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KALENDERGESCHICHTEN/042: 06-2014   Der kleine Wolf - Der traurige Bär (SB)


Fuchs und Wolf sehen sich die dicke Pfote des Bären an - Buntstiftzeichnung: © 2014 by Schattenblick

Der kleine Wolf

Der traurige Bär

Rufus der Fuchs war endlich bei Krawell und dem kleinen Wolf angekommen. Rudi bemerkte davon allerdings nichts, denn er schlief noch tief und fest. Während Fuchs und Rabe sich inzwischen Gedanken über ihre zukünftige Unterkunft machten, dröhnte ein lautes Gebrüll, von dem auch Rudi wach wurde.

"Was ist los? Wo bin ich? Wer brüllt da? Krawell!", rief der kleine Wolf aufgeregt.

Rufus war mit wenigen Sätzen zu ihm gesprungen und beruhigte ihn. "Wir wissen auch nicht, was hier vor sich geht. Krawell ist schon in der Luft und hält Ausschau."

Am Waldrand erspähte Krawell aus großer Höhe eine heftige Bewegung im Unterholz. Aus dem Gestrüpp drängte sich ein kleiner Bär hindurch, blieb auf der Wiese stehen, schüttelte Tannennadeln aus seinem Fell und blickte um sich. Er hatte eine der vorderen Pfote leicht angehoben. Als Krawell auf ihn zuflog, erschrak er und wollte weg rennen. Doch als er dabei seine Pfote aufsetzte, stöhnte er laut auf und humpelte auf drei Beinen weiter.

"Bleib doch stehen", rief der Rabe ihm von oben her zu, "warte, ich bin gleich bei dir."

Verdutzt setzte sich der kleine Bär hin und sah zu Krawell, der gerade eine etwas holperige Landung hinlegte und beinahe gestürzt wäre.

"Hallo, hast du so gebrüllt. Das hörte sich schlimm an, beinahe gefährlich. Hast du dir weh getan?"

"Ja, hmmm", jammerte der Bär.

"Zeig mal her!" Krawell beugte sich zu der verletzten Pfote und besah sie sich genau. "Die ist aber dick."

"Ja?"

"Ja, ziemlich viel dicker als deine drei anderen", erklärte der Rabe, wiegte seinen Kopf hin und her und überlegte, wie er helfen konnte. "Weißt du was, du bleibst jetzt ganz ruhig hier sitzen und ich hole Rufus und Rudi. Die machen sich nämlich sonst Sorgen, wenn ich nicht bald zurück komme. Wir wussten nicht, ob du ein gefährlicher Feind bist. Vielleicht befürchten sie, dass du mich gefressen hast. Also, bin gleich wieder hier."

Der Bär nickte und der Rabe flog los. Wenig später erreichte er mit dem kleinen Wolf und dem Fuchs den Verletzten. Da der Bär noch weitere Raben erwartet hatte, schaute er verwundert drein.

"Keine Sorge, das ist Rudi", stellte Krawell vor, in dem er mit seinem Flügel auf den Wolf zeigte, "und das ist Rufus", dabei drehte der Rabe seinen Schnabel in Richtung Fuchs.

Der Bär nickte, brachte aber keinen Ton heraus, auch nicht, als die beiden sich seine Pfote ansahen und staunten.

"Die sieht aber komisch aus", fand der kleine Wolf.

"Wie kommt 's, dass die so aussieht, was ist passiert?", wollte der Fuchs wissen.

Der kleine Bär schaute Krawell an und murmelte: "Da war auf einmal ein Loch in der Erde ..."

Als der Bär nicht weiter sprach, versuchte Rufus es wieder: "Nun erzähl schon, was ist passiert?"

Der Bär suchte abermals den Blick des Raben: "... das habe ich nicht gesehen, und ich, ... da, meine Pfote, da bin ich hinein getappt und sie ist stecken geblieben."

Krawell sah ihn aufmunternd an: "Und weiter, was geschah dann?"

"Ich hab' Angst gekriegt und gezerrt und gezogen, bis sie wieder draußen war. Aber das hat fürchterlich weh getan."

"Verflucht, verdammt, das ist aber wirklich blöd - ich meine nicht dich, sondern das Erdloch!", beschwichtigte der Fuchs, als er den erschrockenen Bären sah. "Was machen wir denn jetzt, damit die Pfote wieder dünner wird?", wollte er von Krawell wissen und tat dabei so, als ginge das den Bären gar nichts an.

"In kaltes Wasser tauchen", schlug Rudi eifrig vor. "Ich hab das mal gesehen, wie ein großer Wolf eine schlimme Pfote hatte. Da ist er ins Wasser gesprungen. Als er wieder herauskam, legte er sich ans Ufer und ließ die Pfote noch eine Weile im Wasser baumeln."

"Und? Hat es was genutzt?", wollte Rufus wissen.

"Weiß nicht mehr", musste der kleine Wolf eingestehen.

"Gut, aber ich denke, dass es funktionieren könnte. Also, auf geht 's zu dem Bach", ermunterte Krawell und wandte sich zum Bären: "Kannst du bis dahin auf drei Beinen humpeln?"

"Hmm. Hoffentlich ist es nicht so weit."

"Na ja, ein bisschen ziemlich sehr weit ist es schon", grinste der Rabe.

Der Bär schluckte, nickte aber, und alle begaben sich auf den Weg über die Wiese zum Bach. Rudi rannte voraus und trank von dem Wasser, befand es für ausreichend kalt und forderte den Bären auf, hinein zu springen. Doch er weigerte sich und legte sich stattdessen platt auf den Bauch ans Ufer und ließ die dicke Pfote ins kalte Wasser hängen. Die anderen setzten sich zu ihm. Rudi lag ebenfalls auf seinem Bauch und wollte zusehen, wie die Bärentatze dünner wurde.

Bär läßt seine Pfote in den Bach hängen, Rudi schaut zu - Buntstiftzeichnung: © 2014 by Schattenblick

Buntstiftzeichnung: © 2014 by Schattenblick

"Sag mal Bär, bist du ganz allein unterwegs? Du siehst noch nicht sehr groß aus", begann Krawell ein Gespräch.

"Nee, alt bist du bestimmt noch nicht. Die Bären, die ich kenne, sind viel dicker und schwerer als du, viel größer!", mischte Rufus sich ein.

Der Bär drehte sich um und sah Krawell an: "Meine Mama liegt im Wald und ich saß ganz, ganz lange neben ihr. Aber sie bewegte sich nicht. Sie blieb einfach nur still liegen. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich habe sie geschüttelt, an ihr gezogen ... Nichts. ..." Der Bär schluchzte und schluckte schwer. "Ich habe ihr ins Ohr geflüstert und dann habe ich laut gerufen, aber sie hat sich nicht gerührt. Ich glaube sie ist tot." Dabei kullerten dem Bären dicke Tränen übers Gesicht. "Als mein Hunger immer größer wurde, wollte ich mir etwas zu essen suchen. Dabei bin ich in das Loch getreten ..."

Krawell setzte sich näher an den Bären und krächzte ganz leise eine Melodie, so wie er es einst auch schon für Rudi getan hatte. Der Bär lauschte aufmerksam und legte nach einer Weile seinen Kopf ins Gras. Dann dauerte es auch nicht mehr lange und er war eingeschlafen. Vorsichtig zog Rufus die nasse Pfote ins Ufergras, wo Rudi sie kundig begutachtete. "Sie sieht gar nicht mehr so dick aus!"

"Leute", flüsterte der Rabe eindringlich, "ich werde jetzt in den Wald fliegen...."

"Nein, Krawell, das darfst du nicht! Wenn du dort auch hineingezogen und festgehalten wirst, kann dir keiner helfen. Bitte flieg nicht dort hin!", bettelte Rudi viel zu laut.

"Schscht, sei leise!", ermahnte er den kleinen Wolf. "Ich will nur nachsehen, was mit seiner Mutter ist. Wenn sie wirklich tot ist, dann müssen wir uns um den kleinen Bären kümmern ..."

"Dann komme ich aber mit!" - "Ich auch!" beharrten Fuchs und Wolf gleichzeitig.

"Und wer bleibt bei dem Bären? - Ich schlage vor, dass ihr beide hier bei ihm wartet. Ich beeile mich und komme so schnell ich kann zurück."

Der Fuchs nickte: "Geht klar. Sieh zu, dass du schnell wieder da bist." Dann drehte er sich zu Rudi um und sah ihn erstaunt an: "Sag mal, was ist denn mit dem Wald los? Warum hast du denn solche Angst vor ihm? - Verstehe ich nicht."

Der kleine Wolf setzte sich ans Ufer, der Fuchs tat es ihm gleich und sie behielten den Bären im Auge. "Wenn wir hier schon warten, kann ich dir alles genau berichten ..."

Natürlich wurde seine Erzählung sehr beeindruckend, steckte voller Gefahren und es ging dabei um Leben und Tod, so dass selbst der sonst so wagemutige Fuchs ins Schlottern geriet ...

Fortsetzung folgt ...

1. Juni 2014