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GUTE-NACHT/3587: Der kleine Nachtwächter und der fliegende Besuch (SB)

Der kleine Nachtwächter und der fliegende Besuch

Gute Nacht - Geschichten vom kleinen Nachtwächter

"Keiner da", flüstert es in der Burgküche, "aber wir sollten uns beeilen, der kleine Nachtwächter kehrt bald zurück. Draußen wird es schon hell." Eine andere Stimme flüstert zurück: "Gibt es wieder Käse?" Die Antwort ist: "Nein. Ich kann nichts entdecken. Auch mein feines Näschen nimmt nichts wahr."

Da sind Schritte aus der Halle zu vernehmen. "Sie kommen, der Herr und sein Hund. Schnell verstecken wir uns!"

Gähnend betritt der kleine Nachtwächter die Küche. Seine Laterne stellt er auf den Tisch und legt die Taschenlampe gleich daneben. Aus dem Wasserkrug gießt er die klare Flüssigkeit über seine Hände. Dann zieht er sich die Kapuze vom Kopf und setzt sich an den Tisch. "Wie schön wäre jetzt ein üppiges Frühstück mit Eiern und Speck. Auch Rebell würde das sicher gefallen", denkt der kleine Nachtwächter und steht wieder auf. Anstatt einer Pfanne für das Bauernfrühstück holt er sich nur ein Schüsselchen, sowie eine Tüte mit Haferflocken vom Regal und stellt beides auf den Tisch. Plötzlich hält er inne.

War eben nicht etwas auf dem Regal, das da gar nicht hingehört? Hatte er nicht eine Bewegung wahrgenommen? Der kleine Nachtwächter dreht sich langsam zum Regal zurück. Nichts Ungewöhnliches ist zu sehen. "Das war wohl bloß eine Fatamorgana", meint er zu Rebell.

Doch Rebell sieht das anders. Er hat irgendeine Witterung aufgenommen und geht aufgeregt in der Küche hin und her. Nicht nur am Boden schnüffelt er, sondern er reckt seine Schnauze in die Höhe zum Regal hinauf. Dann beginnt er zu bellen. Auch er ist der Ansicht, daß sich irgendetwas auf dem Regalbrett geregt hat.

Doch zum Nachsehen kommt der kleine Nachtwächter nicht. Denn im selben Augenblick, als er sich zum Regal herumdreht, flattern aufgeregt vier Schwalben durch den geöffneten Fensterflügel herein. Sie drehen ihre Kreise unter der Zimmerdecke und versuchen den einmal gewählten Eingang zur Burgküche nun wieder als Ausgang ins Freie zu nutzen.

Rebell schnüffelt längst nicht mehr zum Regal hinauf. Er läuft aufgeregt in der Küche hin und her und versucht nach den Ankömmlingen zu schnappen. Das beunruhigt die Schwalben noch mehr. Der kleine Nachtwächter erkennt in den vier Vögeln die Jüngsten des unter dem Erker neben dem Küchenfenster brütenden Schwalbenpaares. Die Kleinen sind wohl am Morgen flügge geworden und haben sich nun bei ihrem ersten Rundflug sogleich verflogen.

Was ist zu tun? Wie kann der kleine Nachtwächter den Vögeln helfen?

Zuerst einmal beruhigt er Rebell. Der soll artig unter dem Tisch Platz einnehmen, um die Schwalben nicht noch mehr aufzubringen. Dann öffnet der kleine Nachtwächter auch den zweiten Fensterflügel, sodaß die Schwalbenkinder nicht gegen die Glasscheibe fliegen.

Schon hat eines der Schalbenkinder den Weg nach draußen gefunden und ein zweites folgt. Das dritte fliegt um den Deckenleuchter, der über dem Küchentisch angebracht ist. Vor lauter Aufregung läßt es einen Klacks auf den Tisch fallen. Der vierte Vogel hat sich auf die alte Uhr, die auf dem Küchenschrank steht, niedergesetzt. Verwundert, wo es nun gelandet ist, wiegt es sein Köpfchen hin und her, was den neuen Gast sehr gewitzt und neugierig ausschauen läßt.

Inzwischen gilt die Aufmerksamkeit des kleinen Nachtwächters dem Vogel, der noch immer über dem Tisch kreist. Rebell hält still, auch ohne daß sein Herrchen ihn ermahnen braucht. Nun hat das dritte Vogelkind den Ausgang gefunden. Schließlich folgt auch das vierte Schwalbenkind.

"So schnell sehen wir die Schwalben hier in der Küche bestimmt nicht wieder. Jetzt wissen sie, daß dieser Ort nicht für sie bestimmt ist." Bei diesen Worten kratzt sich der kleine Nachtwächter am Kopf. Ihm fällt eine Begebenheit aus früheren Tagen ein. Davon erzählt er Rebell: "Allerdings habe ich es schon einmal erlebt, daß Schwalben ihre Nester in Wohnungen bauen. Ich wohnte damals in einem alten Bauernhaus. Für ein paar Tage fuhr ich fort und ließ der guten Luft wegen das Fenster in meinem Zimmer gekippt. Es war ein Zimmer unter dem Dach mit freigelegtem Gebälk. Als ich nach Tagen wieder zurückkam, da hatte sich ein Schwalbenpaar eingenistet. Hier konnten sie aber nicht ihre Kleinen groß ziehen. Ich paßte das Hinausfliegen der beiden Schwalben ab und schloß das Fenster. Das Nest war zum Glück noch nicht fertig. Also hatten die Schwalben auch noch keine Eier hinein gelegt. Tagelang öffnete ich das Fenster nicht mehr. So suchten sich die Schwalben einen anderen Platz unter dem Dach des Bauernhauses und bauten dort ein neues Nest. Nun laß uns aber zu Bett gehen. Ich bin hundemüde."

Gute Nacht



zum 10. August 2012