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PFLANZEN/023: Andere fressen andere ... (SB)


Pflanzen als einfallsreiche Überlebenskünstler



Pflanzen wachsen aus dem Erdboden heraus in Richtung Sonnenlicht. Einige ragen weit hinauf, andere bleiben klein und halten sich in Bodennähe auf. Die Erde ist nicht nur der Ort, der ihnen Halt gibt, sondern sie beziehen einen großen Teil der Nährstoffe, die für ihr Wachstum erforderlich sind, aus dem Erdreich. Nun sind die Böden aber nicht überall gleich. Es gibt Gegenden, da reicht die Erdkrume gerade aus, um den Wurzeln einer Pflanze als Verankerung zu dienen, doch enthält sie nicht ausreichend Nährstoffe. Trotzdem gedeihen Pflanzen an solchen Orten. Wie machen sie das?

Sie sehen sich nach anderen Nahrungsquellen um. Praktisch müssen sie ihre Nahrung aus der Luft beschaffen. Nur von Luft allein kann allerdings auch eine Pflanze nicht leben. Doch herumfliegende Insekten könnten ihren Speisezettel bereichern und sie mit den notwendigen Stoffen (Stickstoff und Mineralien) versorgen. Eine ungewöhnliche Vorstellung - Pflanzen fressen Tiere. Es sind gar nicht einmal so wenig Pflanzen, die sich auf diese Weise ernähren. Man nennt sie "fleischfressende Pflanzen". Aber wie bringen sie die Insekten oder auch andere kleine Tiere dazu, in ihre "Fallen" zu tappen?

Ein Beispiel für ein besonders ausgeklügeltes System bietet die Kannenpflanze (Nepenthes). Viele dieser Arten sind auf Borneo, Sumatra oder Neu Guinea anzutreffen. Sie wachsen zumeist auf Böden, die sie nicht ausreichend versorgen können. Die Kannenpflanze entwickelte ein spezielles Fangsystem für Insekten.

Zwei rötlichgrüne Kannenblätter, eine mit kräftig rotem Rand - Foto: 2006, by en:User:Rbrtjong (en:User:Rbrtjong) [Public domain], via Wikimedia Commons

Foto: 2006, by en:User:Rbrtjong (en:User:Rbrtjong) [Public domain], via Wikimedia Commons

Das geschieht folgendermaßen ...

Aus einer Knospe der Kannenpflanze, die übrigens so heißt, weil ihre Blätter aussehen wie eine kleine Kanne mit einem geöffneten Deckel, entwickelt sich ein Blatt der ganz besonderen Art. Voll ausgebildet besteht der Rand dieser "Kanne" aus lauter kleinen nebeneinander verlaufenden Fältchen, die ins Kanneninnere führen und von leuchtend roter Färbung sind. Ähnlich wie eine Blüte lockt das Kannenblatt mit seiner Farbe und seinem starken Geruch Insekten an. Für Fliegen, die gerne Aas mögen, ist dieser Duft unwiderstehlich. An der Unterseite des Kannendeckels werden sie mit einer fettigen Substanz gelockt, die sie sich schmecken lassen. Geraten sie während ihres Mahls aber auf den Kannenrand, fällt es selbst Fliegen, die sich sonst auf ziemlich glatten Flächen noch halten können, sehr schwer nicht abzurutschen. Denn die kleinen Fältchen des Randes sind rutschig. Zudem sind sie mit einer feinen Wachsschicht umgeben, die alles noch glatter macht. Gelingt es einem Insekt beziehungsweise einer Fliege nicht, sich festzuhalten und wegzufliegen, so rutscht sie in das Kanneninnere, an dessen Boden sich eine kleine Menge Flüssigkeit befindet. Sie besteht aus Verdauungssäften und wird von mikroskopisch feinen Fädchen durchzogen. Das hat zur Folge, dass die Flüssigkeit wie Treibsand wirkt. Das heißt, je mehr das Insekt bei dem Versuch der Falle zu entkommen, zappelt, desto rascher und tiefer versinkt es in der Flüssigkeit. Die enthält bestimmte Stoffe (Enzyme), welche das Tier auflösen und auf diesem Wege der Pflanze die erforderlichen Nährstoffe zukommen lässt. Auf diese Weise ist es der Kannenpflanze möglich, auch in Gebieten mit nährstoffarmem Boden zu gedeihen.

Mehrere Kannenblätter an einer Kannenpflanze (Nepenthes maxima), die orange-rot gefärbt sind - Foto: 2007 y Alfindra Primaldhi [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Foto: 2007 y Alfindra Primaldhi [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Einige Kannenpflanzen verzehren auch kleine Säugetiere, zum Beispiel Mäuse. Sie werden vom süßen Kannenrand angezogen und fallen bei der kleinsten ungeschickten Bewegung in die Kanne und ertrinken. Selbst kleine Vögel hat man schon in solchen Pflanzen verschwinden sehen.

Es geht aber auch anders ...

Es gibt noch ganz andere Möglichkeiten der Nährstoffzufuhr. Bei einer bestimmten Art der Kannenpflanzen, der Nepenthes lowii, geht es nicht so mörderisch zu. Sie wächst an den bewaldeten Berghängen von Borneo. Wie ihre Artgenossen lockt auch sie mit einem starken Duft. An der Innenseite ihres Kannendeckels scheidet sie Nektar ab, der wie weiße Zuckerwatte dort klebt.

Ein Spitzhörnchen, das aussieht wie eine Maus mit einem buschigem Schwanz Zeichnung: by Joseph Smit (1836-1929) aus 'Proceedings of the Zoological Society of London (1876)' gemeinfrei

Zeichnung: by Joseph Smit (1836-1929) aus "Proceedings of the Zoological Society of London (1876)" gemeinfrei

Für das Spitzhörnchen (Hochlandspitzhörnchen) ist das ein wahrer Leckerbissen. Um den köstlichen Nektar ablecken zu können, muss das Spitzhörnchen auf den Kannenrand klettern. Es hält sich mit seinen vier Füßchen dort fest, so dass sich sein Leib über der Kannenöffnung befindet. Doch das kleine Tier braucht sich nicht zu fürchten, denn für die Pflanze sind nur dessen Ausscheidungen von Interesse. Sie fallen während das Spitzhörnchen frisst, in das Kanneninnere, und von diesen Fäkalien ernährt sich die Pflanze. Dem Spitzhörnchen passiert nichts. Im besten Fall hat es reichlich genascht und sein Geschäft verrichtet.

Ein sogenanntes Luftblatt der Kannenpflanze Nepenthes lowii, zeigt eine rundlicher Kannenform mit Deckel - Foto: 2007, by JeremiahsCPs (Own work) [(CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Foto: 2007, by JeremiahsCPs (Own work) [(CC BY-SA 3.0
(http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)],
via Wikimedia Commons

Die Luftblätter wachsen weiter oben an der Pflanze. Ihr Kannendeckel ist weit geöffnet, so können Blätter von oben herab dort hineinfallen, wo sie ebenfalls als Nährstofflieferant dienen. Obwohl auch Insekten in die Kannen fallen können, wird diese Art (Nepenthes lowii) auch als "Vegetarier" unter den fleischfressenden Pflanzen bezeichnet.

Zwei große sogenannte Bodenblätter der Kannenpflanze Nepenthes lowii, zeigen eine länglich runde From - Foto 2006, by JeremiahsCPs at en.wikipedia (Transferred from en.wikipedia) [Public domain], from Wikimedia Commons

Foto 2006, by JeremiahsCPs at en.wikipedia (Transferred from
en.wikipedia) [Public domain], from Wikimedia Commons

Im Pflanzenreich findet man sehr unterschiedliche Methoden der Nährstoffaufnahme. In der gesamten Flora ähneln dabei die sogenannten "fleischfressenden Pflanzen" am meisten den Tieren. Sie haben allerdings keine Zähne und keinen Magen, weil sie ihr Futter anders verwerten, wie die hier beschriebenen Beispiele zeigen.

Pflanzen sind ebenso wie Tiere und Menschen auf Nahrung angewiesen. Ihr Kampf um Licht, Platz und Nährstoffe hat eine Vielzahl an Methoden sich durchzusetzen, um zu überleben, hervorgebracht. In diesem Überlebenskampf unterscheiden sie sich nicht wesentlich von anderen Lebewesen.



Anmerkung:

Diesem Artikel liegt nachfolgende Quelle zugrunde:
TV-Sendung "Das Königreich der Pflanzen"
3teilige Dokumentation, GB, 2012
mit Sir David Attenborough
Regie: Martin Williams
ca. 160 Min.



20. Januar 2015


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