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MUSIKKOFFER - KOMPONISTEN/009: Wolfgang Amadeus Mozart. Fußtritt in den Hintern (SB)


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Teil 6

Wolfgang und der Fußtritt in den Hintern



Etwas ganz Besonderes zu sein - träumt ihr nicht manchmal davon? Denkt ihr nicht auch, jemand mit solchen Fähigkeiten, wie man es sich von Wolfgang erzählt, könne gar keine Probleme gehabt haben, der müsse doch das Glück auf seiner Seite haben?

Viel ist vom kleinen wundersamen Wolferl erzählt worden, wie er bestaunt wurde, wie man sich darum gerissen hat, sein außergewöhnliches Spiel zu hören. Viele Geschichten ranken sich auch um den erwachsenen Wolfgang, der ein Musikstück nach dem nächsten komponierte, ja, der alles Erlebte zu Musik machte. Viel Zeit ist seitdem vergangen.

Wie alle Geschichten durch das Weitererzählen mit der Zeit verändert werden, so ist das auch mit Wolfgangs Geschichte geschehen. Das liegt an verschiedenen Dingen: Erstens, es ist tatsächlich etwas daran, wenn man sagt 'die Zeiten ändern sich'. Was damals für gut und richtig befunden wurde, wird heute schon lange nicht mehr so gesehen. Außerdem wissen wir über viele Dinge meist nicht einmal richtig Bescheid. In den meisten Fällen vergißt der Erzähler dies und zweitens hat jeder die Neigung, 'seine' Geschichte entstehen zu lassen. Der Erzähler wünscht sich Zuhörer, und der Zuhörer liebt dramatische Ereignisse und die Oh's und Ach's, die ihm all das Schreckliche entlocken können. Diese Neigungen haben dazu geführt, daß wir - und das betrifft natürlich nicht nur den Wolfgang - meist nur ein ganz einseitiges Bild gezeichnet bekommen.

Jedenfalls rate ich euch, ein offenes Ohr zu behalten, denn schnell glaubt man Gehörtes, und leider ist man auch im Urteilen besonders schnell. Bei genauerer Betrachtung sähe so manches anders aus - jedenfalls sollte man das nicht vergessen.

Ich werde euch nun also ein wenig weiter von Wolfgang erzählen und so nach und nach ein Bild davon zeichnen, wie ich mir nach allem Gelesenen diesen so begabten, großen Musiker vorstelle.

*

Inzwischen war das Wunderkind kein Wunderkind mehr. Inzwischen umschwärmten nicht mehr alle mit Entzücken einen niedlichen, unglaublich begabten Knaben, um dessen Spiel, dessen eigene Kompositionen zu hören. Man schrieb das Jahr 1772, Wolfgang war bereits 18 Jahre alt und mußte, wie jeder andere auch, 'seinen Mann stehen'. Wie sein Vater war er in den Diensten des Erzbischofs von Salzburg. Stellt euch vor, seit seinem 12. Lebensjahr hatte er dort den Posten des Konzertmeisters inne.

Das Jahr 1772 nun war das Jahr, in dem der Fürst von Schrattenbach, der gutmütige und geliebte Erzbischof und Brotgeber von Vater und Sohn Mozart, starb. Damit sollte für Wolfgang eine harte Zeit beginnen.

Nach langem Hin und Her war das Amt des neuen Erzbischofs einem Mann mit Namen Graf Hieronymus Joseph von Colloredo zugefallen - ein recht herrschsüchtiger und unangenehmer Geistlicher. Gut, der Graf war zwar ein Musikliebhaber und beherrschte selbst beinahe perfekt das Spiel auf der Geige, aber dennoch, er schien in Wolfgang lediglich ein verwöhntes Balg zu sehen, dem der Erfolg nicht anders als zu Kopf steigen konnte; und das, so meinte er, sei unter allen Umständen zu unterbinden.

Stolz auf Wolfgang und stolz für sein Salzburg hatte der alte Erzbischof Vater Leopold und Sohn Wolfgang fast uneingeschränkt zu reisen erlaubt. Graf Hieronymus von Colloredo sah hingegen nicht den geringsten Grund für solche Unterfangen und untersagte seinen beiden Hofmusikern dies sofort. Für ihn war Wolfgang ein Bediensteter wie jeder andere - und so und nicht anders behandelte er ihn. Abgesehen davon, daß Wolfgang mit dem Küchenpersonal speisen mußte, konnte es vorkommen, daß der Erzbischof nicht davor zurückschreckte, Wolfgangs Post zu öffnen.

Der junge Musiker, der gewohnt war, sich ob seines Könnens und seiner Beliebtheit in den Kreisen der Adligen frei zu bewegen, konnte und wollte eine solche Behandlung nicht akzeptieren. Außerdem, wenn man es so recht betrachtete - war Wolfgang nicht ein 'Ritter vom goldenen Sporn'? Eine Auszeichnung, die Papst Clemens XIV ihm in seinem 12. Lebensjahr verliehen hatte.

Ein Zusammenstoß zwischen dem Erzbischof und dem jungen Musiker wurde früher oder später unvermeidbar.

Als Wolfgang 1781 seinen Dienst in Salzburg endgültig aufkündigte, hatte er bereits einige unangenehme Lebenserfahrungen hinter sich bringen müssen. Die Reiseverbote Graf Colloredos hatten bereits einmal zu einer Trennung aus der Hofkapelle geführt. Wolfgang war erstmals ohne den Vater gereist und mußte, ganz auf sich gestellt, fern der Heimat, in Paris dem Tod seiner Mutter gegenübertreten, und trotz seiner überall geschätzten und bewunderten Fähigkeiten war er ohne neue Anstellung geblieben.

So entschied Wolfgang sich schließlich, dem Drängen und Bitten des Vaters nachzugeben und, wenigstens unter besseren Bedingungen, als Hof- und Domorganist nach Salzburg zurückzukehren.

Könnt ihr euch nun vorstellen, daß Wolfgang am Ende 1781 mit einem Fußtritt in den Hintern auf Befehl des Erzbischofs vor die Tür gesetzt wurde?

Ich hatte ja schon kurz erwähnt, welch unangenehme Erscheinung der Erzbischof gewesen sein mußte. Jedenfalls war dieser nicht in der Lage, Wolfgang ziehen zu lassen, als dieser 1781 seine Kündigung einreichte. Wolfgang hatte von der Behandlung des Erzbischofs nun endgültig genug.

Natürlich wußte Graf Colloredo von Salzburg eigentlich ganz genau, welchen Schatz er an Wolfgang besessen hatte. Er wußte nur zu gut um Wolfgangs Talent und Beliebtheit. Aber so, wie er den jungen Musiker zu allem gezwungen hatte, so wollte er ihn nun zwingen, in seinen Diensten zu bleiben. Er nahm Wolfgangs Kündigung einfach nicht an. Doch dieser meinte: "Ich bin der beste Kerl von der Welt, wenn man gut zu mir ist. Aber wenn ich sehe, daß jemand mich verachtet und geringschätzig behandelt, dann kann ich so stolz sein wie ein Pavian."

Mit Gewalt wurde Wolfgang schließlich im Namen des Erzbischofs vor die Tür gesetzt. So endete dieser lange Abschnitt in Salzburger Diensten tatsächlich mit einem Fußtritt in den Hintern. Was für eine Frechheit!

13. März 2014