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MUSIKKOFFER - KOMPONISTEN/017: Clara Schumann. In der Glaskutsche zum ersten Auftritt? (SB)


C L A R A   S C H U M A N N

Teil 2

In der Glaskutsche zum ersten Auftritt?



Für Clara muß das Klavierspielenlernen manchmal eine Qual gewesen sein, denn zum Spielen mußte das Mädchen einen sogenannten "Logier'schen Apparat", auch "Chiroplast" genannt, benutzen. Das war ein Gerät, das beim Klavierspiel zu einer guten Handhaltung führen sollte. Entworfen hatte es ein Mann namens Logier, und er behauptete, selbst ein dreijähriges Mädchen könne mit Hilfe des Spezialapparats konzertreif spielen lernen.

Soviel ich darüber herausfand, handelt es sich dabei um ein am Piano befestigtes Messinggestänge mit zwei hölzernen Handblöcken und entsprechenden Löchern für die Finger. Durch diese Löcher also wurden die Finger des Klavierschülers hindurchgesteckt. Man kann sich leicht vorstellen, daß die Beweglichkeit, um die es eigentlich beim Klavierspielen geht, durch diese Apparatur eher eingeschränkt wurde statt gefördert. Doch Logier schwörte auf seinen Spezialapparat und meinte, das Kind müsse hiermit zwangsläufig akkurat spielen. Auch einige andere Lehrer, darunter Claras Vater, vertraten diese Unterrichtsmethode. Es gab sogar richtige "Logier-Schulen", in denen vorwiegend Mädchen unterrichtet wurden, denn, so hieß es, sie seien gefügiger.

*

Vater Wieck war ungeheuer ehrgeizig. Clara lernte schnell und gut Klavier zu spielen. Mit neun Jahren hatte sie schießlich ihren ersten Auftritt im "Leipziger Gewandhaus". Das Leipziger Gewandhaus steht heute noch, und weiterhin werden dort Konzerte von vielen bekannten Musikern gegeben. Man erzählt, daß damals eigens für das Gewandhaus eine Glasequipage fuhr, d.h. eine Glaskutsche, in der auch Clara zu ihrem ersten Konzert abgeholt werden sollte. Sie war schrecklich aufgeregt und freute sich. Doch in ihrer Aufregung stieg sie fälschlicherweise in einen Omnibus, der vor der Tür hielt und in dem sich lauter Mädchen befanden. Welch ein Schreck muß es für Clara gewesen sein, als sie schließlich feststellte, daß der Bus in die falsche Richtung fuhr - unterwegs zu einer Festlichkeit. Zum Glück eilte die Glaskutsche des Gewandhauses der jungen Künstlerin hinterher, holte den Bus ein und Clara konnte umsteigen.

Tränenüberströmt und aufgelöst kam das Mädchen gerade noch rechtzeitig vor Konzertbeginn an. Papa Wieck, der offensichtlich bereits in der Konzerthalle wartete, empfing seine Tochter lächelnd mit einer Zuckertüte in der Hand und den Worten: "Das hatte ich vergessen, Dir zu sagen, Clärchen, daß man allemal verwechselt wird, wenn man zum ersten Mal öffentlich spielt!" Natürlich kannte noch niemand Clara Wieck. Das sollte sich bald ändern. Beruhigt durch des Vaters Worte, spielte Clara großartig - gekrönt von viel Applaus, wie in vielen noch folgenden Konzerten.

19. März 2014