vorderbeinen streicht er über die Blütenblätter und das an seinen Füßen haftende Sekret verstaut er an seinen Hinterbeine. Sie sind in einer Weise geformt, dass dort eine bestimmte Menge des duftenden Sekrets gesammelt werden kann. Dieser sehr intensive Duft lockt ein Weibchen an und es kommt zu ihrer Begattung. Auf diese Weise ist für die Nachkommenschaft der Orchideenbiene gesorgt.


Ein grün schillerndes Orchideenbienenmännchen in Großaufnahme - Foto: 2004 by Jacob Rus freigegeben als CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Male_Euglossa_sp.jpg#/media/File:Male_Euglossa_sp.jpg

Foto: 2004 by Jacob Rus freigegeben als CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Male_Euglossa_sp.jpg#/media/File:Male_Euglossa_sp.jpg

Vor diesem Hintergrund ist es gar nicht mehr erstaunlich, warum es nicht möglich ist, den Paranussbaum auf Plantagen anzubauen. Er kann nicht in Monokulturen leben, die aber auf Plantagen üblich sind. Selbst wenn man seine Fraßfeinde mit Pestiziden bekämpfen würde, müssten in seiner Umgebung viele andere Blütenpflanzen angesiedelt werden, damit die Ernährung der weiblichen Orchideenbienen gesichert ist. Diese Pflanzen bieten wiederum Lebensgrundlage für viele verschiedene Insekten oder Kleinstlebewesen. Die Abstände zwischen den Bäumen müssten auch sehr groß sein, denn die Bäume brauchen Licht und Platz. Immerhin können sie sehr hoch wachsen und entwickeln eine ausladende Baumkrone. Zudem müsste ein Regenwaldklima vorherrschen, um Pflanzen und Tiere gedeihen zu lassen - und das kann eben nur in einem Regenwald entstehen.

Am besten scheint es also, die Bäume dort zu belassen, wo sie seit jeher wachsen - im Regenwald. Will der Mensch die Paranüsse ernten, so muss er sie auch genau dort auflesen und das nur in wohl geschätzter Menge, sodass weder die Agutis ihrer Nahrung beraubt werden, noch die Verbreitung und der Fortbestand der Paranussbäume in Gefahr gebracht wird. Wissenschaftler verstehen erst ganz wenig von den vielfältigen ineinandergreifenden Überlebenstechniken, die einfach zum gesamten lebendigen Regenwaldsystem gehören.

Das Abholzen eines Baumes bedeutet nicht nur dessen Tod. Mit ihm sterben auch viele andere Lebewesen, die auf ihn angewiesen sind, genau wie er auf sie angewiesen ist. In diesem Zusammenleben darf keiner fehlen - jeder hat seine Aufgabe und seinen Nutzen.


Anmerkung:

Diesem Artikel liegen nachfolgende Quellen zugrunde:

TV-Sendung:
"Die Tricks des Überlebens"
Teil 1: Im Dschungel
Dokumentation, Großbritannien, 2012
Film von Paul Bradshaw
45 Min.

http://www.uni-duesseldorf.de/MathNat/Biologie/Didaktik/Exoten/Paranuss/dateien/besond1.html

http://www.paranussbaum.de/paranuss.php

http://de.mongabay.com/rainforests/0202.htm

http://www.das-tierlexikon.de/agutis-oder-acouchis-97-pictures.htm



18. Juli 2015


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